Bundesliga-Saisonvorschau (17): Ein Titel reicht Borussia Dortmund schon
Bei Borussia Dortmund geht nun sogar Trainer Favre verbal in die Offensive. Und die Fans wollen eine Trophäe statt neuer Rekorde.
Am 18. September startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 17: Borussia Dortmund
Was hat sich verbessert?
Eine ganze Menge. Zum Beispiel die fußballerische Qualität des Kaders (siehe nächste Frage). Oder die neue Angriffslust des als Zauderer und Zweifler verschrienen Trainers Lucien Favre, der gerade sogar öffentlich von einem Titel gesprochen hat. Und natürlich der Gesundheitszustand von Marco Reus.
Vor einem Monat noch schien es nicht ausgeschlossen, dass der BVB seinen ohnehin verletzungsanfälligen Kapitän in die Sportinvalidität würde transferieren müssen. Inzwischen ist der 31-Jährige wieder putzmunter. Am Montag, im Pokalspiel beim MSV Duisburg, stand er erstmals seit dem 1. Februar wieder auf dem Platz. Das heißt, Reus ist auch für das Duell mit seinem Lieblingsgegner fit und einsatzfähig.
Am Samstagabend starten die Dortmunder mit dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach in die neue Saison. Bei den jüngsten fünf Begegnungen mit seinem Ex-Klub hat Reus jedes Mal getroffen, und in allen zwölf Spielen seit seinem Wechsel von der einen Borussia zur anderen hat er neun Tore erzielt.
Wer sind die Neuen?
Abgesehen vom gestandenen belgischen Nationalspieler Thomas Meunier, 29, der den Altersschnitt ein bisschen kaputt macht, sind es lauter junge Burschen mit herausragenden fußballerischen Anlagen. Der BVB ignoriert also in aller Souveränität die uneigennützigen Empfehlungen von Uli Hoeneß und setzt weiterhin auf extrem junge Talente, die die Mannschaft für eine gewisse Zeit sportlich voranbringen und im Anschluss ein sattes Plus bei den Transfereinnahmen versprechen.
Nach den guten Erfahrungen mit Achraf Hakimi haben die Dortmunder erneut einen Spieler von Real Madrid ausgeliehen. Der Brasilianer Reinier ist sogar schon volljährig, saß aber bereits im November mit süßen 17 im Finale der Copa Libertadores bei Flamengo auf der Ersatzbank. Im Januar wechselte er für 25 Millionen Euro zu Real.
So viel haben die Dortmunder jetzt auch für den englischen Zweitligaspieler Jude Bellingham ausgegeben, der erst Ende Juni 2021 volljährig wird. Bei zwölf der achtzehn Bundesligisten wäre er mit dieser Ablöse der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Dass das Geld trotzdem gut investiert ist, ließ sich schon bei Bellinghams erstem Pflichtspiel, im Pokal gegen Duisburg, zumindest erahnen.
Und dass der als Zauderer und Zweifler verschriene Favre ihn gleich von Anfang an spielen ließ, ist auch ein stichhaltiges Indiz für seine Reife und Klasse. „Es ist geil, was für Kicker wir haben“, hat Emre Can nach dem Pokalspiel gesagt. „Wir haben eine überragende Mannschaft.“
Wer hat das Sagen?
Die Zeiten, in denen das Dreigestirn Watzke/Zorc/Klopp die Dinge unter sich geregelt hat, sind lange vorbei. Der Legende nach wurden in der guten alten Zeit ja alle wichtigen Entscheidungen einstimmig bei gemeinsamen Skatrunden getroffen. Von Lucien Favre ist nicht bekannt, dass er Skat spielt.
Statt Favre, der sowieso einfach nur seinen Job machen will, reden jetzt Matthias Sammer (als Berater der Geschäftsführung), Sebastian Kehl (Leiter der Lizenzspielerabteilung) und Mats Hummels (mannschaftsinterner Aufpasser für Trainer Favre) mit. Zumindest ein bisschen. Das wahre Machtzentrum besteht aus Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Während Watzke den als Zauderer und Zweifler verschrienen Favre immer noch mit der Jürgen-Klopp-Fanbrille und damit entsprechend kritisch sieht, schätzt Zorc die fachliche Kompetenz des Schweizers. Dass Favre aller Kritik zum Trotz immer noch im Amt ist, sagt vielleicht auch etwas darüber, wer beim BVB in sportlichen Dingen das letzte Wort hat.
Was erwarten die Fans?
Die Fans brauchen keine Rekorde mehr (bester Punkteschnitt aller BVB-Trainer, beste Offensive der Vereinsgeschichte), sie würden sich zur Abwechslung auch mal wieder mit einem Titel zufrieden geben. Die grundsätzliche Haltung des gemeinen Fans unterscheidet sich in dieser Frage nicht wesentlich von der des Geschäftsführers Watzke, der ja selbst immer noch Fan ist.
Beim BVB vereinen sich Klopp- und Kohlenpottmalocher-Romantik zu einem Ideal, dem Favre mit seiner komplett undemagogischen Art kaum gerecht werden kann.
Was ist in dieser Saison möglich?
„Wir wollen in jedem Wettbewerb ein Stück besser sein als in der Vorsaison“, hat Mats Hummels in diesem Sommer staatsmännisch verkündet. Das dürfte im DFB-Pokal und Champions League (jeweils Achtelfinale) deutlich leichter werden als in der Meisterschaft. Da müssten die Dortmunder zwar nur noch eine Mannschaft überholen; diese Mannschaft aber ist der FC Super-Bayern München.
Die Aussicht auf schönen Fußball scheint daher auch in der neuen Saison erst einmal größer zu sein als die Aussicht auf die neunte Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Selbst beim BVB als erstem Verfolger der Münchner ist es nicht damit getan, es einfach mehr zu wollen. Dazu ist der finanzielle Vorsprung der Bayern einfach zu groß.
Und sonst?
Freuen sich die BVB-Fans schon auf das Auswärtsspiel bei Hertha BSC. Am achten Spieltag darf Lucien Favre zum ersten Mal Youssoufa Moukoko einsetzen, der am 20. November seinen 16. Geburtstag feiert. Damit ist er dann auch offiziell alt genug für den Erwachsenenfußball. Moukoko gilt schon lange als Wunderkind und hat in der Jugend vermutlich sämtliche Rekorde seit Beginn der Wetteraufzeichnung gebrochen. Im Vergleich zu ihm ist selbst Jude Bellingham schon ein alter Sack.
Bisher erschienen:
Teil 1: VfB Stuttgart – sympathisch und unerfahren wie nie
Teil 2: Arminia Bielefeld ist immer für eine Überraschung gut
Teil 3: Werder Bremen will endlich wieder Spaß
Teil 4: Der FC Augsburg sucht eine neue Hierarchie
Teil 5: Glück allein wird dem 1. FC Köln nicht reichen
Teil 6: Mainz 05 will aus der Jugend eine Tugend machen
Teil 7: Auf Schalke glänzt nur noch die Knappenschmiede
Teil 8: Der 1. FC Union ist auf allen Ebenen aktiv
Teil 9: Hertha BSC und ein Sack voller Zweifel
Teil 10: Bei Eintracht Frankfurt tragen sogar die Stars Preisschilder
Teil 11: Der SC Freiburg und die Grenzen der eigenen Möglichkeiten
Teil 12: Der VfL Wolfsburg muss plötzlich auf jeden Euro achten
Teil 13: Die TSG Hoffenheim setzt alles auf Attacke - wie immer
Teil 14: Bei Bayer Leverkusen steht der nächste Havertz schon bereit
Teil 15: Marco Rose tut Borussia Mönchengladbach gut
Teil 16: Für RB Leipzig wird es anspruchsvoll