Erst Frankfurt, jetzt Bamberg: Alba Berlin macht sich auf die Socken
Nach dem erfolgreichen Start wartet für Alba gleich die nächste Aufgabe beim Finalturnier der Basketball-Bundesliga. Und Coach Reneses hat einen gewieften Plan.
Da soll mal wer sagen, dieser Herr wäre auf seine alten Tage nicht mehr in der Lage, sich seiner Umgebung anzupassen. Auf den Videoschnipseln aus dem abgeriegelten Quarantäne-Quartier in München war jedenfalls zu sehen, wie Alba Berlins Trainergrande Aito Garcia Reneses seinen Freizeitlook gestaltet: Und zwar mit hellen Tennissocken in dunklen Birkenstock-Sandalen. Die bald drei Jahre in Deutschland haben bei dem 73-jährigen Spanier offensichtlich Spuren hinterlassen.
So hatte Reneses es sich am Sonntagabend etwa drei Stunden nach dem 81:72-Auftaktsieg seines Teams gegen Frankfurt in der Hotellobby bequem gemacht und relaxte. Überhaupt schien die Stimmung unter den Berlinern nach dem ersten Spiel seit 91 Tagen und dem erfolgreichen Start in das Finalturnier der Basketball-Bundesliga (BBL) recht locker – so weit sich das aus der Distanz beurteilen lässt, wenn sich das 15-köpfige Team plus sieben Trainer und Betreuer in völliger Abgeschiedenheit zur Außenwelt befindet.
Alba Berlins Vorrundenspiele beim BBL-Finalturnier
- Sonntag, 07. Juni: Frankfurt – Alba Berlin 72:81
- Dienstag, 09. Juni: Alba Berlin – Bamberg (20.30 Uhr)
- Samstag, 13. Juni: Vechta – Alba Berlin (20.30 Uhr)
- Montag, 15. Juni: Alba Berlin – Ludwigsburg (20.30 Uhr)
Für Kapitän Niels Giffey etwa gab es am Morgen danach anlässlich seines 29. Geburtstags beim Frühstück ein Ständchen, und Luke Sikma vergnügte sich später mit Martin Hermannsson und Marcus Eriksson am Golf-Simulator des speziell im Hotel eingerichteten Hobbyraums, wie der Power Forward später auf einer virtuellen Pressekonferenz berichtete.
„Ich bin angenehm überrascht“, setzte Sikma da an und machte auf halbem Gedankenweg noch einmal kehrt: „Oder ich würde nicht mal sagen überrascht.“ Denn: „Ich hatte keine Zweifel, dass die BBL hier ein gut organisiertes Event aufziehen würde. Und das haben sie getan.“
Es ist ja schon ein Experiment, das die Liga da gerade in München wagt: 260 Menschen in einem Hotel, darunter zehn Teams à 22 Personen, die über drei Wochen praktisch nichts anderes mehr zu sehen bekommen als ihr vorübergehend neues Heim sowie den Basketballcourt, ohne Kontakt nach außen.
„Wir betreten hier ungewohntes Terrain“, sagte Albas Geschäftsführer Marco Baldi bei Magentasport und hatte auch gleich die sportlichen Konsequenzen im Blick: „Ich glaube, es wird für alle Teams sehr darauf ankommen, wer es schafft, geschlossen aufzutreten, die Motivation hochzuhalten, sich durch nichts ablenken zu lassen.“
Und das hatten die Berliner im ersten Spiel ihrer Fünfergruppe hinbekommen – auch wenn es gegen die Außenseiter aus Frankfurt eine mühselige Angelegenheit wurde. „Das war wirklich ein hartes Stück Arbeit“, sagte Johannes Thiemann.
Vielleicht sogar ein Stück mehr Arbeit als gedacht: Seit fast drei Jahren spielt der Kern des Alba-Teams inzwischen zusammen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Konkurrenten mussten die Berliner auch keine Nachjustierungen im Kader vornehmen. Und die Reneses‘sche Basketball-Philosophie ist ohnehin weniger auf das fest Einstudierte als auf das kreative Spontane ausgelegt.
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Diese Eingespieltheit sah vor dem Turnierbeginn eigentlich wie ein Vorteil für Alba aus. Im Spiel selbst wirkten die Berliner dann aber lange Zeit wie ein äußerst gewöhnliches Bundesliga-Team, das wenig vom alten Glanz versprühte. Erst als Spielmacher Peyton Siva – quasi die Inkarnation des rasanten wie waghalsigen Berliner Spielstils – Ende des dritten Viertels das Spiel in die Hand nahm, sich den Bällen hinterherschmiss und auf dem Parkett für den nötigen Schuss Turbulenz sorgte, pfiff auf einmal wieder eine Böe Alba-Basketball durch die leere Münchner Arena. „Ich hoffe, das war der Probedurchlauf und ab jetzt sind wir im Rhythmus“, sagte Thiemann. „Ich glaube, wir werden uns von Spiel zu Spiel steigern.“
Und genau darin liegt der Vorteil des Turniermodus: Es geht Schlag auf Schlag. Bereits am Dienstag (20.30 Uhr/Magentasport) haben die Berliner schon wieder Ausgang und dürfen sich auf den Weg in die acht Kilometer entfernte Spielstätte machen, in der es dann gegen Bamberg geht. Mit einem weiteren Sieg hätte Alba den Einzug ins Viertelfinale bereits so gut wie sicher, und Coach Reneses hat auf die Frage, was es dazu braucht, auch schon eine gewiefte Antwort: „Wir spielen gut, und sie spielen schlecht.“
Luke Sikma hatte bereits zuvor ins Mikrofon gesprochen und verkündet: „Wir wissen, dass wir unser Bestes geben müssen, um zu gewinnen.“ Er trug dabei Adiletten. Ohne Socken.
Leonard Brandbeck