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Hässliche Szenen: Die bulgarischen Fans provozierten im Spiel gegen England.
© Nikolay Doychinov/AFP

Rassismus in Sofia, Militärgruß in Paris: Die Spiele der EM-Qualifikation waren ein Offenbarungseid

Sport und Politik lassen sich nicht trennen. Das Verhalten der Türken und Bulgaren muss Folgen haben, aber die Uefa wagt nicht zu handeln. Ein Kommentar.

Der Fußball ist politisch. Da können sich Verbände und Vereine, Fans und Verantwortliche noch so lange das Gegenteil einreden und sich eine strikte Trennung von Sport und Politik wünschen – eine gesellschaftlich so bedeutsame soziale Aktivität wie der Fußball wird auch immer politisch aufgeladen werden. Deshalb braucht es eine klare Haltung – und bei Verfehlungen strikte Konsequenzen.

Am Montagabend in der EM-Qualifikation ist das einmal mehr offenkundig geworden. Der Sport rückte in den Hintergrund, die politischen Nebenerscheinungen wurden zu den Hauptgeschehnissen: In Sofia stand das Spiel nach rassistischen Schmähungen der bulgarischen Fans in Richtung englischer Nationalspieler am Rande des Abbruchs, in Paris salutierten die türkischen Profis zur Unterstützung der Militäroffensive ihres Landes in Nordsyrien mit einem Militärgruß.

Beides geschah quasi mit Ansage: Der bulgarische Verband spielte nach rassistischem Verhalten von Fans bei Partien im Juni bereits auf Bewährung, weshalb die englischen Spieler vor der Begegnung angekündigt hatten, bei erneuten Fällen das Spielfeld zu verlassen – worauf sie nach einigen Diskussionen jedoch verzichteten. Die türkischen Profis hatten bereits bei ihrem Spiel am Freitag mit dem Militärgruß gejubelt. In beiden Fällen hatte sich bereits der europäische Fußballverband Uefa eingeschaltet. Umso größer ist nun der Aufschrei nach den erneuten Vorfällen.

Doch Länderspiele zwischen einzelnen Nationen zeigen eben mehr noch als durchschnittliche Ligapartien, wie sehr sportliche und politische Belange miteinander verwachsen sind. Hier treten politische und soziale Konflikte zutage, hier werden nationale Symbole und Befindlichkeiten inszeniert, und hier finden auch politische Bekundungen statt. Wer sich gerne in seinem stolzen Patriotismus suhlt, findet hier eine Plattform, um den auszuleben und ihm Ausdruck zu verleihen.

Dass die Beteiligten sowohl in Sofia als auch in Paris trotz einer Vorwarnung erneut aktiv wurden, zeigt vor allem, dass es der Uefa an einer strikten Haltung mangelt. Ihre bisherigen Maßregelungen und Strafen in vergleichbaren Fällen werden offenbar nicht ernst genug genommen, eine neuerliche Sanktionierung nimmt man anscheinend billigend in Kauf.

Und auch jetzt gibt es wieder wenig Anlass zur Hoffnung, dass die Uefa endlich einmal rigoros durchgreift. Ein Disziplinarverfahren hier, ein paar Fanausschlüsse da, eine Geldstrafe dort – und ein paar Wochen später ist alles wieder vergessen. So sieht es leider im Normalfall aus. Vielleicht hätte es deshalb am Montagabend ein klareres Zeichen gegenüber der Uefa gebraucht, dass es so auf gar keinen Fall weitergehen kann. Oder anders gesagt: Wären die Engländer lieber einmal vom Feld gegangen.

Leonard Brandbeck

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