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Chelseas Trainer Maurizio Sarri
© Reuters/David Klein

Chelseas Maurizio Sarri: Absturz eines Kettenrauchers

Beim FC Chelsea schwärmten sie lange von Trainer Maurizio Sarri. Doch schon heute gegen Tottenham geht es um seinen Job.

Irgendwann war es Maurizio Sarri egal, ob der FC Chelsea das Finale gewinnen würde. Er war einfach so wütend. Er wollte nur noch eine verdammte Zigarette rauchen.

Seit einem halben Jahr arbeitet Sarri als Trainer des FC Chelsea. Seit einem halben Jahr darf er wegen des Rauchverbots in englischen Stadien nicht mehr an der Seitenlinie rauchen. Am Anfang hat der Italiener noch an einer ausgelöschten Kippe gekaut, aber mittlerweile übersteht er sogar ohne das die 90 Minuten. Im Ligapokalfinale gegen Manchester City hielt er es am Sonntagabend aber nicht mehr aus.

Weil sein Torwart Kepa Arrizabalaga angeschlagen am Boden lag, wollte Sarri für das bevorstehende Elfmeterschießen Ersatztorhüter Willy Caballero einwechseln. Doch dann stand Kepa wieder auf und weigerte sich mit furiosen Handbewegungen, das Spielfeld zu verlassen. Es war ein bizarres Theater, aber zugleich eine öffentliche Untergrabung der Autorität des Trainers. Irgendwann lief Sarri wütend in Richtung des Tunnels. Es sah so aus, als ob er einfach auf der Stelle hingeworfen hatte.

Mittlerweile hat er sich beruhigt. Es sei alles nur ein großes Missverständnis, sagte Sarri nach dem im Elfmeterschießen verlorenen Finale. Und vor dem Ligaspiel gegen Tottenham Hotspur an diesem Mittwoch (21 Uhr/Dazn) betonte er erneut, dass es kein Problem mit Kepa gebe: „Jetzt ist es alles vorbei. Er hat sich entschuldigt. Wir wollen ihn nicht töten.“

Doch an der Stamford Bridge herrscht vor dem Derby alles andere als ein Burgfrieden. Es gibt eine gespaltene Kabine und unzufriedene Fans. Es gibt eine Taktik, die nicht mehr funktioniert. Es gibt einen Trainer, der den Respekt seiner eigenen Spieler nicht mehr verlangen kann.

Seit Wochen scheint Sarri die Kontrolle über seine Mannschaft allmählich zu verlieren. Spätestens nach dem Finale am Sonntag wurde klar, über wie wenig Autorität er tatsächlich verfügt. Denn Kepas Mitspieler versuchten gar nicht erst, ihn vom Platz zu drängen, und Kapitän Cesar Azpilicueta schlug sich in dem Streit sogar auf Kepas Seite. In der Nacht zum Dienstag kündigte der Klub an, dass der spanische Torwart eine Geldstrafe in Höhe von 220 000 Euro – sein Gehalt für eine Woche – zahlen müsse. Es gab aber keine interne Sperre. Am Dienstag sagte Sarri, dass die Mannschaft darüber entscheiden werde, ob Kepa gegen Tottenham spiele oder nicht. Nicht der Trainer. Zwar gibt es Spieler wie David Luiz oder Antonio Rüdiger, die öffentlich noch zu Sarri stehen. Aber eine Niederlage gegen Tottenham dürfte für ihn das Ende bedeuten.

Es hatte so gut angefangen - alle schwärmten von Sarri

Dabei hatte es so wunderbar angefangen zwischen Chelsea und Sarri. Unter großer Begeisterung kam er im vergangenen Sommer von Neapel nach Westlondon, und wurde dem Hype gerecht. Bis Ende November blieb sein Team ungeschlagen, und alle schwärmten vom „Sarriball“, seiner eigenartigen Spielphilosophie, die sich am einfachsten als eine Mischung aus Kombinations- und Konterfußball erklärt.

Doch im Januar begann das System zu bröckeln. Gegnerische Mannschaften fingen an, Sarris Schlüsselspieler Jorginho erfolgreich aus dem Spiel zu nehmen. Langsam entwickelten sich Kommunikationsprobleme, und die Ergebnisse wurden schlechter. 2019 hat Chelsea nur zwei seiner fünf Ligaspiele gewonnen, und die Niederlagen fielen drastisch aus, so gab es ein 0:4 gegen Bournemouth und ein 0:6 gegen Manchester City.

Sarris Absturz ist dramatisch, andererseits auch vorhersehbar. Denn die Verbindung des 60-Jährigen mit Chelsea war von Beginn an ein wenig paradox. Der Kettenraucher mit Dreitagebart passte schwer in das edle Ambiente der Kings Road. Sarri ist nicht glamourös, er ist ein Exzentriker, der erst vor ein paar Jahren den Sprung aus den unteren italienischen Ligen in die Serie A schaffte.

Seine Erfolge in Italien, bei Empoli und Neapel, fußten oft auf einem großen gegenseitigen Vertrauen zwischen Verein und Trainer. So etwas gibt es unter Chelseas Eigner Roman Abramowitsch so gut wie nie. Vor dem Ligapokalfinale hatte sogar Citys Trainer Pep Guardiola gesagt, ein Chelsea-Trainer werde immer in Frage gestellt, er selber habe nie einen solchen Druck erleben müssen.

Auch Sarris Vorgänger Antonio Conte geriet in einen Machtkampf mit Stürmer Diego Costa. Am Ende setzte sich Conte durch, doch der Streit schadete ihm sehr. 2018 musste er gehen, ein Jahr nachdem er Englischer Meister geworden war. Für Sarri könnte noch schneller Schluss sein. Dann kann er endlich wieder so viel rauchen, wie er will.

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