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Jung, dynamisch, defensivstark: Für Weltmeister Lucas Hernández gaben die Bayern so viel Geld aus wie nie zuvor für einen Spieler.
© GABRIEL BOUYS / AFP

Rekordtransfer von Lucas Hernandez: Fünf Verteidiger, die Europas Fußball prägen

Der 80-Millionen-Euro-Transfer zum FC Bayern zeigt, dass Defensivspieler wieder hoch geschätzt werden. Diese fünf gehören zu den besten einer neuen Generation.

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Fabio Cannavaro war der letzte seiner Art. Der Italiener gewann 2006 die Wahl zum Weltfußballer – als Innenverteidiger. Seitdem hat das nie wieder ein Abwehrspieler geschafft. Selbst zur Auswahl der drei besten Spieler der Welt wurde in den vergangenen 13 Jahren mit Manuel Neuer nur einmal ein Spieler gewählt, der nicht für Traumtore oder Steilpässe bekannt war. Auch unter den teuersten zehn Transfers der Fußballgeschichte ist kein Verteidiger. Dabei predigte Trainer Jupp Heynckes Saison für Saison: „Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften.“ Stürmer wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Neymar strahlen einfach mehr Glanz aus. Während sie dafür bekannt sind, Spiele alleine entscheiden zu können, wurden großartige Verteidiger zwar geschätzt, aber immer nur als Teil der Abwehrformation gesehen.

Das ändert sich gerade. Bei den Klubs wächst das Bewusstsein dafür, welchen Einfluss ein einzelner überragender Verteidiger haben kann. Und die Vereine sind mittlerweile bereit, dementsprechend viel Geld auszugeben. Den Anfang machte Jürgen Klopp, als er 2018 Virgil van Dijk für knapp 80 Millionen Euro nach Liverpool holte. „Vor einiger Zeit wurden große Summen für Offensivspieler gezahlt, jetzt eben für Verteidiger“, sagte Klopp. Die Bayern haben am Mittwoch nachgelegt. Zur neuen Saison wechselt Weltmeister Lucas Hernández für 80 Millionen Euro nach München. Van Dijk und Hernández sind nur zwei von mehreren Innenverteidigern, die den europäischen Fußball und den Transfermarkt in den kommenden Jahren prägen könnten. Wir stellen die möglichen Nachfolger von Cannavaro vor

Lucas Hernández

Mit Lucas Hernández wollen die Bayern den dringend benötigten Umbruch einleiten. Die schwache Abwehr ist eines der größten Probleme der Münchner. Zwar entwickelt sich Niklas Süle gerade ebenfalls zu einem der besten Innenverteidiger Europas, doch Mats Hummels und Jerome Boateng wirkten in manchen Spielen nicht mehr so sicher wie 2014, als sie gemeinsam Weltmeister wurden. Das hat auch Bundestrainer Joachim Löw gemerkt. Er verzichtet in Zukunft auf die beiden.

Bei den Bayern soll nun Hernández wieder für Ordnung in der Abwehr sorgen. Bei Atletico Madrid, wo er von 2007 an alle Nachwuchsteams durchlaufen hat, wurde er vor allem in der Innenverteidigung eingesetzt, während er im französischen Nationalteam bei allen WM-Spielen als Linksverteidiger zum Einsatz kam. Hernández’ größte Qualitäten sind seine Zweikampfstärke und sein Tempo.

Mit seinem neuen Verein hat der 23-Jährige große Pläne. „Der FC Bayern München ist einer der besten Klubs in Europa und der Welt. Ich bin stolz, künftig um alle Titel für Bayern kämpfen zu können“, sagte er. Bis 2024 hat er in München unterschrieben. „Lucas wird unsere Tradition herausragender französischer Spieler fortschreiben“, sagte Salihamidzic. Corentin Tolisso und Kingsley Coman spielen bereits in München, und mit Benjamin Pavard wird noch ein weiterer französischer Verteidiger zu den Bayern wechseln. Er kommt im Sommer für 35 Millionen Euro aus Stuttgart. Damit ist er fast ein Schnäppchen.

Der Trendsetter und das Edeltalent

Trendsetter: Fast 80 Millionen Euro legte Liverpool für Virgil van Dijk hin.
Trendsetter: Fast 80 Millionen Euro legte Liverpool für Virgil van Dijk hin.
© Glyn Kirk/AFP

Virgil van Dijk

Wer noch Zweifel daran hatte, warum Jürgen Klopp knapp 80 Millionen Euro für Virgil van Dijk ausgegeben hat, der weiß es seit dem Champions-League-Achtelfinale von Bayern gegen Liverpool besser. Im Hinspiel fehlte der Niederländer noch gesperrt, im Rückspiel war er mit einer traumhaften Vorlage, einem Kopfballtor und einer sicheren Abwehrleistung für den 3:1-Sieg mitverantwortlich.

Liverpools Problem der vergangenen Jahre scheint mit ihm gelöst. Denn während der Klub offensiv fast in jeder Saison überzeugte, gab es Probleme in der Defensive. In den ersten drei Spielzeiten unter Klopp kassierte Liverpool immer 40 bis 50 Tore in der Liga und hatte von den besten sechs Klubs in England die schlechteste Abwehr. Seitdem van Dijk da ist, ist alles anders. In dieser Saison ist Liverpool mit nur 18 Gegentoren die mit Abstand defensivstärkste Mannschaft der Premier League.

Der 27 Jahre alte Niederländer ist ein nahezu kompletter Spieler. Als Abwehrchef ist er Motivator und strategischer Taktgeber. Außerdem ist er extrem zweikampfstark – sowohl am Boden als auch in der Luft, wo ihm seine 1,93 Meter Körpergröße helfen. Daher ist van Dijk auch torgefährlich, wie die Bayern erleben mussten. Klopp vermutete zuletzt, dass sein Abwehrchef zum „besten Verteidiger der Geschichte der Premier League“ werden könnte. Als zu teuer wird van Dijk dann sicher nicht mehr gelten.

Matthijs de Ligt

Bei Matthijs de Ligt ging bisher alles rasend schnell. Sein erstes Länderspiel für die niederländische A-Nationalmannschaft bestritt der Innenverteidiger von Ajax Amsterdam 2017 im Alter von 17 Jahren. Kurz darauf war er der jüngste Spieler in einem Europapokal-Finale beim Europa-League-Endspiel gegen Manchester United. Und bei Ajax wurde er 2018 mit 18 Jahren bereits Kapitän – der jüngste der Vereinsgeschichte.

Zu all diesen beeindruckenden Altersmarken kam de Ligt nicht ohne Grund. Europas Scouts preisen den mittlerweile 19-Jährigen nicht nur für klassische Verteidigertugenden wie starkes Zweikampfverhalten und wuchtiges Kopfballspiel, sondern vor allem auch für seine Passqualitäten und seine Schnelligkeit. Und so ist es natürlich kein Wunder, dass sich de Ligt quasi aussuchen kann, bei welchem europäischen Spitzenklub er vom nächsten Sommer an spielen möchte.

Größte Favoriten derzeit sind der FC Barcelona und Paris Saint-Germain. Wer ihn auch immer bekommen will, muss viel Geld bezahlen. Mindestens 70 Millionen Euro werden aufgerufen. Aber sein Berater Mino Raiola ist ja nicht erst seit Zlatan Ibrahimovic und Paul Pogba bekannt dafür, dass er die Beträge noch mal so richtig nach oben schrauben kann.

Sarris Zögling und Mr. Clean

Mr. Clean: So lautet der Spitzname von Real Madrids Raphaël Varane.
Mr. Clean: So lautet der Spitzname von Real Madrids Raphaël Varane.
©  Javier Soriano/AFP

Kalidou Koulibaly

Kaum eine andere Fußballnation steht sinnbildlicher für die hohe Kunst des Verteidigens als Italien, „Catenaccio“ gilt als Inbegriff für knallharten Defensivfußball. Es ist also wenig verwunderlich, dass Kalidou Koulibaly hier zu dem Weltklasseverteidiger wurde, der er mittlerweile ist.

Als Rafael Benitez ihn 2014 aus Belgien zum SSC Neapel holte, galt er als ein Spieler mit Potenzial, dem es jedoch noch am nötigen Feintuning mangelte. Benitez’ Nachfolger Maurizio Sarri schnappte sich Koulibaly: „Hör mir zu, und du wirst ein Champion“, sprach er und verbrachte von da an Stunden mit ihm auf dem Trainingsplatz, um ihn in den Details des Defensivspiels zu schulen. In Neapels Abwehr ist Koulibaly inzwischen der unumstrittene Boss; kopfball- und zweikampfstark, wuchtig und dennoch beweglich. Trainer Carlo Ancelotti verglich ihn bereits mit den italienischen Defensivgranden Paolo Maldini und Alessandro Nesta.

Dennoch könnte Koulibalys Zeit in Italien bald zu Ende gehen. Rassistische Beleidigungen gegen den senegalesischen Nationalspieler haben in der Serie A bereits zu Platzsperren geführt. Und außerhalb Italiens soll es Klubs geben, die bereit wären, etwa 100 Millionen Euro für den 27-Jährigen auf den Tisch zu legen.

Raphaël Varane

Der Lieblingsschüler von Didier Deschamps und Zinedine Zidane zu sein – mehr Achtung kann sich ein französischer Fußballspieler eigentlich kaum verschaffen. Genau diesen Status hat sich Raphaël Varane erarbeitet: Als Zidane 2011 noch Berater von Real Madrid war, setzte er sich persönlich dafür ein, dass der Klub den talentierten Franzosen aus Lens verpflichtete. „Er erinnert mich an Laurent Blanc“, sagte Zidane damals mit Blick auf eine weitere französische Legende. Als Zidane 2016 Trainer bei Real Madrid wurde, löste Varane bald den Portugiesen Pepe als Partner von Sergio Ramos im Abwehrzentrum ab.

25 Jahre ist er inzwischen alt, viermal hat er die Champions League gewonnen, und seit dem Sommer ist er auch Weltmeister. Alle sieben Spiele bestritt er bei der WM über die volle Distanz. „Mr. Clean“ wird er von seinen Teamkollegen genannt, weil er es wie kaum ein Zweiter versteht, Bälle zu antizipieren und mit klinischer Präzision zu sichern. „Er ist ruhig, gelassen und das sieht man ihm an“, sagt Nationaltrainer Deschamps. Er machte Varane zum Nationalspieler und baut seither fest auf ihn.

Klar, dass das Begehrlichkeiten hervorruft. Zuletzt gab es Gerüchte, dass Varane bei Real unglücklich sei und die üblichen Verdächtigen aus Turin, Paris und Manchester die Fühler ausgestreckt hätten, 140 Millionen Euro solle er kosten. Sein Vertrag bei Real läuft aber bis 2022. Und außerdem hat er dort ja jetzt einen neuen, alten Trainer: Zinedine Zidane.

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