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Ein Deutscher in Nordamerika. Stürmerstar Leon Draisaitl trifft im Rahmen der „Global Fan Tour“ der NHL am Mittwoch mit seinen Edmonton Oilers in Köln auf seinen Vater Peter Draisaitl, der die Haie trainiert.
© Perry Nelson/Reuters

Interview mit Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm zum NHL-Start: "Deutsche Spieler sind gefragter denn je"

Bundestrainer Marco Sturm über den Aufschwung des Eishockeys, den Saisonstart in der NHL und warum es okay ist, dass deutsche Teenager nach Nordamerika wechseln.

Marco Sturm, die National Hockey League veranstaltet in den kommenden Tagen viel Rummel in Deutschland. Der Stanley Cup reist durch das Land, in Köln spielen die Haie gegen die Edmonton Oilers. Wie sehen Sie den Expansionsdrang der NHL?

Sehr positiv. Das ist einfach eine tolle Sache. Ich habe selber als Spieler mit den Boston Bruins mal in Europa gespielt. Das war eine gute Erfahrung für uns alle, die Reisestrapazen haben wir gerne in Kauf genommen. Es hat der Liga in ihrer Außendarstellung ja weitergeholfen und damit uns Profis auch.

Für die Fans ist es sicher spannend, Vater Peter Draisaitl mit den Haien gegen Sohn Leon mit den Oilers zu sehen.

Es könnte nicht besser sein, das ist eine wirklich schöne Geschichte, dieses Duell Vater gegen Sohn. Das macht die NHL schon ganz geschickt, sie suchen eben nach solchen Konstellationen wie der von Köln, sie nehmen die Leute mit. Das ist alles eine Spur professioneller als bei uns.

Sie sind bis heute der deutsche Spieler mit den meisten Einsätzen in der NHL. Aber Sie haben Ihre Karriere in der Deutschen Eishockey-Liga begonnen, das gibt es jetzt immer seltener. Die jungen deutschen Spieler wechseln inzwischen schon mit 15, 16 Jahren nach Nordamerika. Leon Draisaitl und Tobias Rieder von den Oilers haben nie in der DEL gespielt. Finden Sie das nicht problematisch?

Das ist verständlich. Ich finde es okay, wenn ein junger Spieler die Möglichkeit hat, sollte er sie nutzen. Warum? Weil die Qualität in einer Juniorenliga dort einfach besser ist als bei uns. Ich habe damals einen anderen Weg gesucht und gefunden, wobei der am Ende vielleicht doch der bessere Weg war.

Sie standen schon mit 16 Jahren für den EV Landshut auf dem Eis…

Richtig. Und es war gut für meine Entwicklung, ich hatte schon ein paar Jahre gegen Männer gespielt, als ich dann nach Nordamerika ging. Es ist in vielen Fällen wertvoll, sich erst einmal in Europa zu versuchen. Nehmen wir Dominik Bokk, der war in Schweden in der ersten Liga und wird sicher seinen Weg bei den St. Louis Blues in der NHL machen. Jede Situation ist anders, ich würde nicht sagen können, welcher Weg nun der bessere ist.

Marco Sturm
Marco Sturm
©  Gregor Fischer/dpa

In dieser Saison versuchen sich etliche Spieler als Neulinge in der NHL, aber nicht bei allen sieht es so gut aus wie etwa bei Dominik Kahun in Chicago. Yasin Ehliz und Maximilian Kammerer zum Beispiel müssen ins Farmteam, Marcel Noebels ist schon wieder zurück aus Boston und spielt weiter in Berlin.

Das ist schade im Fall von Marcel. Aber trotzdem lässt sich feststellen, dass deutsche Spieler in der NHL gefragter denn je sind. Generell sehe ich das als positiv an. Mit dem Erfolg der Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen ist das Ansehen deutscher Spieler sprunghaft gestiegen. Sie glauben gar nicht, wie viele Anrufe ich seitdem aus Nordamerika bekommen habe.

Fast die Hälfte der Nationalspieler spielt inzwischen in Nordamerika und nicht mehr in der DEL. Wie sehr verändert das den Arbeitsalltag des Bundestrainers? Jetten Sie nun zwischen den Kontinenten hin und her?

Leider habe ich die NHL-Jungs nicht im November beim Deutschland Cup dabei, aber da können sich dann andere profilieren. Ich werde versuchen, die Spieler in Nordamerika ein oder zwei Mal zu besuchen während der Saison, natürlich vor der Weltmeisterschaft in der Slowakei im Mai. Das ist viel Aufwand für mich als Trainer, aber lieber so als andersrum. Wenn wir keine Spieler in der NHL hätten, wäre das ja weniger gut. Die deutschen Spieler sind eben interessanter geworden für die NHL. Die olympische Silbermedaille in Pyeongchang hat uns sehr geholfen.

Trotzdem kennt der deutsche Nachwuchsspieler seine Vorbilder dann wohl mehr von der Playstation als aus dem Stadion. Ist es nicht wichtig, dass deutsche Spieler nach ihrer Karriere in der NHL wenigstens noch ein paar Jahre in Deutschland dranhängen?

Das ist schön für die Liga und die Fans, wenn ein ehemaliger NHL-Spieler seine Karriere in der DEL ausklingen lässt. Aber man darf nicht vergessen: Wenn man für längere Zeit in der NHL spielt, dann ist das sehr, sehr hart. Nicht nur körperlich ist es anstrengend, sondern auch mental stehst du unter einem enormen Druck. Wenn da einer mal die Schnauze voll hat, dann ist das verständlich. Es ist kein Muss, dass man die Karriere in der DEL beendet. Ich finde es aber toll, wenn das jemand schafft.

Warum haben Sie es nicht geschafft?

Ich habe damals noch ein paar Spiele für die Kölner Haie gemacht und die wollten mich dann für länger verpflichten. Aber ich war einfach müde, ich war fertig. Ich habe auf meinen Körper gehört.

Wo sehen Sie denn die DEL? Colin Smith, Zugang aus Nordamerika bei den Eisbären Berlin, hat neulich gesagt, er wäre in die DEL gewechselt, weil die Liga sehr gut sein muss, wie der Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei Olympia gezeigt habe.

Das sagt nicht nur Colin Smith, das höre ich jetzt häufig. Das Ansehen unserer Liga ist sprunghaft gestiegen.

In dieser Woche beginnt die Saison in der NHL. Wen sehen Sie denn am Ende vorn?

Es wird auf jeden Fall interessant. Eben weil es den Salary Cap, die Grenze in den Teambudgets gibt, haben mehrere Mannschaften eine Chance, um den Stanley Cup mitzuspielen. Die San Jose Sharks haben sich gut verstärkt. Im Osten wird Pittsburgh wieder angreifen mit Sidney Crosby und Jewgeni Malkin. Schade übrigens, dass Tom Kühnhackl nicht mehr in Pittsburgh ist. Aber bei den New York Islanders wird er künftig mehr spielen und mehr Verantwortung übernehmen. Das ist gut für seine Entwicklung.

Das Gespräch führte Claus Vetter.

Marco Sturm, 40, ist deutscher Rekordspieler in der amerikanischen Profiliga NHL. Zwischen 1997 und 2012 hat er 1006 Spiele bestritten. Seit 2015 arbeitet er als Bundestrainer.

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