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Auf Wiedersehen. Schon am Montag will sich Marco Sturm auf den Weg in die USA machen.
©  Peter Schatz/Imago

Deutschland Cup: Der traurige Abschied von Marco Sturm

Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm verabschiedet sich mit einer Niederlage. Dem Verband droht auf dem Präsidentenposten ein weiterer Abgang.

In Köln und Düsseldorf war am Sonntagmittag pünktlich mit Karnevalsbeginn bierselige Stimmung. Wer in der Region dem Trubel entgehen wollte, der war am Niederrhein in Krefeld gut aufgehoben. Dort wird der Karneval eher untertourig gefeiert. Die größte Veranstaltung in der Stadt hatte auch einen unlustigen Rahmen: Marco Sturm nahm beim Deutschland Cup seinen Abschied als Eishockey- Bundestrainer. Bereits am Montag fliegt Sturm nach Los Angeles, um dort seinen neuen Job als Co-Trainer der Los Angeles Kings in der National Hockey-League (NHL) anzutreten. Gegen die Slowakei gab es beim letzten Spiel unter Sturm eine 0:2 (0:0, 0:0, 0:2)-Niederlage. Gewinnen konnten die Deutschen das Turnier ohnehin nicht mehr, das schaffte am Sonntag Russland durch ein 4:2 gegen die Schweiz.

Der Abschied von seinem erfolgreichen Bundestrainer kam für den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) vor einer Woche recht überraschend. Überraschend simpel fiel am Sonntag auch die vom Verband angekündigte „Abschlusszeremonie“ für Sturm in der Arena von Krefeld aus. Wenige Minuten vor dem letzten Spiel gegen die Slowakei wurde zwischen den zwei parkenden Autos vom Hauptsponsor auf der Eisfläche der kleine rote Teppich ausgerollt. Auf dem Videowürfel erschienen ein paar Grußbotschaften von Nationalspielern, Torwart Danny aus den Birken (München) bedankte sich etwa für „eine geile Zeit mit Marco Sturm“. Und zum Höhepunkt bekam der scheidende Trainer von DEB- Präsident Franz Reindl eine Fotocollage überreicht, die vom Format und der Druckqualität her an einen Werbeaufsteller in einem  Baumarkt erinnerte. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen!

Das größte Jahr der Eishockey-Nationalmannschaft endete für sie also melancholisch traurig; trotz im letzten Drittel doch noch eingespielter Karnevalsmusik in der Krefelder Halle. Von Euphorie für das Nationalteam war bei den 4295 Zuschauern in der halbleeren Arena wenig zu spüren. Die Deutschen mühten sich zwar, verloren aber unglücklich gegen die Slowaken. Der Abschied von Sturm war also ein kleines Trauerspiel.

Dem DEB ist sicher gutzuschreiben, dass er sich nun in einem lähmenden Schockzustand befindet und quasi nur an die nun nötige Trainersuche denkt. Auch am Sonntag schwirrten mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Sturm durch die Krefelder Halle. Vorgänger Uwe Krupp, inzwischen bei Sparta Prag unter Vertrag, wurde als Interimslösung ins Spiel gebracht. Die perfekte Lösung wäre das sicher nicht, aber was heißt das schon: Vor drei Jahren erschien Marco Sturm auch eher als Notlösung. Franz Reindl sagte am Sonntag: „Wir führen die Gespräche und brauchen absolute Ruhe. Das ist alles im Fluss und wir sind auf einem guten Weg. Aber Wasserstandsmeldungen gibt es von mir nicht.“

Als Franz Reindl im Juli 2015 bei Marco Sturm nachfragte, ob der das Amt des Bundestrainers bekleiden wolle, schien das als eine windige Idee. Sturm hatte seine Spielerkarriere gerade erst beendet und keinerlei Erfahrungen als Trainer. Auf der anderen Seite hatte der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) nichts mehr zu verlieren. Ein chaotisches Jahr mit dem Schweizer Jakob Kölliker und drei deprimierende Jahre mit dem Kanadier Pat Cortina hatten den Geist der erfolgreichen Zeit unter Uwe Krupp, der die Nationalmannschaft im Jahr 2010 bis ins WM-Halbfinale geführt hatte, weggeblasen. Insofern war die Idee von DEB-Präsident Reindl ein Geniestreich.

In nur drei Jahren Amtszeit wurde Sturm vor allen wegen der Fast-Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen zum erfolgreichsten Eishockey-Bundestrainer aller Zeiten. Aber es war nicht nur dieser eine Erfolg von Pyeongchang, der dem deutschen Eishockey viel Glanz brachte. Sturm initiierte eine kleine Revolution, unter ihm spielte die Mannschaft anders als unter den Vorgängern. Mit mehr Selbstbewusstsein und Willen und als nach außen hin kohärent erscheinendes Team. Wenn Marco rief, dann kamen sie alle. Den kannten sie noch als ihren besten Stürmer, den mochten und vor allem respektierten sie. Bei Pat Cortina war für einen Nationalspieler schon mal der Ausbau des heimatlichen Balkons im Sommer wichtiger als die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft.

Sturm erarbeitete sich eine Aura. Aus dem weitgereisten netten Burschen aus Dingolfing wurde ein Mann mit Profil, der den olympischen Erfolg auch verkaufen konnte. Er tingelte durchs Medienland, aber er nutzte die Bühne auch, um anzumahnen, dass in der Zukunft mehr getan werden müsse im deutschen Eishockey. Der Boom im Zuge des olympischen Erfolges war schließlich überschaubar, es gibt ein paar Nachwuchsspieler mehr, aber an den Strukturen ganz oben ändert sich wenig. In der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) kam der Erfolg überhaupt nicht an, ein Team wie Bremerhaven spielt inzwischen ohne einen einzigen Spieler, der in Deutschland ausgebildet wurde. Sturm sagte nun in Krefeld, der DEB müsse „mit Nachdruck“ Gespräche mit der Liga führen, da würden zu viele „mittelmäßige“ Ausländer deutschen Spielern den Weg verbauen.

Der DEB ist sich dieser Probleme zwar bewusst, schien aber zuletzt vor allem auszuloten, ob es denn einen Preis bei der Wahl zum Sportler des Jahres geben könnte. Dabei ist es gar nicht ausgeschlossen, dass sich das Team nach einer verkorksten WM im kommenden Mai nächsten Jahres in der Slowakei wieder in die Tiefen der öffentlichen Wahrnehmung verabschiedet. Zumal Reindl womöglich danach nicht mehr Präsident des Verbandes sein wird – er ist im Rennen um die Nachfolge für den Präsidenten des Weltverbandes IIHF, René Fasel. „Spätestens bis zur WM in der Slowakei weiß ich Bescheid“, sagte Reindl am Sonntag. Klingt also so, als sollte nach dem erfolgreichsten Trainer des DEB bald auch der erfolgreichste Präsident des Verbandes gehen.

Marco Sturm hingegen wird bestimmt nicht für immer Co-Trainer bei den Los Angeles Kings bleiben, in Nordamerika halten sie viel von dem einstigen NHL- Stürmerstar, der mit dem olympischen Erfolg jetzt mit 40 Jahren schon mehr erreicht hat, als mancher Kollege in der gesamten Karriere. Zur Suche seines Nachfolgers sagte Sturm am Sonntag: „Der DEB braucht wieder einen Trainer mit Gesicht, einen Mann, an dem sich die Spieler orientieren können.“

Das größte Jahr der Eishockey-Nationalmannschaft endete für sie also melancholisch traurig; trotz im letzten Drittel doch noch eingespielter Karnevalsmusik in der Krefelder Halle. Von Euphorie für das Nationalteam war bei den 4295 Zuschauern in der halbleeren Arena wenig zu spüren. Die Deutschen mühten sich zwar, verloren aber unglücklich gegen die Slowaken. Der Abschied von Sturm war also ein kleines Trauerspiel.

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