Hertha BSC und die Defensivprobleme: Die Mannschaft ist fehlbar
Hertha BSC ist zu Saisonbeginn ungewohnt defensivschwach. Das liegt weniger an strukturellen Problemen als an den individuellen Aussetzer der Spieler.
Omar Alderete tat, was Innenverteidiger zu tun haben. Er rauschte entschlossen dazwischen, trat den Ball mit Wucht ins Aus und unterband auf diese Weise einen vielversprechenden Konter schon in seiner Entstehung. Es wäre ein Konter der eigenen Mannschaft gewesen.
Das Ganze spielte sich unter der Woche auf dem Trainingsplatz von Hertha BSC ab – und dass Alderete, der frische Zugang vom FC Basel, für einen Moment die Vorgaben für die Übung vergessen hatte, führte bei seinen Kollegen zu großer Heiterkeit. Im Grunde aber ist es nicht zum Lachen, dass den Spielern des Berliner Fußball-Bundesligisten immer wieder solche Fehler passieren. Nicht nur im Training, sondern eben vor allem im Spiel.
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Sie haben dazu geführt, dass Hertha aktuell nicht besonders gut dasteht. Im Pokal ist die Mannschaft gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig schon in der ersten Runde ausgeschieden, in der Liga hat sie drei von vier Spielen verloren – und in allen fünf Begegnungen bereits 15 Treffer kassiert. In der laufenden Bundesligasaison kommen nur der Letzte Schalke (16) und der Vorletzte Mainz (12) auf noch mehr Gegentore als Hertha (10).
Wobei die Probleme in der Defensive nicht etwa strukturellen, organisatorischen oder taktischen Versäumnissen geschuldet sind. Bei der knappen Niederlage gegen die Bayern zum Beispiel verteidigte Hertha diszipliniert, ließ nur wenige Chancen zu – und kassierte am Ende trotzdem vier Gegentore. „Das ist ein Stück zu einfach“, klagt Trainer Bruno Labbadia.
Die vielen Gegentore sind vor allem auf immer wieder auftretende individuelle Fehler zurückzuführen, die zudem von immer anderen Spielern begangen werden. „In der Defensive stehen wir gut und größtenteils kompakt“, sagt Mittelfeldspieler Vladimir Darida. „Unser Problem ist, dass wir zu viele Fehler machen und in manchen Szenen nicht konsequent genug sind.“
Hertha kassierte bereit fünf Tore nach Standards
Exemplarisch war das 0:1, das Hertha vor einer Woche gegen den VfB Stuttgart kassiert hat. Labbadia hatte in der Besprechung vor dem Spiel explizit auf die Gefahr bei Standards hingewiesen; selbst bei der Ausführung des Freistoßes mahnte er von der Seitenlinie noch einmal zu verschärfter Aufmerksamkeit. Trotzdem stand der Torschütze Marc-Oliver Kempf bei seinem Kopfball völlig frei. „Das habe ich selten gesehen, dass ein einzelner Spieler gegen drei so einfach zum Kopfball kommt“, sagte Labbadia nach dem fünften Standardgegentor, das sein Team in dieser Saison bereits kassiert hat. „Das ist auch eine Frage der Aufmerksamkeit.“
Was es für ihn als Trainer nicht einfacher macht. „Auf den ersten Blick ist das gar nicht so einfach abzustellen“, sagt er. An taktischen Mängeln kann man auf dem Trainingsplatz arbeiten. Aber wie geht man gegen Aufmerksamkeitsdefizite an? „Wir haben trainiert“, sagt Labbadia vor dem Auswärtsspiel an diesem Samstag bei Rasenballsport Leipzig (15.30 Uhr, live bei Sky) gesagt. „Natürlich haben wir uns die Fehler angeschaut. Aber wir haben auch versucht, eine gewisse Spielfreude ins Training zu bringen. Sonst geht die Leichtigkeit verloren.“
Alderete ist noch kein Kandidat für die Startelf
Labbadia ist auf die Selbstheilungskräfte in seiner Mannschaft angewiesen, unter anderem beim neuen Kapitän Dedryck Boyata, der seit dem Restart der Bundesliga ein Garant für Herthas Stabilität war, in den jüngsten Spielen allerdings einige Wackler im Repertoire hatte. Exzessive personelle Wechsel wird Herthas Trainer gegen Leipzig wohl nicht vornehmen. Omar Alderete, der die erste komplette Trainingswoche mit seinen Kollegen hinter sich hat, ist eher kein Kandidat für die Startelf. „Man sieht seine Ansätze, vor allem im spielerischen Bereich“, sagt Labbadia. „Aber die Frage ist: Wie schnell nimmt er das Tempo der Bundesliga an?“
Das Spiel an diesem Samstag gegen den Tabellenführer der Bundesliga ist nicht unbedingt die beste Gelegenheit, um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen. Labbadia weist darauf hin, „dass Leipzig ganz gut drauf ist, dass wir an unsere Grenzen kommen müssen“. Und das gilt ganz besonders für die zuletzt wacklige Defensive. Die Leipziger sind neben den Bayern das einzige Team der Liga, das nach vier Spieltagen bereits auf eine zweistellige Trefferzahl kommt. Und in allen bisherigen Duellen mit Rasenballsport hat Hertha im Schnitt 3,5 Gegentore pro Spiel kassiert – so viele wie gegen keinen anderen Verein.
Im Mai, beim vorerst letzten Aufeinandertreffen, waren es zwei. Den Leipzigern reichten sie zu einem alles in allem recht glücklichen Unentschieden.