American Football: Deutsche NFL-Spieler im Aus
Nach Björn Werner steht auch Sebastian Vollmer vor dem Karriereende. Die NFL ist und bleibt ein hartes Geschäft.
Das Auswahlverfahren des Bill Belichick zählt zu den schärfsten in der National Football League (NFL), wenn nicht sogar im US-Sport generell. Der Trainer der New England Patriots ist besessen von Erfolgen und dem stetigen Drang nach Perfektion. Fünf Super-Bowl-Ringe geben dem 64-Jährigen unter sportlichen Aspekten Recht, kein NFL-Coach hat je mehr gewonnen. Zum Preis dieser Erfolge gehört allerdings auch rigoroses Vorgehen bei personellen Entscheidungen. Faktoren wie persönliche Gefühle, Dienstalter oder Taten früherer Tage müssen oft außen vor bleiben. Man kennt das von den großen Trainern: Erfolg steht über allem, Erfolg geht über alles. Wer, warum auch immer, nicht mehr ins Team passt, der muss eben gehen. Zur Not von heute auf morgen.
Diese Erfahrung hat kürzlich auch Sebastian Vollmer gemacht. Acht Jahre war der Profi aus dem niederrheinischen Kaarst für die New England Patriots aktiv, mit dem Klub aus Boston gewann der 32-Jährige zwei Meisterschaften. In ganz großen Zeiten zählte der Offensive Tackle zu den besten NFL-Spielern auf seiner Position als persönlicher Leibwächter des Quarterbacks, nur zwei im Patriots-Kader verdienten mehr: Spielmacher Tom Brady und Tight End Rob Gronkowski, die Stars des Teams – ein Ausdruck von Wertschätzung und Wichtigkeit. All das hat Vollmer, Spitzname: Sea bass (Seebarsch), jedoch nicht davor bewahrt, von seinem Arbeitgeber entlassen zu werden. Vergangene Woche machten die Patriots die Trennung von ihrem deutschen Profi öffentlich, der zuletzt immer häufiger mit Verletzungen zu tun hatte, vorrangig im Hüft- und Schulterbereich. Sein Karriereende ist jetzt sehr wahrscheinlich.
Björn Werner will in Zukunft als Scout und Spielerberater arbeiten
Das passt in die Nachrichtenlage der letzten Wochen: American Football wird in Deutschland zwar immer populärer, den Super Bowl Anfang Februar verfolgten erneut bis zu 1,5 Millionen Zuschauer. So langsam gehen den deutschen Fans allerdings die Landsleute aus, denen sie die Daumen drücken können. Vor dem Fall Vollmer hatte bereits Björn Werner überraschend sein Karriereende bekannt gegeben: Mit 26 Jahren ist Schluss für den gebürtigen Berliner, vier Profi-Jahre und zahlreiche Verletzungen haben seinen Körper dahingerafft. Und auch Markus Kuhn, bis heute einziger Deutscher mit einem NFL-Touchdown, wird in Zukunft nur noch in neuer Funktion als TV-Experte zu sehen sein: Der 30-Jährige aus Mannheim absolvierte zwar die Vorbereitung auf die Saison 2016/17 bei den Patriots, für einen Platz im 55er-Kader reichte es aber selbst für den erfahrenen Verteidiger nicht. Bill Belichick hatte mal wieder gnadenlos ausgesiebt.
Die NFL ist und bleibt ein hartes Geschäft. In keiner anderen populären Liga der Welt ist die Halbwertszeit der Protagonisten so kurz wie im Football. „Es gibt viel zu viele Spieler für viel zu wenig Plätze“, sagt Werner. Jahrein, jahraus drängen hunderte Talente aus den Colleges in die Liga. Werner kennt das nur zu gut: Vor ein paar Jahren galt er selbst als einer dieser Hochbegabten. Werner war der erste Europäer überhaupt, der in der ersten Runde der jährlichen Talentwahl (Draft) gewählt wurde. Das schürte hohe Erwartungen, die Werner jedoch nur selten erfüllen konnte. Chuck Pagano, sein Coach bei den Indianapolis Colts, schaute sich das eine Zeit lang an, dann strich er ihn aus dem Kader. Geduld zählt nämlich nicht zu den Stärken der meisten NFL-Coaches.
Wenn dann – wie bei Werner und Vollmer – auch noch körperliche Gebrechen dazukommen, ist es nahezu unmöglich, seinen Kaderplatz zu verteidigen. „Jeder, der Football spielt, weiß, dass er sich irgendwann verletzen wird“, sagt Werner, „mit meiner medizinischen Vorgeschichte war ich raus.“ Seine Krankenakte war nämlich fast so lang wie die Kaderliste der NFL-Teams. In solchen Fällen beginnen schnell die öffentlichen Spekulationen, diese Erfahrung hat auch Werner gemacht. „Die Medien in Amerika sind brutal. Wer sich das zu Herzen nimmt, zerbricht daran“, sagt der 26-Jährige. „Für mich war immer nur wichtig, was mir die Coaches mitgeteilt haben.“
Auch Kasim Edebali und Moritz Böhringer würden gut daran, es in Zukunft ähnlich zu halten. Stand heute sind die beiden die einzigen Deutschen mit der Chance auf einen festen Kaderplatz in der neuen NFL-Saison. Allerdings mit einer eher überschaubaren: Edebali, 27 Jahre und geboren in Hamburg, muss sich derzeit einen neuen Arbeitgeber suchern. Die New Orleans Saints verzichteten auf ihr Recht zur Verlängerung seines Vertrages, berichteten Medien aus New Orleans am Sonntag übereinstimmend. Und Moritz Böhringer, ein hochtalentierter Wide Receiver aus Stuttgart, schaffte es nur in den sogenannten Practice Squad der Minnesota Vikings, im Fußball würde man sagen: in die Trainingsgruppe zwei.
Björn Werner, der in Zukunft als Scout und Spielerberater arbeiten will, ermutigt die beiden jedenfalls, am Ball zu bleiben und begründet das auch mit seiner persönlichen Geschichte. „Ich würde alles wieder so machen, weil ich tun durfte, was mir immer am meisten Spaß gemacht hat“, sagt Werner, „ich habe meinen Traum gelebt.“
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