5000 Zuschauer im Olympiastadion: Der 1. FC Union und sein Finale ohne passenden Rahmen
Der 1. FC Union spielt im fast leeren Olympiastadion gegen Slavia Prag um das europäische Weiterkommen. Das würde sich auch finanziell auszahlen.
Ein Finale im Olympiastadion, das klingt nach großem Sport. In der monumentalen Schüssel wurden schon die wichtigsten Titel vor beeindruckenden Kulissen vergeben. 2006 reckte der Italiener Fabio Cannavaro den WM-Pokal in den Berliner Nachthimmel, 2009 lief Usain Bolt auf der blauen Tartanbahn seine Fabelweltrekorde, 2015 feierte Lionel Messi hier seinen vierten Champions-League-Triumph – und das DFB-Pokalfinale ist ohnehin im Olympiastadion zu Hause.
Wenn der 1. FC Union am Donnerstag (21 Uhr, RTL Nitro) Slavia Prag empfängt, wird die Stimmung eher trist sein. 5000 Fans dürfen aufgrund der seit Mittwoch geltenden Infektionsschutzverordnung in das auf 74.475 Zuschauer ausgelegte Stadion, der Oberring bleibt komplett geschlossen. Die fast 20.000 bereits verkauften Tickets mussten storniert werden, die glücklichen Gewinner der Kartenverlosung brauchen neben dem Nachweis der Impfung oder einer überwundenen Corona-Erkrankung auch einen negativen Test (2G-Plus-Modell).
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Eine brodelnde Finalatmosphäre stellt man sich gemeinhin anders vor – noch dazu bei einer prognostizierten Temperatur von -1 Grad. Davon will sich der Bundesligist aus Köpenick aber nicht aus der Fassung bringen lassen. „Wir sind hier zu Hause, auch wenn es etwas anderes ist, als in der Festung Alte Försterei zu spielen“, sagt Abwehrspieler Robin Knoche. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir eine Party mit 5000 Zuschauern hinkriegen.“
Sollte den Berlinern gegen Prag ein Sieg gelingen, dürfte die Feier mit den wenigen Fans durchaus ausgelassen werden. Denn auch wenn das Duell mit dem Tabellenführer der tschechischen Liga für Union nur ein sprichwörtliches Finale ist, geht es um viel. Die Mannschaft von Trainer Urs Fischer braucht am letzten Gruppenspieltag der Conference League gegen Slavia einen Sieg, um sich als Zweiter noch für die Zwischenrunde zu qualifizieren.
Dort ginge es am 17. und 24. Februar in zwei Spielen gegen einen Gruppendritten der Europa League um den Einzug ins Achtelfinale. Die Tschechen liegen aktuell einen Punkt vor Union, ihnen reicht im Olympiastadion daher schon ein Unentschieden. „Natürlich ist ein besonderer Druck da, aber der macht Fußball aus“, sagt Stürmer Max Kruse. „Es wäre schön, wenn wir vor mehr Zuschauern spielen könnten, aber wir müssen die Situation so annehmen und freuen uns auf das Spiel.“
Ein Sieg würde sich für den Verein auch finanziell lohnen. Zwar gibt es im kleinsten der drei europäischen Wettbewerbe bei Weitem nicht so viel zu verdienen wie in der Champions League, für einen Klub wie Union sind die Prämien aber durchaus signifikant.
Ein Sieg gegen Prag lohnt sich auch finanziell
Präsident Dirk Zingler wollte in der vergangenen Woche in einer Medienrunde vor der Mitgliederversammlung nicht verraten, wie viel die Berliner im internationalen Geschäft bisher eingenommen haben, doch zumindest gab er einen kleinen Einblick in die bilanziellen Planungen. Kalkuliert hat Union mit der Gruppenphase, also wären alle weiteren Einnahmen ein Bonus. Ein Sieg gegen Prag würde allein an Uefa-Prämien 825.000 Euro in die Vereinskassen spülen – und weitere Gewinne in Millionenhöhe ermöglichen.
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Doch monetäre Anreize braucht es für die Berliner wohl nicht beim ersten Europapokalabenteuer seit 20 Jahren. Im Gegensatz zu manchen Stammgästen im internationalen Geschäft, die den Wettbewerb eher als lästige Zusatzbelastung sehen – der AS Rom mit Trainer José Mourinho verlor vor einigen Wochen beispielsweise mit einer B-Elf 1:6 beim Norwegischen Meister FK Bodö/Glimt – ist für Union jedes Spiel ein Highlight. „Wir können schon sehr stolz auf das sein, was wir bisher erreicht haben. Aber es wäre ein Riesenerfolg, wenn wir in drei Wettbewerben überwintern würden“, sagt Kruse.
Damit es dazu kommt, müssen die Berliner gegen Slavia die richtige Balance finden zwischen stabiler Defensive und nötigem Mut. Auch wenn der Mannschaft nur ein Sieg hilft, werde sie nicht „90 Minuten Hauruckfußball spielen“, sagt Kruse. Fischer hat aufgrund der direkten Eindrücke aus dem Hinspiel, als Prag die abgezocktere Mannschaft war und 3:1 siegte, sowie der starken Form der Tschechen großen Respekt vor dem Gegner. In der heimischen Liga hat Slavia die vergangenen sechs Spiele mit insgesamt 17:0 Toren gewonnen. Fischer rechnet wie in so vielen Finals mit einem Geduldspiel, ist aber optimistisch. „Ich glaube schon, dass wir aus dem ersten Spiel dazugelernt haben und in der Conference League eine Entwicklung gemacht haben“, sagt der Schweizer.