Hertha BSC im Abstiegskampf: Die Gefahr ist noch nicht vorüber
Mit einem Sieg gegen Arminia Bielefeld hätte Hertha BSC den entscheidenden Schritt Richtung Klassenerhalt machen können. So aber ist weiter Vorsicht gefragt.
Pal Dardai ist selbst lange Spieler gewesen, er weiß, wie Fußballer ticken. Und trotzdem: Manchmal versteht selbst er, der Spielerversteher, sie nicht. So wie am Sonntagabend, wenige Augenblicke, nachdem das Spiel seiner Mannschaft gegen Arminia Bielefeld abgepfiffen worden war. Dardai, der Trainer von Hertha BSC, versammelte sein Team wie zuletzt immer noch auf dem Rasen zur Nachbesprechung. Doch was er nach dem 0:0 gegen die Bielefelder in den Augen seiner Spieler sah, das gefiel ihm nicht.
Dardai sah Unzufriedenheit und Niedergeschlagenheit, Ärger über die verpasste Chance, im Abstiegskampf den vielleicht schon entscheidenden Befreiungsschlag zu landen. „Leute“, sagte er. „Kopf hoch! Ein Punkt ist okay. Ich möchte, dass ihr zufrieden seid.“
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Ein Punkt gegen Bielefeld, den Aufsteiger und – für viele – auch natürlichen Absteiger, das war weniger, als sich Herthas Spieler erhofft hatten. Zumal nach dem starken Auftritt und dem überzeugenden Sieg drei Tage zuvor gegen den SC Freiburg. Aber es war mehr als nichts und in der aktuellen Situation erst recht kein Drama.
Dardai erinnerte im Nachgang des Spiels noch einmal an die Erwartungen, mit denen sich Hertha zu Beginn der Woche konfrontiert gesehen hatte. Die Mannschaft lag auf dem vorletzten Tabellenplatz, hatte zwei Wochen nur im eigenen Wohnzimmer trainieren können und nun ein straffes Programm vor sich. „Viele haben gesagt: ,Das war’s für Hertha.’“
Sechs Tage und drei Spiele später aber ist die Ausgangsposition für die Berliner fast schon komfortabel. Bei immer noch einem Spiel weniger – an diesem Mittwoch gegen den abgeschlagenen Absteiger Schalke 04 – liegen sie auf Platz 14. Fünf Punkte hat Hertha aus den drei Begegnungen seit dem Re-Start geholt, zudem ist die Mannschaft seit nunmehr sechs Spielen ungeschlagen. Eine solche Konstanz ist gerade für einen Abstiegskandidaten, der ja auch deshalb Abstiegskandidat ist, weil es ihm an Konstanz gefehlt hat, keineswegs selbstverständlich.
Das 0:0 gegen Bielefeld ist kein Drama
Der Auftritt gegen Bielefeld war nicht besonders prickelnd, weil gerade nach vorne bei Hertha wenig ging und die Mannschaft sich in der zweiten Halbzeit keine einzige zwingende Torchance erspielte. Aber das 0:0 war eben auch kein Drama. Und letztlich zu erklären.
Obwohl Dardai seit dem Re-Start versucht, die Belastung mit exzessiver Rotation gleichmäßig auf den gesamten Kader zu verteidigen, hatten die meisten Spieler, die am Sonntag in der Startelf standen, eben zwei Spiele in nur sechs Tagen zu absolvieren. Und das nach 14 Tage in Quarantäne, in denen ein fußballspezifisches Training nicht möglich war. „Wir hatten nicht die Energie, die wir sonst haben und die uns im Spiel nach vorne auszeichnet“, sagte Torhüter Alexander Schwolow.
Auch Trainer Dardai erlebte sein Team „nicht so frisch, nicht so fit“. Und dieser Eindruck ließ sich auch mit Zahlen belegen. Herthas Spieler liefen fünf Kilometer weniger als die Bielefelder. „Die letzte Zielstrebigkeit war nicht da, die Konsequenz, Tore zu machen“, sagte Dardai. „Das ist Tagesform.“
Die Personalsituation verschärft sich
Hertha wusste, dass die letzten Wochen der Saison hart werden würden. Und, ja, sie sind hart. Das macht sich inzwischen auch personell bemerkbar. Mattéo Guendouzi (Mittelfußbruch) steht in dieser Saison nicht mehr zur Verfügung. Gegen Bielefeld mussten zudem Maximilian Mittelstädt (Gehirnerschütterung) und Matheus Cunha (Bänderverletzung am Sprunggelenk) ausgewechselt werden. Sie fallen gegen Schalke definitiv aus, Cunha auch am Wochenende gegen den 1. FC Köln. Und ob Sami Khedira (Wadenprobleme) am Mittwoch schon wieder spielen kann, ist zumindest fraglich.
So bleibt die Situation für Hertha BSC weiterhin prekär. Die Mannschaft ist gut aus den Startblöcken gekommen, so wie es Dardai erwartet hatte. Doch Herthas Trainer hat auch davor gewarnt, dass die größeren Gefahren auf der weiteren Strecke lauern. Der SV Sandhausen ist in dieser Hinsicht ein durchaus abschreckendes Beispiel.
Die Sandhäuser sind in der Zweiten Liga in einer ähnlichen Situation wie Hertha in der Ersten, stecken im Abstiegskampf und mussten ebenfalls mit dem gesamten Team in Quarantäne. Zur allgemeinen Überraschung kehrten sie nach 18 Tagen Pause mit zwei Siegen – unter anderem gegen den Aufstiegskandidaten Hamburger SV – in den Spielbetrieb zurück. Die folgenden drei Begegnungen aber hat Sandhausen allesamt verloren. Zu vorzeitiger Gelassenheit besteht bei Hertha also kein Grund. Pal Dardai sagt: „Wir bleiben fleißig, ehrlich, konsequent.“