Bundesliga-Saisonvorschau (2): „Arminia Bielefeld ist immer für eine Überraschung gut“
Bei Zweitligameister Arminia Bielefeld hängt der Himmel voller Geigen. Auf den Überraschungsaufstieg soll nun der Überraschungsklassenerhalt folgen.
Am 18. September startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil zwei: Arminia Bielefeld.
Was hat sich verbessert?
Gegenfrage: Was kann sich überhaupt verbessern nach einer Saison, in der über Ostwestfalen der Himmel voller Geigen hing? Die Rückkehr in die Bundesliga ist für Arminia Bielefeld und seine Anhänger eine Geschichte, die so märchenhaft daherkommt, dass sie kaum zu toppen ist. Mit dem achten Aufstieg hat der Verein als Rekordhalter mit dem 1. FC Nürnberg gleichgezogen.
Bleibt die Arminia oben, wird das Märchen um ein weiteres Kapitel erweitert, geht es zurück in Liga zwei, geht die Welt am Teutoburger Wald nicht unter. Dann zieht Bielefeld mit dem achten Abstieg auch in dieser Kategorie mit den Franken gleich und versucht, die ewige Reise im Fahrstuhl mit dem neunten Sprung nach oben fortzusetzen.
Wer sind die Neuen?
Sind Sie Fußball-Maniac? Dann sind Ihnen die Namen Christian Gebauer (SCR Altach, Österreich), Jacob Barrett Laursen (Odense BK, Dänemark), Nathan de Medina (Royal Mouscron, Belgien) und Noel Niemann (1860 München) bestimmt ein Begriff. Sie alle kommen ablösefrei, dazu Stürmer Sergio Córdova, der aus Augsburg ausgeliehen wurde. In Bielefeld wachsen die Bäume auch in der Bundesliga nicht in den Himmel.
Wer hat das Sagen?
Das Dreigestirn Markus Rejek (Geschäftsführer Finanzen), Samir Arabi (Geschäftsführer Sport) und Uwe Neuhaus (Trainer). Wenn Hans-Joachim Watzke, Chef des börsenorientierten Fußballunternehmens Borussia Dortmund, früher betonte, zwischen Jürgen Klopp, Michael Zorc und ihn passe kein Blatt Papier, gilt das für die handelnden Personen in Bielefeld in besonderem Maße. Rejek führte während seiner Tätigkeit beim BVB den Claim "Echte Liebe" ein; Arabi und Neuhaus haben in Bielefeld flache Hierarchien installiert, die auf absolutem Teamwork fußen. Bescheiden, seriös und nachhaltig – das ist der Weg.
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Eine gesunde Distanz zu den Auswüchsen des modernen Fußballs ist da mit inbegriffen. So sagte Rjek jüngst im Interview mit dem "Westfalen-Blatt": "Wir müssen erst recht in der Pandemie aufpassen, dass die Bindung zum Fan nicht verloren geht. Die Überkommerzialisierung findet ihren Höhepunkt in der EM im nächsten Sommer und der Winter-WM im Dezember 2022 in Katar."
Was erwarten die Fans?
Der Ostwestfale an sich ist bescheiden. Die Anhänger der Arminia wären mehr als zufrieden, wenn die Mannschaft die paar Siege einfährt, die nötig sind, um den Aufenthalt in Liga eins zu verlängern. Der Blogger Andreas Beune teilte dem Magazin "11 Freunde" mit, "ob mich nicht doch noch ein Neurowissenschaftler zwickt und mir mitteilt, dass ich das alles nur geträumt habe". Keine Angst, lieber Herr Beune!
Was ist in dieser Saison möglich?
Spätestens nach dem Studium der Transfers wird deutlich, dass es für die Arminia nur um den Klassenerhalt gehen kann. Allerdings gibt es einen Kader, der in der Zweiten Liga überragend agierte, wie die Ranglisten des "Kicker" verdeutlichen: Dort werden mit Torhüter Stefan Ortega, Innenverteidiger Joakim Nilsson, Manuel Prietl und Marcel Hartel (defensives und offensives Mittelfeld) sowie Fabian Klos (Sturm) gleich fünf Arminen auf ihren Positionen als Klassenbeste geführt.
Die Bielefelder kultivieren trotzdem ihren Rang als Underdog, weil sie genau wissen, dass es sich im Windschatten der finanziell überlegenen Konkurrenz gut segeln lässt. Geschäftsführer Rejek sagt zum Beispiel: "Alles andere als Platz 18 wäre eine Überraschung. Aber Arminia Bielefeld ist immer für eine Überraschung gut."
Und sonst?
Fabian Klos kann seinen Titel als Zweitliga-Torschützenkönig nicht verteidigen. Die Trauer darüber dürfte sich in Grenzen halten, denn auf seine alten Tage erfüllt sich für den Stürmer der innig gehegte Traum, in den Strafräumen der Bundesliga für Angst und Schrecken zu sorgen. Das neue Ziel liegt also auf der Hand: Robert Lewandowski ablösen.
Nicht nur beim Kampf um die Kanone, sondern auch als "Fußballer des Jahres". Ein Anfang ist gemacht – im aktuellen Ranking wird Klos 17 Plätze hinter dem polnischen Phänomen notiert. Und zwar mit dem gleichen Stimmenanteil wie die Bayern-Triple-Helden Jerome Boateng und Serge Gnabry. Für die Bielefelder Legende Klos ist das eine brauchbare Basis, um zum Gipfelsturm anzusetzen.