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Am Rande des Abbruchs: Das Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England in Sofia wurde in der ersten Halbzeit zweimal unterbrochen.
© Nikolay Doychinov/AFP
Update

Bulgarische Fans sorgen für Entsetzen: England-Spiel wegen rassistischer Vorfälle zweimal unterbrochen

Das Spiel in Sofia steht lange am Rande des Abbruchs. Die Uefa wird nun wohl Anklage erheben. Bulgariens Verbandschef ist bereits zurückgetreten.

Affenlaute und Hitlergrüße auf der Tribüne: Der Rassismusskandal beim EM-Qualifikationsspiel der englischen Fußball-Nationalmannschaft in Bulgarien hat für Entsetzen gesorgt und wird zu drastischen Strafen führen. Die Europäische Fußball-Union Uefa kündigte am Dienstag an, noch eine offizielle Mitteilung ihrer Disziplinarkommission abzuwarten, um dann wohl wie erwartet Anklage gegen den bulgarischen Verband zu erheben.

Unterdessen trat Bulgariens Verbandschef Borisslaw Michailow am Dienstag auf Druck von außen zurück. „Es ist unzulässig, dass Bulgarien, das einer der tolerantesten Staaten der Welt ist, wo Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionen in Frieden leben, mit Rassismus und Fremdenhass verbunden wird“, schrieb Regierungschef Boiko Borissow auf Facebook. Er hatte Michailows Rücktritt gefordert.

Beim 6:0-Sieg der Engländer in Sofia war das Spiel am Montagabend in der ersten Halbzeit zweimal unterbrochen worden, weil die schon zuvor unter Uefa-Beobachtung stehenden bulgarischen Fans erneut für rassistische Entgleisungen gesorgt hatten.

Entsetzt reagierten britische Medien auf die skandalösen Vorkommnisse. „Eine Umgebung wie diese, eine giftige Mischung aus schändlichen und beschämenden Beschimpfungen und Gesängen, ist nicht das, woran man sich bei einem Fußballspiel erinnern sollte“, schrieb „The Sun“, und „Daily Mirror“ kommentierte: „Alle werden sich an eine Nacht erinnern, die eine Schande für den Fußball war.“

Auch die britische Regierung von Boris Johnson verurteilte die Vorfälle. Man fordere von der Uefa eine schnelle Untersuchung und harte Strafen, sagte ein Sprecher des Premierministers der Nachrichtenagentur PA. „Der Rassismus, den wir gestern Abend gesehen und gehört haben, war abscheulich und hat weder im Fußball noch irgendwo anders einen Platz.“ Greg Clarke, der Vorsitzende des englischen Verbandes FA, sprach von einer „der schrecklichsten Nächte, die ich je im Fußball gesehen habe“.

„In Europa verurteilten sie uns als Rassisten“

Nach der Partie, in der Raheem Sterling und Tyrone Mings ständig mit Affenlauten von der Tribüne diskreditiert wurden, räumte die Zeitung „Duma“ ein: „In Europa verurteilten sie uns als Rassisten.“ Indes verharmlosten Bulgariens Coach Krassimir Balakow und Keeper Plamen Iljew das Geschehen. Sie hätten nichts gehört.

„Ich muss auch sagen, es gab nicht nur das Benehmen der bulgarischen Fans, sondern auch der englischen Fans, die während der bulgarischen Nationalhymne gepfiffen und gegrölt haben“, sagte Balakow, einst Profi beim VfB Stuttgart. Iljew lobte laut dem englischen „Guardian“ sogar das Verhalten der Heimfans. „Sie haben sich gut benommen, und die Engländer haben ein wenig überreagiert“, sagte Iljew.

Der zweifache Torschütze Sterling stichelte hinterher gegen Balakow, zumal der schon vor der Partie gesagt hatte, England habe ein größeres Rassismusproblem als Bulgarien. „Mmmmh ... da bin ich mir nicht so sicher, Chef“, schrieb Sterling bei Twitter.

Verbandspräsident Michailow will ungeachtet der Rücktrittsforderungen seinen Posten behalten. Das sagte ein Verbandssprecher dem Staatsradio in Sofia. Die Regierung indes wolle die Beziehungen zum Fußballverband aussetzen - auch die finanziellen Zuwendungen sollen eingestellt werden, wie Sportminister Krassen Kralew sagte. Den Bulgaren droht jetzt laut UEFA-Reglement ein Geisterspiel ohne Zuschauer und eine Geldstrafe von 50 000 Euro. Die Strafe könnte aber noch höher ausfallen.

Englische Spieler hatten schon vorher Konsequenzen angekündigt

Bereits vor den beiden Qualifikationsspielen gegen Tschechien und Bulgarien hatten die Spieler der englischen Nationalmannschaft angekündigt, das Spielfeld zu verlassen, falls es zu rassistischen Vorfällen kommen sollte. „Wenn das einem von uns passiert, passiert es allen“, sagte England-Stürmer Tammy Abraham und verwies auf Aussagen seines Mannschaftskapitäns. „Harry Kane hat gesagt, wenn wir unglücklich sind, wenn ein Spieler unglücklich ist, dann verlassen wir alle gemeinsam das Spielfeld.“

Bei der Partie am Montagabend blieben 5000 der insgesamt 46 340 Plätze im Wassil-Lewski-Nationalstadion von Sofia auf Anweisung der Uefa leer. Die Europäische Fußball-Union bestrafte den bulgarischen Fußballverband damit für rassistisches Verhalten der Fans bei EM-Qualifikationsspielen im Juni. Auch die Partie gegen Tschechien im November wird Bulgarien vor teilweise leeren Rängen bestreiten.

Ukraine ist bei EM dabei

In Paris trennten sich Weltmeister Frankreich und die Türkei mit 1:1 (0:0). Erneut salutierten türkische Spieler und zeigten so ihre Sympathie mit der Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Schon beim 1:0-Sieg gegen Albanien am vergangenen Freitag hatten die türkischen Profis nach dem Siegtreffer auf dem Platz und später auch in der Kabine mit der Hand an der Stirn salutiert. Nun ermittelt die Uefa wegen einer möglichen politischen Bekundung rund um die scharf kritisierte türkische Militäroffensive in Nordsyrien gegen den Verband des Landes.

Als nächstes Team qualifizierte sich zudem am Montagabend die Ukraine für die Europameisterschaft im kommenden Jahr. Die ukrainische Auswahl gewann ihre Partie gegen Europameister Portugal mit 2:1 (2:0) und liegt in der Gruppe B mit 19 Punkten nun uneinholbar vor den Portugiesen (11 Punkte) auf Rang eins. Roman Jaremtschuk und der frühere Dortmunder Profi Andrej Jarmolenko hatten die Ukraine in der ersten Halbzeit in Führung gebracht, der insgesamt 700. Pflichtspieltreffer von Cristiano Ronaldo per Handelfmeter in der zweiten Hälfte reichte am Ende nur zum Anschluss. (Tsp, dpa)

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