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Unruhiges Gewässer. Die Frage, wie es mit ihrem Stützpunkt weitergeht, belastet die Potsdamer Schwimmer – beispielsweise den Olympiasiebten Christian Diener.
© imago/Camera 4

Potsdamer Schwimmsport: Weiterhin nicht auf einer Wellenlänge

In der Debatte um den eigentlich geplanten Schimm-Bundesstützpunkt in Potsdam gibt es bislang keine Lösung. Die Ungewissheit über ihre Perspektive am hiesigen Standort setzt den Athleten zu. Keine optimale Voraussetzung für die bevorstehenden WM-Qualifikation.

Viel Erfreuliches gab es in den vergangenen Tagen für Potsdams Schwimmsport. Das neue Bad am Brauhausberg wurde eröffnet, es erhöht die Attraktivität des Standortes – zum Beispiel hinsichtlich der Austragung reizvoller Wettkämpfe – und erlebte gleich zur Einweihung einen neuen deutschen Rekord über 4x200 Meter Rücken durch ein hochkarätig besetztes Quartett des Potsdamer SV. Eben jener Verein hatte bereits vorige Woche bei der nationalen Nachwuchsmeisterschaft geglänzt, indem gleich vier seiner Athleten Einzelstrecken-Normen für die diesjährige Junioren-Weltmeisterschaft erfüllten – aus der ganzen Bundesrepublik war das sonst nur noch sechs anderen Talenten gelungen.

Sylvia Madeja, Präsidentin des Landesschwimmverbandes Brandenburg (LSVBB), meint: „Derartige Erfolge sind die besten Achtungszeichen, die wir nach außen senden können.“ Von Donnerstag bis Sonntag nächster Woche erhofft sie sich bei der deutschen Meisterschaft der offenen Klasse in Berlin weitere Argumente pro Potsdam.

Beim nationalen Fachverband sind sie "nicht euphorisch"

Denn noch ist die Zukunft des Schwimmzentrums am Luftschiffhafen ungewiss. Anfang des Jahres hatte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) eigentlich Potsdam als Bundesstützpunkt für den neuen Olympiazyklus auserkoren, was eine gute sportliche Perspektive im Land sowie Fördergelder von jährlich rund 300.000 Euro sichern würde. Allerdings entschied sich der LSVBB dann Ende März, eine vorliegende Kooperationsvereinbarung des DSV nicht zu unterschreiben. Das hatte einen personellen Grund. Chefbundestrainer Henning Lambertz wollte den bereits hier vor Ort erfolgreich tätigen Jörg Hoffmann als leitenden Bundesstützpunkttrainer inthronisieren – die Landesverbandsspitze um Madeja hält ihn aber für nicht geeignet, das hauptsächlich durch Sportschul-Lehrertrainer gebildete Coachingteam zu leiten. Das Verhältnis zwischen den landesbediensteten Lehrertrainern und Hoffmann, der von Bund und Land mischfinanziert ist, gilt als zerrüttet. Daher wurde darum gebeten, eine externe, unvoreingenommene Person für den Posten des Stützpunkt-Bosses einzustellen. Dies sorgte für Unverständnis bei Lambertz. Ein Graben zwischen DSV und LSVBB entstand.

Geschlossen ist er knapp zwei Monate später nicht. Und darüber, wie groß diese Kluft derzeitig wirklich ist, herrschen unterschiedliche Meinungen. „Es gab deutliche Annäherungen“, erklärt einerseits Madeja. Jürgen Fornoff, Generalsekretär des nationalen Fachverbands, sagt hingegen: „Euphorisch sind wir nicht.“ Der Versuch, sich auf eine Wellenlänge zu synchronisieren, wurde vor allem am 11. Mai bei einem Treffen im brandenburgischen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport unternommen. Minister Günter Baaske (SPD) hatte dazu geladen. Es nahmen Vertreter des Landessportbundes und Olympiastützpunktes Brandenburg, der Potsdamer Sportschule und natürlich des LSVBB und DSV teil – in letzterem Fall waren es Präsidentin Gabi Dörries und Chefbundestrainer Henning Lambertz. Baaske empfand die Beratung „sehr konstruktiv“, teilte er mit. Über konkrete Gesprächsdetails sprechen die Parteien nicht. „Wir stehen weiterhin im Austausch mit Herrn Lambertz und der DSV-Führung“, sagt LSVBB-Präsidentin Madeja.

Andernorts reiben sich die Verantwortlichen schon die Hände

Bis zum 31. Dezember dieses Jahres ist die Schwimm-Bundesförderung für Potsdam garantiert. Ab 2018 soll dann im Zuge der deutschen Spitzensportreform die neue Struktur greifen. Die geplante Ausgestaltung ist am Mittwoch Thema in einem ersten Vorgespräch zwischen DSV und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), am 5. Juli findet das große Verbandsgespräch statt. „Wir werden darlegen, wie die Sachlage in Potsdam ist, und hören, wie sich der DOSB hierzu positioniert. Es ist schwierig“, berichtet Fornoff. An bisher nicht berücksichtigten Standorten wie Magdeburg/Halle reiben sich die Verantwortlichen entsprechend schon die Hände, liebäugeln damit, anstelle von Potsdam den Zuschlag zu erhalten. „Nach wie vor sind wir aber sehr optimistisch, dass wir den Bundesstützpunkt zu uns holen“, bemüht sich Madeja indes um Positivismus. „Aktuell möchten wir das alles jedoch nicht groß öffentlich diskutieren, sondern vor allem unsere Sportler in Ruhe trainieren lassen.“

Das können sie jedoch kaum. „Uns beschäftigt das sehr. Wir machen uns viele Gedanken, wie es hier weitergeht“, sagt etwa Christian Diener. Der Olympiasiebte von Rio über 200 Meter Rücken, der mit seiner Betreuung durch Coach Jörg Hoffmann „vollkommen zufrieden“ sei, mag sich nicht ausmalen, wie es wäre, sollte Potsdam aus der Schwimm- Bundesförderung gestrichen werden: „Das hätte für uns Aktive schlimme Folgen. Wir müssten hier alles abbrechen, woanders hingehen, an einen Bundesstützpunkt. Das wäre einfach bitter, weil wir hier eigentlich super Bedingungen haben. Die besten, die ich mir nur vorstellen kann.“

Sehr hohe Nominierungshürde für die WM in Budapest

Mental frei springen Potsdams Schwimmer nächste Woche also nicht ins Becken des Berliner Europasportparks, wenn dort die deutsche Meisterschaft ausgetragen wird. Sie ist zugleich einziger Qualifikationswettkampf für die Weltmeisterschaft in Budapest (23. bis 30. Juli). Die Nominierungshürde wurde dabei von Henning Lambertz so hoch wie noch nie angesetzt. Wer es im Einzel nach Budapest schaffen möchte, muss im DM-Finale wenigstens die Zeit abliefern, die 2016 der Achtplatzierte des Olympia-Endlaufs schwamm. Selbst für einen wie Christian Diener, der in Rio zu den ganz wenigen deutschen Schwimm-Lichtblicken gehörte, bedeutet das: ganz nah ran an die Bestleistung oder gar drunter bleiben. „Das ist echt eine ziemliche Herausforderung“, urteilt der 24-Jährige.

Sportler, die mindestens zwei Jahre jünger sind als er, bekommen derweil erstmalig gesonderte, etwas leichtere Vorgaben. So sollen die Chancen für den Nachwuchs erhöht werden. Ob nun durch Routiniers oder Youngsters – knacken Potsdamer Schwimmer nächste Woche Elite-WM-Normen, wäre das inmitten der schwelenden Stützpunktdebatte ein weiteres gutes Achtungszeichen.

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