Trotz Corona-Verlusten: Der 1. FC Union will „weit mehr als 100 Millionen Euro“ investieren
Der 1. FC Union präsentiert auf der Mitgliederversammlung die Bilanz und ist trotz Corona zufrieden. Präsident Dirk Zingler kritisiert die Politik scharf.
Das Coronavirus ist für die meisten professionellen Sportvereine seit nun fast zwei Jahren die größte Herausforderung und das gilt natürlich auch für den 1. FC Union. Während an vielen traditionellen Fußballstandorten aber die Sorgen dominieren und manche Vereine kaum wissen, wie sie die erneut drohenden Geisterspiele finanziell überleben sollen, gibt sich Dirk Zingler betont optimistisch – und das trotz einer Corona-Politik, die er als „Vollchaos“ kritisierte. Die Mitgliederversammlung des Berliner Bundesligisten an diesem Donnerstag begann der Präsident mit der Feststellung, dass der Verein sich in der „sportlich erfolgreichsten und wirtschaftlich wertvollsten Phase seiner Geschichte befinde“.
Für die laufende Saison plant Zingler für den Konzern – also e.V., Stadionbetriebs AG und Veranstaltungsgesellschaft – erstmals mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro. Zudem kündigte der 57-Jährige an, dass der Klub bis zum Ende seiner Amtsperiode im Juni 2025 „weit mehr als 100 Millionen Euro“ investieren werde, in die Infrastruktur, die Digitalisierung und die Mannschaft.
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„Wir geben Corona in der Gesamtentwicklung des Klubs nicht so viel Bedeutung, weil wir wissen, dass es irgendwann endet“, sagte Zingler am Donnerstag in einer Medienrunde vor der Mitgliederversammlung. „Wir haben lange vor Corona eine Entwicklung begonnen, haben immer mutig investiert und Corona ist kein Grund, das zu unterbrechen.“ Der Verein dürfe trotz der Herausforderungen der Pandemie seinen Kurs nicht verlassen. Möglich sei dies vor allem aufgrund der guten aktuellen Lage des Klubs, sie sich auch im Wachstum auf mittlerweile 40.531 Mitglieder niederschlägt. „Dass wir unsere erfolgreichste Zeit in einer Krise verbringen, hilft uns natürlich“, sagte Zingler.
Sportlich steht Union als Tabellensechster der Bundesliga, als Achtelfinalist im DFB-Pokal und mit realistischen Chancen auf die nächste Runde in der Conference League so gut da wie nie zuvor in der Vereinsgeschichte. Am Freitag (20.30 Uhr, Dazn) kann das Team mit einem Heimsieg gegen Rasenballsport Leipzig sogar auf einen Champions-League-Platz klettern.
Wirtschaftlich muss man die Situation differenzierter betrachten. Bis zum Beginn der Pandemie hatten die Köpenicker elf Jahre lang schwarze Zahlen geschrieben und ihre Schulden sukzessive reduziert, nun präsentierte Zingler den 1930 anwesenden Mitgliedern bei der virtuellen Jahreshauptversammlung zum zweiten Mal in Folge ein negatives Ergebnis. Die Saison 2020/21 schloss der Verein mit einem Verlust von 10,4 Millionen Euro ab. Die Einnahmen waren mit 71,3 Millionen Euro zwar so hoch wie nie zuvor, geplant hatte Union allerdings mit 77,8. Zudem stiegen die Ausgaben auf 81,6 Millionen, was vor allem mit dem sportlichen Erfolg und den daher gestiegenen Prämienzahlungen zusammenhängt.
Union plant erstmals mit Einnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro
Die Verbindlichkeiten des Konzerns belaufen sich mittlerweile auf 72 Millionen Euro und das negative Eigenkapital ist auf 29,1 Millionen gestiegen. Zingler beunruhigt dies allerdings nicht. Der Verein investiere in Werte und habe etwa durch die eigenen Immobilien und die verschiedenen Rechte „enorme stille Reserven“, die jetzt schon mehr als 150 Millionen Euro wert seien – und diese sollen noch weiter ausgebaut werden.
Die Investitionen in die Infrastruktur liegen dem Logistikunternehmer besonders am Herzen. Der Neubau des Nachwuchsleistungszentrum hat im vergangenen Sommer begonnen und soll 2023 fertiggestellt werden. Für den Ausbau des Stadions An der Alten Försterei, der 2017 angekündigt wurde und eigentlich schon 2020 hätte abgeschlossen sein sollen, hofft Zingler im kommenden Jahr endlich auf Baurecht. Um die Spielstätte für etwa 37 000 Zuschauer vergrößern zu können, soll aufgrund des steigenden Platzbedarfs auch das Trainingszentrum umgebaut werden. „Wenn Union sich entwickeln will, brauchen wir die Infrastruktur“, sagte Zingler.
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Dafür nimmt der Präsident auch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten in Kauf. Diese müsse man genau wie die Verschuldung im Kontext des Gesamtumsatzes sehen – und dieses Verhältnis sei keineswegs besorgniserregend. Union arbeite sehr effizient, sagte Zingler und bemühte damit einen der Lieblingsbegriffe von Erfolgstrainer Urs Fischer.
In der aktuellen Saison plant Zingler für den Gesamtkonzern erstmals mit Einnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro. Das ermöglicht auch Rekordausgaben für den Profikader in Höhe von 45,5 Millionen. Sollten, wie es sich momentan andeutet, in den kommenden Monaten weniger oder gar keine Zuschauer mehr in den Stadien zugelassen werden, wirke sich das zwar negativ auf die Planung aus, jedoch in einer überschaubaren Größenordnung.
Das Thema bringt Zingler dennoch in Rage. Dass sich die Verordnungslage andauernd ändere, erschwere die Situation für Veranstalter ungemein. Das mache allen Mitarbeitern zu schaffen und sei schon lange nicht mehr nachvollziehbar. „Unser Land ist in einem katastrophalen Zustand, weil es katastrophal geführt wird und katastrophal kommuniziert wird“, sagte Zingler. Anstatt die Fußballbranche, in der 90 Prozent der Angestellten geimpft seien, und einzelne Spieler wie Joshua Kimmich zu skandalisieren, solle man sich eher über die schlechte Organisation der Impfkampagne aufregen. Zingler hofft nun auf die neue, designierte Bundesregierung, die bisher einen sehr professionellen Eindruck mache.