Niko Kovac beim FC Bayern: Einsam zur Meisterschaft?
Mit Frankfurt gewann Niko Kovac vor einem Jahr den DFB-Pokal, seine Zeit in München könnte trotz des möglichen Doubles bald enden.
Frankfurt ist nicht München. Weit und breit keine Wiese mit Fußballspielern, denen keiner was kann, nicht mal die Stiere auf der anderen Seite des Zauns. Mia san mia, mia san stärker wie ... genau!
Es war diese Qualität, die den Fußballlehrer Niko Kovac vor einem Jahr nach München gelockt hat. Die Aussicht, einmal eine Mannschaft auf allerhöchstem Niveau anzuleiten. Trainer beim FC Bayern München – mehr geht nicht in Deutschland und viel mehr auch nicht auf der restlichen Welt. Am Samstag reicht dem im Berliner Arbeiterbezirk Wedding groß gewordenen Kovac gegen die alten Freunde seines früheren Klubs Eintracht Frankfurt schon ein Unentschieden zum Gewinn der deutschen Meisterschaft, am kommenden Wochenende könnte der DFB-Pokal dazukommen. Und doch wurde am Freitag mal wieder über einen vorzeitigen Abschied spekuliert, von einem Online-Portal sogar schon als Fakt vermeldet, was die Bayern umgehend dementierten. Es sind freudlose Tage des Erfolges, in denen Niko Kovac gern an die Mühe der Ebene zurückdenken dürfte. An die Verhinderung des Abstiegs und harte Aufbauarbeit, gekrönt vom Pokalsieg 2018, ausgerechnet gegen die Bayern.
Schön war die Zeit in Frankfurt.
Europa blickt zurück auf einen wunderschönen Frankfurter Frühling, er hat so viel Begeisterung und Zuneigung geweckt, wie sie dieser dem Profitdenken verfallene Sport lange nicht mehr erlebt hat. „Vergesst das grandiose Ajax Amsterdam mit seiner fußballerischen Brillanz. Das romantischste Team in ganz Europa heißt Eintracht Frankfurt“, schwärmte die „Daily Mail“, gedruckt und gelesen in England, das sich immerhin mit allen vier Finalisten der beiden europäischen Wettbewerbe schmückt. Die Eintracht hat sich am vorigen Donnerstag nach einer epischen Europa-League-Schlacht dem milliardenschweren FC Chelsea gebeugt und ist drei Tage darauf, völlig entkräftet, in der Bundesliga braven Mainzern unterlegen. Und doch wackelte der Beton des Frankfurter Stadions, als die Spieler zur Abnahme des Applauses schritten. In der Fankurve sangen sie „Eintracht Frankfurt, du bist mein Leben“, „Uefa-Cup, olé“ und, natürlich „Adi Hütter“, zu Ehren des Trainers der Mannschaft, die gerade verloren hatte.
Wann ist das Münchner Stadion zuletzt für Niko Kovac aufgestanden?
Zuletzt hat sogar sein Förderer Uli Hoeneß auf Solidaritätsadressen verzichtet. Von Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist immer nur die Rede, wenn es um die berühmte Job-Garantie geht, die er seinem Trainer partout nicht ausstellen mag. Eine am Freitag vom Online-Portal „Spox“ verbreitete Meldung, nach der Bayerns früherer Profi Mark van Bommel in der kommenden Saison den Platz von Kovac einnehmen werde, bezeichnet Rummenigge via „Bild“-Zeitung als „eine totale Ente“.
Und doch wäre ein Abschied des preußischen Kroaten nach den Entwicklungen der vergangenen Wochen kaum noch eine Überraschung. Niko Kovac kann Meister werden und den Pokal holen, aber in München „wird er allenfalls noch geduldet“, konstatiert die „Frankfurter Rundschau“ einigermaßen fassungslos.
Effenberg verteidigt Kovac
Im politischen Trend des dritten Jahrtausends ordnet der FC Bayern die Bundesliga und den Pokal der europäischen Idee unter. Und mag es seinem Trainer nicht verzeihen, dass auf der Bühne Champions League schon im Achtelfinale Schluss war. 1:3 im Rückspiel daheim gegen den FC Liverpool, der im vergangenen Jahr immerhin das Endspiel erreicht und diesmal den FC Barcelona rausgekegelt hat. Unverzeihlich!, zetert Rummenigge indirekt selbst und ein wenig direkter über seinen Adlatus, einen mit der Lizenz zum Abnicken ausgestatteten Sportdirektor namens Hasan Salihamidzic, den sie immer noch „Brazzo“ nennen, Brüderchen. Gerade erst hat das Brüderchen im ZDF auf die Frage nach der Zukunft des Trainers gesagt: „Wir werden sehen.“
Der Fußballspieler Kovac war trotz aller Erfolge mit eher überschaubarem Glamourfaktor gesegnet und hat in seiner zwei Jahre währenden Phase bei den Bayern die Arbeit verrichtet, die den Freigeistern zu mühsam war. Der Wert harter Arbeit, in Frankfurt Woche für Woche hochgehalten, wird in München traditionell belächelt. Das ausklingende Fußballjahr lässt darauf schließen, dass sich daran nicht viel geändert hat.
Der einstige Bayern-Anführer Stefan Effenberg hat in seinem Leben viel Blödsinn geredet. Aber wer will ihm schon widersprechen bei seiner Forderung an die Großkopferten, sie sollten endlich mal sagen: „Wir stehen ohne Wenn und Aber zu Niko Kovac und gehen mit ihm in die neue Saison. Das kann doch nicht so schwer sein.“
Als die Bayern vor ein paar Wochen den vormaligen Spitzenreiter Borussia Dortmund mit 5:0 verprügelten, ging es in der Analyse nicht um das großartige Spiel, inszeniert von einem vielleicht nicht ganz so unbegabten Trainer. Sondern um die später am Abend stattfindende Party des Ersatzspielers Jerome Boateng und die Frage, ob Kovac dort auch aufschlagen werde. „Es geht nur noch um Nebensächlichkeiten“, sprach der Trainer darauf. Und: „Es ist nicht in Ordnung, was hier abgeht.“
Robben und Ribery werden verteidigt, Kovac nicht
Zu anderen Zeiten hätten die Bayern-Bosse mit Gegendarstellungen gedroht oder das Grundgesetz bemüht. Halt, da war ja was im vergangenen Herbst, als die Münchner munter die Tabelle hinabpurzelten. Da beriefen Hoeneß, Rummenigge und das Brüderchen eine Pressekonferenz ein und sich selbst auf Artikel 1 des Grundgesetzes, „die Würde des Menschen ist unantastbar“. Es ging dabei um die Kritik an den Alt-Profis Arjen Robben oder Franck Ribéry. Und weniger um einen Mangel an Respekt vor deren Trainer.
Eintracht Frankfurt hat Niko Kovac vor einem Jahr nur ungern ziehen gelassen. Die Fans haben ihn vor dem Pokalfinale gegen die Bayern sogar ausgepfiffen und damit doch die bayrische Hochfinanz gemeint, weil sich über Geld im Zweifelsfall alles regeln lässt. Nach vollzogenem Sieg drehte sich Ablehnung in Zuneigung und Kovac kamen die Tränen. Schwer vorstellbar, dass er sich in diesem Frühling eine ähnliche Blöße geben wird. Nicht bei einem Pokalsieg gegen Leipzig und schon gar nicht im Falle eines Triumphes gegen die alten Freunde aus Frankfurt. Das Münchner Publikum wird die scheidenden Robben und Ribéry hochleben lassen. Den Trainer werden die anderen feiern. Die Frankfurter, die sich nach Niko Kovacs unverhofftem Abschied ebenso unverhofft in Adi Hütter verliebt haben und sich kaum die Gelegenheit nehmen lassen dürften, ihn ein weiteres Mal hochleben zu lassen. Auch wenn das Spiel 0:5 verloren gehen und die Eintracht dadurch noch aus den Europapokalplätzen purzeln sollte.