Ähnliche Formate in NBA und Spanien geplant: Das BBL-Finalturnier könnte zum großen Vorbild werden
Das Saisonfinale der Basketball-Bundesliga wird auch in der internationalen Szene verfolgt. Vor allem ein spezieller Tracking-Chip zieht das Interesse auf sich.
Wer sich um die Gesundheit einer 260-köpfigen Quarantäne-WG kümmert, muss früh aufstehen. Offensichtlich jedenfalls vor 7.11 Uhr. Denn um diese Zeit verkündete Florian Kainzinger, seines Zeichens Gesundheitsökonom und einer der Hygienebeauftragten der Basketball-Bundesliga (BBL), am Dienstagmorgen auf Twitter die Nachricht, auf die alle gewartet hatten: „Nun auch Brose Bamberg als letztes Team beim BBL-Finalturnier 2020 komplett negativ getestet und freigegeben!“, schrieb er. „Danke an das Labor für die Nachtschicht!“
Die Verantwortlichen der Liga dürften da noch einmal kräftig durchgepustet haben. Denn nun ist die grundlegendste aller Voraussetzungen für das spezielle Hygienekonzept des Finalturniers erfüllt: dass alle Beteiligten ihr zwei- bis dreiwöchiges Quartier in einem Münchner Hotel gesund und infektionsfrei bezogen haben.
Weil sich die Bewohnerinnen und Bewohner in den kommenden Wochen nur noch in ihrer eigenen Blase bewegen werden, dürfte sich der Theorie nach also auch niemand mehr anstecken; das Turnier mit den zehn Teams könnte also völlig komplikationslos über die Bühne gehen – wenn nichts Unvorhergesehenes passiert.
Die 22 Spieler, Trainer und Betreuer von Alba Berlin dürften die morgendliche Nachricht mit besonderem Interesse verfolgt haben: Am selben Abend nämlich sollten sie den Bambergern, die am Montag als letztes Team im Hotel angekommen und getestet worden waren, schon auf dem Parkett der Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle gegenüberstehen, um nach dem Auftaktsieg am Sonntag gegen Frankfurt in ihrem zweiten Gruppenspiel einen weiteren Schritt Richtung Viertelfinale zu machen.
Doch nicht nur für die Beteiligten rund um das Münchner Quarantäne-Quartier ist zurzeit von Belang, wie sich das spezielle Vorhaben der Bundesliga in den kommenden Tagen entwickeln wird. Auch in der großen weiten Welt des Basketballs, in der Deutschland sonst eher zu den Schwellenländern zählt, schauen Spieler, Verantwortliche, Fans und Medien in diesen Tagen ganz genau auf die Geschehnisse rund um das Finalturnier.
Da ist zum einen die spanische Eliteliga ACB, die sich bereits vor der BBL zu einem Saisonabschluss in Turnierform entschlossen hat. Auch aufgrund der weniger vorhersehbaren Krisenlage dauerte es jedoch ein wenig länger, bis die Pläne konkretisiert wurden. Nun sollen ab dem 17. Juni in Valencia zwölf Teams bei einer ähnlichen Veranstaltung wie der in Deutschland antreten und ihren Geistermeister ermitteln.
In spanischen Medien ist das BBL-Turnier auch deshalb ein Thema: „Von den Zeitungen, vom Fernsehen, vom Radio rufen sie mich an“, berichtete Albas Trainer Aito Garcia Reneses über die Neugier seiner Landsleute. „Sie sind interessiert daran, weil sie später anfangen werden und wissen wollen, in welche Richtung unsere Erfahrungen gehen.“
Alba Berlins Vorrundenspiele beim BBL-Finalturnier
- Sonntag, 07. Juni: Frankfurt – Alba Berlin 72:81
- Dienstag, 09. Juni: Alba Berlin – Bamberg (20.30 Uhr)
- Samstag, 13. Juni: Vechta – Alba Berlin (20.30 Uhr)
- Montag, 15. Juni: Alba Berlin – Ludwigsburg (20.30 Uhr)
Und auch die größte Basketball-Liga der Welt, die nordamerikanische Profiliga NBA, hat das Finalturnier der BBL auf dem Schirm: „Ich habe tatsächlich erst gestern mit einem Reporter von der ,New York Times‘ gesprochen, der sehr interessiert daran war, wie unsere Blase funktioniert“, erklärte Albas Leader Luke Sikma am Montag. „Viele Leute schauen auf uns als erste Liga, die wieder startet, und sind interessiert daran zu sehen, wie das funktioniert.“
Am 31. Juli würde die NBA ihren Spielbetrieb gerne wieder aufnehmen, so berichtet es der US-Sportsender ESPN. Geplant ist ein großes Event auf dem Gelände von Disney-World in Orlando. Dort gibt es einen großen Sportkomplex mit Arenen und Hotels, in den sich dann 22 Teams zurückziehen sollen, um in acht Begegnungen Spielpraxis zu sammeln und die Play-off-Teilnehmer auszuspielen, ehe die K.-o.-Runde ganz traditionell im Best-of-Seven-Modus durchgeführt würde. Bis zum 12. Oktober soll dann ein neuer Champion feststehen, damit bereits im Dezember die neue Saison beginnen kann. Die Verhandlungen zwischen Liga, Spielergewerkschaft und dem Disney-Konzern laufen.
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Eine Maßnahme des BBL-Turniers hat dabei das ganz besondere Interesse auf sich gezogen: die Verwendung von individuellen Tracking-Chips, die die Spieler während der Quarantäne tragen sollen. „Dazu gibt es viele Fragen“, sagt Sikma. Die Chips funktionieren ähnlich wie eine Tracing-App und sollen dabei helfen, Kontakte noch besser nachzuverfolgen.
Kurzfristig wurden sie noch in das Hygienekonzept integriert, nachdem es noch einmal Gespräche mit dem Münchner Gesundheitsamt gegeben hatte. Das könnte die Münchner Hotelgäste im Zweifel nämlich wie einen gemeinsamen Haushalt behandeln und alle zusammen nach Hause schicken, falls es doch einen Infektionsfall geben sollte. Das ist eben der Nachteil einer gemeinsamen Quarantäne-WG.
Leonard Brandbeck