Serie: Materialschlacht, Teil 3: Biathlon: Gut gezielt ist halb gewonnen
Deutschlands Top-Biathlet Arnd Peiffer besitzt 25 Paar Ski – und ein Gewehr. Am Gewicht der Waffe wird ständig getüftelt.
Im Sport kommt es nicht immer nur auf den Athleten an. In unserer neuen Serie „Materialschlacht“ beschreiben wir, wie viel durch Technik und Material in verschiedenen Sportarten bestimmt wird.
Arnd Peiffer muss lachen, wenn er an all die Menschen denkt, die ihm gegenüber immer von seiner Tätigkeit als skifahrender Schütze schwärmen. „Viele Leute kommen zu mir und sagen: ‚Ich finde das Schießen so toll.’ Dabei bin ich der Meinung, dass jeder schießen lernen kann“, sagt der große Routinier des deutschen Biathlonteams. Der 31-Jährige fügt hinzu: „Das ist das Verrückte an unserem Sport. Es ist das Schießen, das die Leute begeistert, aber das Laufen ist der limitierende Faktor.“
Zur Bekräftigung seiner These schlägt Peiffer vor, zehn Sportstudenten im Alter zwischen 20 und 25 zwei Jahre lang kontinuierlich die beiden Teilbereiche des Biathlons trainieren zu lassen. „Ich behaupte: Von denen können danach zwei bis drei konkurrenzfähig schießen. Gleichzeitig wird keiner aus dieser Gruppe, auch wenn er zwei Jahre lang ganz konsequent jeden Tag Langlauf trainiert hat, langlaufen können.“ Schließlich, ergänzt er, müssten Biathleten bei ihren Übungen im Liegend- und Stehendanschlag zwar ins Schwarze treffen, aber eben nicht wie Sportschützen eine Zehn schießen. „Wir müssen treffen“, sagt er. „Das ist schon schwierig, gerade unter Belastung – und viele tun sich auch jahrelang schwer damit. Aber es ist grundsätzlich erlernbar.“ Zudem sei das Gewehr sein wichtigstes Arbeitsgerät: Ski habe er 25 Paar, bei denen der Bestand darüber hinaus immer mal wechsle. Aber er besitze eben nur eine Waffe.
Der Gewehrschaft ist aus Karbon oder Holz
Die Arbeit mit diesem speziellen Begleiter hat es in sich. Noch recht simpel ist die Wahl des Herstellers. Im Prinzip entscheidet sich die internationale Biathlonelite zwischen zwei Firmen: Einer deutschen, bei deren Produkten Lauf und Verschluss fast immer identisch oder ähnlich sind, und einer russischen, für deren Waffen ein etwas anderer Repetiervorgang charakteristisch ist. Durch das Schließen des Verschlusses wird eine Patrone aus dem Magazin in das Patronenlager eingeführt. „Die haben nicht diesen Geradezug, sondern klappen aus“, erklärt Peiffer. Einige der russischen Biathleten schießen mit diesen Gewehren, früher griffen unter anderem einige Biathleten des Deutschen Skiverbandes auf dieses Material zurück.
So weit, so überschaubar. „Das Individuelle“, sagt Peiffer, „kommt mit dem Gewehrschaft.“ Der ist bei zahlreichen Spitzenbiathleten mittlerweile aus Karbon, bei einigen aber auch noch aus Holz. Mit Material von der Stange arbeitet kaum einer – schließlich ist das der Bereich, in dem unentwegt ausprobiert und herumgebastelt wird.
Ganz vorne dabei bei den Tüftlern: Simon Eder aus Österreich. Der 35-Jährige beschäftigt sich vor allem sehr intensiv mit dem Gewicht der Waffe. Seine Prämisse dabei: Je leichter, desto besser – ohne das vorgegebene Minimalgewicht von 3,5 Kilogramm zu unterschreiten. In dieser Gewichtsklasse lässt sich eine Waffe laut Peiffer zwar „eher schlecht schießen“. Aber, so der gebürtige Wolfenbütteler über Eder: „Ich glaube, er versucht, dass seine Waffe genau 3,5 Kilogramm hat und sich trotzdem gut schießen lässt.“
Im Gesamtweltcup liegt Eder momentan auf Rang fünf – knapp vor Peiffer (6.) und dessen Teamkollegen Benedikt Doll (8.). Die große Stärke Dolls ist das Laufen, Eders Fähigkeiten am Schießstand würde er daher sofort mit Kusshand nehmen. „Er schießt zwar nicht mehr ganz so schnell wie früher – aber vor allem schießt er keine Fehler“, staunt Doll. „Es sieht so einfach bei ihm aus, als würde ihm das alles nichts ausmachen.“
Viele Details beeinflussen das Schussbild
Die Arbeit mit dem Gewehr ist eben eine Wissenschaft für sich. In der Sommervorbereitung werden dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. So beginnt das Frühjahr immer wieder mit dem Schießen auf Papier statt auf Metallscheiben. Das Ziel ist dabei, ein möglichst kleines Trefferbild zu erreichen. Das wird dann ins Schießen unter Belastung transportiert. Parallel dazu müssen die Biathleten ständig an ihrer Technik feilen.
Zu beachten sind dabei zahlreiche Details, von der Atmung über das Abzugsverhalten bis hin zu dem Ziel, an den richtigen Stellen im Körper die richtige Spannung hinzubekommen. „Da gehört relativ viel dazu. Es sind viele einzelne Schritte, die beim Schießvorgang absolviert werden müssen. Häufig ist es so, dass irgendeiner nicht optimal ist. Dann kippt manchmal das ganze System, manchmal auch nicht“, erläutert Peiffer, der nicht zuletzt um die Wichtigkeit weiß, für sich eine gute Munitionscharge für den jeweiligen Gewehrlauf herausfinden.
Das gilt besonders für Wettkämpfe bei tiefen Temperaturen, so wie sie vor elf Monaten in Pyeongchang herrschten. „Ich glaube, dass das bei Olympia bei uns gut funktioniert hat. Bei minus 14 Grad haben wir dort gute Liegendbilder geschossen“, sagt Arnd Peiffer. Das stimmt wohl: Er selbst gewann in Südkorea Gold im Sprint.
Bisher erschienen: „Kufen beim Rodeln“ und „Material und Technik im Ski Alpin“.