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Die Angreifer müssen auch mitmachen in der Defensive. Trainer Bruno Labbadia hat das bei Dodi Lukebakio gegen Dortmund nicht zum ersten Mal in dieser Saison vermisst.
© imago images/Sven Simon

Hertha BSC und die Schwächen in der Defensive: Gemeinsam gegen die Gegentore

Um gegen die Offensive von Bayer Leverkusen zu bestehen, muss Hertha BSC vor allem als Mannschaft besser verteidigen. Das fängt schon ganz vorne an.

Bruno Labbadia klang euphorisch und zweifelnd gleichermaßen. Dass Jordan Torunarigha in dieser Woche nach seiner Sprunggelenksverletzung ins Mannschaftstraining zurückgekehrt ist, dass er zudem keine Probleme mehr hat, das war für den Trainer von Hertha BSC eine überaus gute Nachricht, über die er sich erkennbar freute. Dass der Innenverteidiger damit aber auch schon wieder eine Option für das Spiel an diesem Sonntag bei Bayer 04 Leverkusen ist, ist nicht unbedingt gesagt. „Dass er noch einen Rückstand hat, ist definitiv“, erklärt Herthas Trainer. „Der war echt ’ne ganze Zeitlang raus.“

Exakt zwei Monate, um genau zu sein. Am zweiten Spieltag, bei der Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt, verletzte sich Torunarigha kurz vor Schluss, und als er gerade vor der Rückkehr ins Training stand, erwischte ihn das Coronavirus. „Das hat noch mal reingehauen“, sagt Labbadia.

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Dass er trotzdem ernsthaft darüber nachgedacht hat, Torunarigha schon für das Spiel in Leverkusen (15.30 Uhr, live bei Sky) in den Kader aufzunehmen, sagt einiges über Herthas aktuelle Schwachstelle. Die Berliner fremdeln ein wenig mit seriöser Defensivarbeit.

18 Gegentore hat die Mannschaft in den ersten acht Spielen in der Fußball- Bundesliga kassiert, mehr als Arminia Bielefeld oder der 1. FC Köln. Nimmt man das Pokalaus gegen den Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig hinzu, kommt Hertha auf einen Schnitt von 2,5 Gegentoren pro Spiel. Lediglich beim 3:0-Auswärtssieg in Augsburg hat die Mannschaft zu null gespielt.

Torunarigha ist nach seiner Verletzung wieder im Training

Natürlich wäre es da hilfreich, wenn Bruno Labbadia wieder auf die Innenverteidigung zurückgreifen könnte, die sich am Ende der vergangenen Saison aus den diversen Kombinationen als die beste und stabilste herausgestellt hat, mit Dedryck Boyata rechts und Torunarigha links in der Zentrale. Herthas Trainer hat damals immer wieder erklärt, was die Stärke dieses Pärchens im Vergleich zu anderen ausmacht. Dass beide miteinander verteidigten und nicht nur nebeneinander.

Gerade den starken Auftritten in der Vorsaison hatte Boyata in diesem Sommer seine Beförderung zum Kapitän bei Hertha BSC zu verdanken. Aber auch der Belgier, der am Samstag 30 geworden ist, wirkt derzeit nicht so stabil, wie er es schon einmal war. „Er kann das besser, definitiv“, sagt Labbadia. „Wir haben wenige Spieler, die über vier, fünf Spiele konstant sehr gute Leistungen bringen. Das ist immer noch zu schwankend bei uns. Auch Dedryck gehört dazu.“

Zuletzt nahm Omar Alderete, der erst im Oktober aus Basel nach Berlin gekommen war, den durch Torunarighas Ausfall vakanten Platz neben Boyata an. Der Nationalspieler aus Paraguay erledigte seinen Job im Großen und Ganzen ordentlich. Er mischte aber auch immer wieder mal folgenschwere Fehler in seine Vorträge. Bei der Niederlage in Leipzig ließ er vor dem Ausgleich Dayot Upamecano zu leicht zum Abschluss kommen, und vor einer Woche, bei Herthas 2:5 zu Hause gegen Borussia Dortmund, spekulierte Alderete vor dem Führungstor der Dortmunder auf Abseits, obwohl Trainer Labbadia das explizit untersagt hatte.

Hertha BSC leistet sich zu viele Aussetzer

Es sind solche Aussetzer, mit denen sich Hertha immer wieder selbst das Leben schwer macht. „Die letzte Konzentration, der Fokus und die Aggressivität“ fehlten, sagt Rechtsverteidiger Peter Pekarik. Wenn man fünf Gegentore kassiert, wie Hertha gegen Dortmund, dann ist es für Labbadia offenkundig, „dass wir uns in der Verteidigung nicht immer optimal verhalten“. Aber bei der Analyse der Gegentreffer hat er auch festgestellt, dass die Fehler nicht im System liegen. Seine Spieler waren gegen Dortmund im Allgemeinen und gegen den vierfachen Torschützen Erling Haaland im Speziellen eigentlich immer in Überzahl, auch die Ordnung stimmte, „aber wir sind nicht an den Leuten dran“, klagte Herthas Trainer.

Genau das war in dieser Woche ein Schwerpunkt der Trainingsarbeit. Labbadia hatte „das Gefühl, dass der eine oder andere noch mal individuell eine Aufarbeitung braucht“. Und damit waren nicht nur die vier Defensivspieler in letzter Linie gemeint.

„Wir haben eine Mannschaft, die noch vieles lernen muss“, sagte Herthas Trainer. Dass Verteidigen im modernen Fußball mehr denn je eine Gemeinschaftsaufgabe ist zum Beispiel. Diese Erkenntnis hat Labbadia vor allem gegen Dortmund bei seinen Spielern vermisst. Gegen Leverkusen darf ihnen das nicht erneut passieren, gegen eine Mannschaft, die Herthas Trainer „auf einer Stufe mit Dortmund, selbst mit Bayern“ sieht und von der Manager Michael Preetz sagt: „Die Leverkusener strotzen vor Selbstbewusstsein, sie sind eingespielt und haben eine offensiv sehr starke Mannschaft.“

Dodi Lukebakio ignorierte die Vorgaben hartnäckig

Umso mehr wird es für Hertha darauf ankommen, der drohenden Gefahr schon möglich weit vor dem eigenen Tor zu begegnen. „Wir müssen noch ein Stück konsequenter sein“, sagt Labbadia. Das betrifft vor allem die Offensivspieler, die vor einer Woche dieser Pflicht nur rudimentär nachgekommen sind.

In der Nachbetrachtung ist vor allem Krzysztof Piatek schlecht weggekommen, der unmittelbar nach der Pause seinen vermeintlichen Gegenspieler Emre Can einfach laufen ließ und damit den frühen Ausgleich des BVB begünstigte. Das Trainerteam aber haderte sehr viel mehr mit Piateks Sturmpartner Dodi Lukebakio, der seine taktischen Aufgaben beharrlich ignorierte und sich vornehmlich im Niemandsland aufhielt. Emre Can, der rechte der drei Dortmunder Innenverteidiger, wäre vor dem 1:1 sein Mann gewesen.

In der Pause war Lukebakio noch einmal instruiert worden, durchaus mit Erfolg. So wie er sich mit seinen Sturmpartnern auch zu Beginn der ersten Halbzeit vorbildlich an den Plan gehalten hatte. „In der ersten Minute und der 46. Minute sind wir perfekt angelaufen, so wie wir es uns vorgestellt haben“, sagte Bruno Labbadia. Dortmunds Ausgleich fiel in der 47. Minute.

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