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"Danke Fans": Thomas Müller, Lukas Podolski, Benedikt Höwedes, Antonio Rüdiger und Julian Draxler (v.r.) beim Training vor dem Länderspiel gegen Argentinien in Düsseldorf.
© Imago

Länderspiel Deutschland gegen Argentinien: Die Party der Weltmeister

Kein Ergebnis heute kann der deutschen Nationalelf gegen Argentinien die selige Erinnerung nehmen. Das Länderspiel in Düsseldorf soll noch einmal eine große Feier des Weltmeisters werden - wie zu besten WM-Zeiten.

Vorn auf dem Tisch steht eine Espresso-Tasse, der Deutsche Fußball-Bund hat sie unentgeltlich bereitgestellt, was so nicht typisch ist für das neue Leben des Joachim Löw. Kraft seiner in Brasilien gewonnenen Popularität könnte der Bundestrainer in diesen Tagen ein Direktmandat für die CDU in Kreuzberg holen, „aber die Restaurantrechnungen muss ich noch selbst bezahlen und den Espresso auch“. Löw wagt ein Lächeln, aber nur ein kurzes. Spaßveranstaltungen sind seine Sache nicht, auch nicht nach einer gewonnenen Weltmeisterschaft, denn „Stillstand können wir uns nicht leisten“.

Genauso geht er diesen Termin in Düsseldorf an, den ersten der Nationalmannschaft nach der Sause von Rio de Janeiro. Ausgerechnet gegen die Argentinier, sie haben nicht ganz so schöne Erinnerungen an das Rencontre von Maracana. Es ist ein Wiedersehen im kleinen Rahmen, ein Klassentreffen ohne die Klassensprecher und viele der beliebten großen Jungs von damals. Auf deutscher Seite fehlen der ewige WM-Torschützenkönig Miroslav Klose, er ist ebenso in Ehren emeritiert wie der jugendliche Kapitän Philipp Lahm und der Abwehrhüne Per Mertesacker, dessen Verdienste um die Eistonne lange nachleben werden. Auch der neue Kapitän Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Mats Hummels, Mesut Özil und Jerome Boateng werden dem Düsseldorfer Rasen fernbleiben, aber bei ihnen ist es kein Abschied für immer. Die Beine brauchen halt eine Pause.

Die Deutschen sehnen sich nach Bewunderung

Die Argentinier haben Lionel Messi daheim in Barcelona gelassen. Den Mann, dessen Mitwirken im WM-Finale weitgehend im Verborgenen geblieben war und der dann doch als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde. Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona zetert bis heute über den Unsinn dieser Ehrung. Messi schien sie schon in Rio ein bisschen peinlich zu sein, da kommt ihm die Absage ganz gelegen. Offizieller Grund für seine Absenz sind Adduktorenprobleme, aber die haben ihn am Sonntag nicht daran gehindert, 90 Minuten für seinen FC Barcelona auf dem Platz zu stehen und das 1:0-Siegtor gegen den FC Villarreal vorzubereiten.

Messi wird sich im Fernsehen anschauen, wie seine Kollegen das bewältigen, was am Mittwoch unter dem reichlich euphemistischen Label „WM-Revanche“ aufgeführt wird. „Kein Sieg kann den Argentiniern den WM-Titel zurückbringen“, sagt Joachim Löw. Und keine noch so blamable Niederlage heute in Düsseldorf wird den Deutschen den Spaß und die selige Erinnerung nehmen. Rio 2014 war die sportliche Vollendung von dem, was beim Sommermärchen 2006 begonnen hatte. Die Deutschen wollen nicht mehr nur gefürchtet und respektiert werden, sie sehnen sich nach Zuneigung und Bewunderung. Genau das hat ihnen diese Nationalmannschaft beschert. Dafür ist sie einen Sommer lang gefeiert worden, und so geht es jetzt weiter.

Zum Beginn der Schön-dass-ihr-wieder-da-seid-Party hatte der DFB zum öffentlichen Training geladen und das 55 000 Zuschauer fassende Stadion in Düsseldorf fast komplett gefüllt. Das ist an einem sonnigen Nachmittag ein ehrgeiziges Projekt, auch wenn die Nationalspieler bei freiem Eintritt vorspielten. Nichts ist so schwer zu vermarkten wie etwas, das nichts kostet, kurz nach der letzten Schulstunde, gegen die Konkurrenz von Facebook, bester Freundin und Eiscafé.

Erinnerung ans große Finale

Es sind bevorzugt Väter und Mütter gekommen, mit zwei, drei oder noch mehr Kindern, fast alle tragen sie weiße Trikots mit schwarz-rot-goldenen Streifen. „Danke Fans, es ist dein 4. Stern“, leuchtet es von den Werbebanden im Düsseldorfer Stadion, etwas ungelenk formuliert, aber doch stets im Sinn der Sache. Länderspiele sind ja nicht nur sportliche Auseinandersetzungen, sondern auch gigantische Marketing-Veranstaltungen. 35 000 Mannschaftsposter hat der DFB kostenlos an seine kindlichen und jugendlichen Fans verteilt und damit Appetit gemacht auf Trikots und Fahnen und Becher mit vier Weltmeistersternen.

Über den riesigen Videoschirmen der Arena flimmern Schnipsel aus dem gerade zu Ende gehenden Sommer, der in Brasilien ein Winter war und doch ein Märchen. Zu sehen sind: Mario Götzes finales Siegtor. Der Jubel von Maracana. Die Rückkehr nach Berlin vors Brandenburger Tor, allerdings ohne den berüchtigten Gauchotanz, obwohl sie den schon ganz gern noch mal sehen würden im Publikum. Die Welt hat damals gestaunt über die verwegenen Deutschen, die da auf einmal ihre anarchistische Ader entdeckt hatten und so wild und skurril und ausgelassen feierten, wie es der Easyjetset schon aus Friedrichshain, Mitte oder Kreuzberg kennt. Das vertrug sich schlecht mit dem von Lenin tradierten Bild einer Nation, deren Revolutionäre vor der Besetzung eines Bahnhofs erst mal Bahnsteigkarten lösen würden.

Ein wenig hat sich die Welt aber auch amüsiert. Über die verkrampfte Debatte via Twitter und Facebook undsoweiter über ein jenseits von Teutonien als harmlos empfundenes Späßchen mit aufrecht gehenden Siegern und gebückten Verlierern, vorgeführt von sechs seligen und schwer angeheiterten jungen Männern. Da registrierte die Welt beruhigt, dass ihr die Deutschen doch nicht so fremd geworden waren.

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