Die Berliner setzen sich oben fest: Der 1. FC Union genießt seinen Weltklasse-Moment
Beim verdienten 2:1 gegen Rasenballsport Leipzig zeigt der 1. FC Union Berlin eine bemerkenswerte Reife, sieht aber weiter Verbesserungspotenzial.
Kommunikativ könnten Max Kruse und Urs Fischer kaum unterschiedlicher sein. Der Schweizer Trainer des 1. FC Union spricht in der Öffentlichkeit bedacht, wägt ab und hat zwar einen Instagram-Account, postet dort aber allenfalls Fotos vom Fliegenfischen. Stürmer Kruse nutzt die Plattform täglich, verrät dort gelegentlich mal Dinge, von denen ihm sein Verein eher abraten würde, und liefert auch sonst regelmäßig Schlagzeilen.
So war es wirklich nicht überraschend, dass Kruse bei inhaltlich nahezu gleicher Einschätzung die deutlich knackigeren Worte wählte nach dem 2:1-Erfolg gegen Rasenballsport Leipzig am Freitagabend. „Zu Hause gegen Leipzig, gegen eine so spielstarke Mannschaft, so zu performen, zeigt unsere Qualitäten. Ich sage das Wort ja ungern, aber das ist heute Weltklasse gewesen“, freute sich Kruse vor den Fernsehkameras.
Sein Trainer hätte vermutlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wäre er bei dieser Formulierung zugegen gewesen, doch zufrieden war Fischer natürlich ebenfalls. Das Team habe den Plan gut umgesetzt und eine tolle Leistung gezeigt. „Die Mannschaft hat sehr viel Leidenschaft gezeigt, das war ein sehr mutiger Auftritt", sagte Fischer. Dass der 1. FC Union am Freitag erstmals in seiner noch kurzen Bundesligageschichte auf einem Champions-League-Platz übernachtete, bezeichnete er in seiner üblichen Nüchternheit als Momentaufnahme. „Ich genieße den Sieg und die Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist. Im Moment sieht es nicht schlecht aus – nicht mehr und nicht weniger.“ Der Sieg gebe Selbstvertrauen für das entscheidende Europapokalspiel am kommenden Donnerstag gegen Slavia Prag.
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Es ist schon erstaunlich, dass es für Fischers Mannschaft auch nach zweieinhalb Jahren Bundesliga scheinbar nur einen Weg gibt: weiter nach oben. Überraschungsteams gibt es immer wieder, aber diese Konstanz, mit der Union auftritt und deutlich stärkere Gegner regelmäßig in die Bredouille bringt, ist mittlerweile außergewöhnlich.
Abgänge, Doppelbelastung, Englische Wochen – Union scheint dies alles nichts anhaben zu können. „Das ist ein Verein, der eine tolle Entwicklung hinter sich hat. Sie haben verdient gegen uns gewonnen“, sagte Leipzigs Trainer Marco Kurth, der die in Quarantäne befindlichen Jesse Marsch und Achim Beierlorzer vertrat.
Die Sachsen durchleben momentan eine schwierige Phase und kamen durch einige Coronafälle personell geschwächt nach Berlin. Dass sie dennoch den deutlich stärkeren Kader haben, zeigte schon der Blick auf die Bank, auf der mit Kevin Kampl und Emil Forsberg zwei prominente Namen saßen.
Doch der Unterschied zwischen Mannschaften wie Leipzig oder Gladbach, die trotz individueller Klasse sehr schwankend auftreten, und Union ist, dass die Berliner einen klaren Plan haben, diesen konsequent umsetzen und auch das passende Personal dafür haben. „Wir machen keine Unterschiede, wer der Gegner ist“, sagte Torwart Andreas Luthe. „Man sieht jetzt seit drei Jahren, wie Union Berlin spielt.“
Wobei der erste Teil der Aussage nur teilweise zutrifft. Selbstverständlich stellt Fischer sein Team individuell auf jeden Gegner ein und gegen Leipzig war zu sehen, wie gut es den Berlinern tut, wenn sie genügend Zeit dafür haben. Bei all der Belastung durch Bundesliga, DFB-Pokal und Conference League beschränkt sich die Spielvorbereitung oft genug auf ein Videostudium des Gegners und ein paar verbale Hinweise.
Vor dem Duell mit Leipzig hatte Union nach der knappen Niederlage in Frankfurt vier spielfreie Tage. „Das hat uns gutgetan, dass wir ein bisschen mehr Pause hatten, normal trainieren und gewisse Dinge einstudieren konnten“, sagte Fischer.
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Die Maßnahme, Sheraldo Becker in die Startelf zu beordern und dafür Max Kruse etwas hinter die beiden Stürmer zurückzuziehen, zahlte sich aus. Die Berliner nutzten die großen Räume, die ihnen Leipzig nach Ballverlusten bot. „Wir wussten, dass wir heute das eine oder andere Mal mehr mit langen Bällen operieren müssen. Daher wollten wir zwei stabile und schnelle Spieler in der Spitze haben und mich dahinter, um den letzten Pass zu spielen“, erklärte Kruse.
Diese Taktik ging blendend auf, Union hatte zahlreiche Chancen und hätte noch deutlicher gewinnen können. „Wenn man etwas kritisieren kann, dann die Chancenverwertung“, sagte Luthe, der den zwischenzeitlichen Leipziger Ausgleich mit einem klaren Fehler begünstigte, in der Schlussphase aber auch einmal stark parierte. Siegtorschütze Timo Baumgartl hatte wenige Minuten nach Spielschluss schon wieder das große Ganze im Blick und äußerte sich damit ganz im Sinne seines Trainers. „Es ist vielleicht ein Entwicklungsschritt, das Spiel früher zu entscheiden.“