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Trübe Ansicht aus Berliner Sicht. Die Anzeigetafel im Olympiastadion.
© Imago/Contrast

Hertha BSC und die traurige Realität: Große Pläne, kleine Leistungen

Hertha BSC gibt im Februar 2020 kein gutes Bild ab – die Ideen für die Zukunft sind gewaltig, die aktuellen Leistungen aber mau.

Das triste, nasskalte Wetter passte ganz wunderbar zur Stimmung, die sich am Sonntag über Hertha BSC gelegt hatte. Die Fußballprofis, die dem 0:5-Debakel vom Vortag gegen den 1. FC Köln nicht aktiv auf dem Rasen hatten beiwohnen können, trainierten im Berliner Niesel. Der andere Teil der Mannschaft werkelte im rückwärtigen Bereich. Nur Alexander Nouri fand ein paar Worte, er musste sie auch finden. Der Jürgen-Klinsmann-Nachfolger hielt die obligatorische Medienrunde ab. Und er versuchte dabei zu erklären, was kaum zu erklären sei, wie er zugab.

Im Hintergrund huschte Vereinspräsident Werner Gegenbauer über den Parkplatz und verschwand gewohnt wort- und grußlos im Spieler-Trakt. Ja, er habe den Präsidenten kurz gesehen und begrüßt, sagte Nouri, zu mehr sei noch keine Zeit gewesen. Und ja, mit Manager Michael Preetz habe er sich auch kurz ausgetauscht, wobei unklar blieb, ob die kleine Unterredung vielleicht noch am Spieltag stattgefunden hat. Am Tag danach war von Preetz jedenfalls nichts zu hören. „Eine Nachbesprechung wird es noch geben“, sagte Nouri nur.

Der 40-Jährige konnte einem fast schon ein bisschen leidtun. Vor nicht einmal zwei Wochen ist sein Chef getürmt und nun muss er das Durcheinander, welches maßgeblich Klinsmann angerichtet hat, ordnen und neu zusammenfügen. Vor einer Woche klappte das beim Auswärtsspiel in Paderborn gut, jetzt gegen den 1. FC Köln ist das Unterfangen krachend gescheitert.

Der schwache Auftritt seiner Mannschaft sei völlig unerwartet gewesen. „Es gab in der guten Trainingswoche keine Anzeichen dafür“, sagte Nouri, „im Gegenteil, wir waren sehr optimistisch gewesen.“ Gegen Köln habe Hertha „alle Tugenden vermissen lassen“, die beim Auswärtssieg in Paderborn noch vorhanden waren. „Sich zu helfen in Zweikämpfen, der Teamspirit, das Umschaltverhalten“, listete Nouri auf, „alles elementare Dinge“. Alle im Team hätten schlecht geschlafen oder eine unruhige Nacht verbracht, erzählte er. „Eine richtige Erklärung zu finden, ist schwer, aber wir haben zu viele Situationen im Spiel als Team nicht gut gelöst.“

Hertha sucht nach Halt und Fassung. Nach der fast schon historischen Niederlage – nur zweimal, 1980 gegen den HSV und 2012 gegen den FC Bayern, verlor Hertha in der Bundesligageschichte im heimischen Olympiastadion höher – hat sich die Lage für die in der Winterpause mit 77 Millionen Euro pompös aufgerüstete Mannschaft dramatisch verschlechtert. Jetzt ist Krisenmanagement gefragt, doch davon war am Sonntag nichts zu hören, geschweige zu sehen.

Herthas Trainer muss sich vorwerfen lassen, während des Spiels nicht energisch eingegriffen zu haben

Nein, Hertha BSC gibt in diesem Februar kein gutes Bild ab. Da sind auf der einen Seite die hochtrabenden Ziele, formuliert vom abtrünnigen Klinsmann und befeuert von den Aussagen des Investors Lars Windhorst. Auf der anderen Seite ist die prekäre sportliche Situation. Noch nie seit der Jahrtausendwende klafften Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander. Alles sei so extrem bitter, „wir müssen uns bei den Zuschauern entschuldigen“, hatte Nouri schon gleich nach dem Spielende gesagt. Dass die Stimmung in der Ostkurve der Hertha-Fans nach dem zwischenzeitlichen 0:4 in einen höhnischen „Oh-wie-ist-das-schön-Gesang“ kippte und die eigene Mannschaft nach dem Abpfiff heftig ausgepfiffen wurde, kann Nouri verstehen. „Für die Reaktion der Fans habe ich Verständnis“, sagte Nouri.

Herthas Trainer muss sich vorwerfen lassen, während des Spiels nicht energisch eingegriffen zu haben. Spätestens nach dem zweiten Kontertor nach gerade mal 22 Spielminuten wäre eine Systemkorrektur angebracht gewesen. Weg vom 3-5-2-System mit eingebauter Konteranfälligkeit hin zum konventionellen 4-4-2-System, das der wankenden Mannschaft vermutlich mehr Sicherheit und Stabilität verliehen hätte.

„Wir müssen uns gegenseitig aufrichten“, sagte der Trainer am Sonntag. Nachdem Hertha jetzt auch noch hinter den 1. FC Köln in der Tabelle zurückgefallen ist, gewinnt das kommende Auswärtsspiel am Freitagabend bei Fortuna Düsseldorf zusätzliche Brisanz. Danach kommt Werder Bremen, das ebenfalls um den Klassenverbleib ringt.

Vor allem muss Alexander Nouri die gerade auch durch Klinsmanns Tun zerhackte Hierarchie und die dadurch insgesamt aufgewühlte Mannschaft befrieden und aufrichten. Momentan gibt es auf dem Platz keine Spieler, die in kritischen Momenten Verantwortung übernehmen und wenn es nötig ist, auch mal Widerstände überwinden. Es ist alarmierend, wenn ein Spieler wie Niklas Stark nach dem Spiel sagte, dass es den Profis nach dem frühen Rückstand nicht mehr gelungen sei, „unseren Schweinehund“ zu überwinden. Einfach zur Tagesordnung überzugehen, dürfte der falsche Weg sein. Aber genau den scheint Hertha gehen zu wollen.

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