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Klarer Standpunkt. Bundestrainer Henning Lambertz (r.) fordert, dass Jörg Hoffmann Potsdamer Chefcoach wird.
© imago/Camera 4

Potsdamer Schwimmsport: Riskanter Streit am Beckenrand

Der Deutsche Schwimm-Verband möchte Jörg Hoffmann als Bundesstützpunkttrainer in Potsdam installieren, doch die Spitze des Landesverbandspräsidiums stellt sich quer und setzt damit viel aufs Spiel. Nun soll es einen Amtssturz geben.

Was war die Freude in der hiesigen Schwimmszene groß, als sich der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) Mitte Januar nach bereits einigen Querelen dazu bekannt hatte, neben Berlin, Essen, Hamburg und Heidelberg auch Potsdam ab dem laufenden Olympiazyklus in den exklusiven Rang als Bundesstützpunkt zu heben. Doch dieses Hochgefühl von einst ist längst verflogen. Statt Freude herrscht nun vor allem Fassungslosigkeit. Denn: In dieser Woche hat der Landesschwimmverband Brandenburg (LSVBB) als wichtiger Kooperationspartner erklärt, der aktuell vorliegenden Bundesstützpunkt-Vereinbarung des DSV nicht zuzustimmen. Damit droht Potsdam, doch nicht den wertvollen Status zu bekommen.

Konfliktpunkt ist die Personalie des Bundesstützpunkttrainers. Der DSV – allen voran Chefbundestrainer Henning Lambertz – hat hierfür einen klaren Favoriten: Jörg Hoffmann, der bereits seit 2005 am Luftschiffhafen als Coach tätig ist. Der frühere Weltmeister und Weltrekordhalter über 1500 Meter Freistil erfüllt zwar Voraussetzung eins der offiziellen Stellenausschreibung – ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich Sportwissenschaft – nicht, seine Qualitäten werden allerdings von Lambertz derart hoch eingeschätzt, dass er in ihm die perfekte Lösung sieht. Er lobt unter anderem die „innovative Trainingsmethodik“ von Hoffmann – dessen Athleten, wie der Olympiasiebte Christian Diener und Staffel-Europameister Yannick Lebherz, schwärmen ebenfalls in den höchsten Tönen von der Betreuung. Lambertz gab entsprechend zuletzt unmissverständlich im Gespräch mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung zu Protokoll: „Den Bundesstützpunkt Schwimmen in Potsdam wird es nur mit dem Bundesstützpunkttrainer Jörg Hoffmann geben oder gar nicht.“

Landesverband: Hoffmann soll coachen, aber nicht leiten

Doch der brandenburgische Verband stellt sich quer. Beziehungsweise zwei Leute an dessen Spitze – Sylvia Madeja und Norbert Warnatzsch, Präsidentin und Vizepräsident. In einer LSVBB-Präsidiumssitzung Anfang der Woche hatten sie dagegen votiert, dass die Bundesstützpunkt-Vereinbarung unterschrieben wird, wenn Hoffmann die Leitung am Standort übernimmt. Diese beiden Stimmen reichten für die Grundsatzentscheidung, denn außerdem gab es nur eine Enthaltung und eine Fürsprache zugunsten Hoffmanns durch Andreas Ehrl, ebenfalls Vizepräsident. „Man muss doch klar erkennen: Ohne die Arbeit von Jörg Hoffmann würde Potsdam überhaupt nicht als Bundesstützpunkt zur Diskussion stehen. Und wenn der DSV, der die Stelle ja auch bezahlt, so viel Vertrauen in diesen Mann setzt, dann muss man das doch unterstützen und seine persönlichen Befindlichkeiten außen vor lassen“, sagt Ehrl. „Alles andere hat nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun, sondern ist Blödsinn.“ Schließlich stehe viel auf dem Spiel. „Es geht hierbei um die sportliche Perspektive für nachfolgende Generationen. Wenn man jetzt die Möglichkeit verstreichen lässt, ein Bundesstützpunkt zu werden, bekommt man sie sicherlich nicht so schnell wieder. Auch aus finanzieller Sicht wäre das ein großer Schaden.“ Allein jährlich 212.000 Euro Trainingsstättenförderung erhielt Potsdam zuletzt vom Staat für den Betrieb der Schwimmhalle am Luftschiffhafen, weil hier ein nationales Trainingszentrum installiert ist.

Und trotzdem wird der Streit am Beckenrand eingegangen und damit riskiert, dass vergangene Arbeit, momentane Stärke und künftige Hoffnungen des Schwimmlandes Brandenburg in einem tiefen Sog nach unten gezogen werden. LSVBB-Chefin Sylvia Madeja verteidigt ihre Haltung. „Wir lehnen nicht ab, einen Bundesstützpunkt zu haben, sondern wie der bestückt sein soll“, erklärt sie. Im Wissen darum, dass es seit Jahren zwischen den Potsdamer Schwimmcoaches immer wieder zu Problemen gekommen ist, sei Madeja der Überzeugung, dass Jörg Hoffmann „von seiner Kommunikationsart her nicht geeignet ist, um das Team hier vor Ort als Chef zu leiten“. Auch die vier Sportschul-Lehrertrainer, die in Potsdam Talente weiterentwickeln, hätten sich so positioniert. „Unser Vorschlag ist, dass Jörg Hoffmann weiterhin seine Athleten bei uns betreut, aber für den Führungsposten eben eine externe Person geholt wird, die unbefangen an die Sache herangehen kann und frischen Wind bringt.“ Es gäbe dafür einige hochqualifizierte Bewerber. Nach PNN-Informationen zählt dazu Frank Embacher. Er trainierte den inzwischen zurückgetretenen Weltmeister und Weltrekordinhaber Paul Biedermann in Halle/Saale, wo Embachers am 31. Dezember 2016 ausgelaufener Vertrag mit dem DSV nicht verlängert worden war, woraufhin er eine Klage gegen den nationalen Verband einreichte.

Potsdamer SV startet Revolte gegen Madeja und Warnatzsch

Jörg Hoffmann selbst meldet prinzipiell keine Ansprüche auf die Leitungsrolle an. „Ich habe nicht den zwingenden Drang, hier der Chef zu sein. Wichtig ist nur, dass unser seit 25 Jahren von der Bundesrepublik subventionierter Stützpunkt erhalten bleibt, unsere Sportler hier eine Zukunft haben und nicht weg müssen. Und wenn der Bundesverband dafür voraussetzt, dass ich die Hauptverantwortung am Standort tragen soll, dann mache ich das natürlich im Sinne der Sache“, so der 47-Jährige. „Ich habe mich mit unserer Landesverbandspräsidentin verständigt und warte jetzt ab, wie sie sich weiter beim DSV positioniert.“

Womöglich wird Sylvia Madeja aber schon bald gar nicht mehr ihr Amt innehaben. Gegen sie und Norbert Warnatzsch, den anderen Veto-Geber des LSVBB-Präsidiums und zugleich Projekt-Landestrainer am Stützpunkt, soll mit einem Misstrauensvotum vorgegangen werden. „Wir wollen die beiden schnellstmöglich abwählen. Es darf doch nicht sein, dass zwei Leute solch einen einschneidenden Beschluss durchdrücken, nur weil sie etwas persönlich gegen Jörg Hoffmann haben und ihre eigenen Interessen sichern wollen“, sagt Michael Prenz. Der Vorstandsvorsitzende des Potsdamer SV im OSC Potsdam – mit fast 1000 Mitgliedern der größte seiner Art in der Mark – betont: „Die beiden sind in ihrer Funktion Vertreter von rund 4500 Mitgliedern und fällen eine Entscheidung, die die langfristige Perspektive einer gesamten Sportart im Land massiv gefährdet. Das ist doch Wahnsinn.“ Für den Sturz der Präsidentin und des Vizepräsidenten habe Prenz vollste Unterstützung anderer Vereine zugesichert bekommen. „Wir wollen Leute, die zum Wohle des Schwimmsports arbeiten und nicht dagegen. Jetzt müssen welche ins Amt, die das schnell mit dem DSV wieder geraderücken.“ Soll heißen: ihre Zustimmung zum Bundesstützpunkt Potsdam mit Chef Jörg Hoffmann erteilen. „Vor allem ihm ist es schließlich auch zu verdanken“, meint Prenz, „dass es hier mit dem Schwimmen wieder bergauf geht.“ Hoffmanns größte Erfolge als Coach: Die Medaillengewinne von Christian Diener (Silber über 200 Meter Rücken) und Yannick Lebherz (Gold 4x200 Meter Freistil) bei der Europameisterschaft 2014 waren die ersten Podestplätze Potsdamer Schwimmer im Rahmen internationaler Langbahn-Championate seit dem Jahr 2003 – eine Olympia-Finalteilnahme wie von Diener in Rio sprang zuletzt 2004 heraus.

Endgültige Entscheidung bezüglich der Bundesstützpunkte im Juli

Ungeachtet der Diskussion um Jörg Hoffmann bedauern Brandenburger Sportfunktionäre derweil das allgemeine Handeln des Deutschen Schwimm-Verbandes in der Causa Bundesstützpunkttrainerstelle. „Wir hatten in den vergangenen 24 Monaten mit keinem anderen Verband so intensive und gute Gespräche wie mit dem DSV. Dabei wurde sich darauf geeinigt, dass das Land Brandenburg in den Prozess der Personalfindung als Partner eingebunden wird und es eine einvernehmliche Lösung mit dem DSV geben soll. Das hat leider – anders als bei anderen Verbänden – nicht stattgefunden“, sagt Karl-Hans Pezold, zuständiger Referatsleiter im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. „Aber gerade der gemeinsame Austausch wäre sinnvoll, um am Ende die geforderte Richtlinienkompetenz für die involvierten, vom Land finanzierten Trainer gut umsetzen zu können. Eine Mediation war angestrebt, blieb aber ohne Umsetzung.“ Wilfried Lausch, Leiter des Olympiastützpunktes Brandenburg, fügt hinzu: „Das ist schade, aber lässt sich ja nachholen. Es müssen sich jetzt alle noch mal zusammensetzen und die Dinge in Ruhe besprechen.“ Ähnlich heißt es auch vonseiten des DSV-Generalsekretärs Jürgen Fornoff.

Es bleibt nämlich auch noch etwas Zeit, wie Karl-Hans Pezold darlegt. Bis zum 31. Juli 2017 solle der Deutsche Olympische Sportbund dem Bundesinnenministerium eine Liste der im Zuge der deutschen Spitzensportreform auserkorenen 165 Bundesstützpunkte aller Sportarten übermitteln, die dann ins Anerkennungsverfahren gehen und ab 1. Januar 2018 gelten sollen. Vorab finden finale Verbandsgespräche statt – für das Schwimmen Anfang Juli. Bis dahin wird hinsichtlich des Standorts Potsdam gewiss noch viel Arbeit auf der sportpolitischen Ebene notwendig sein, denn Ministeriumsvertreter Pezold bekräftigt: „Es soll – und so ist auch das Signal, das wir vom DSV bekommen haben – hier letztendlich den Bundesstützpunkt geben.“ Jener sei eine große Chance, hatte Thomas Luckau, Lehrertrainer und bislang Leiter des Schwimmstützpunktes am Luftschiffhafen, Ende Oktober in einem PNN-Gespräch erklärt, als bereits die Wellen in der heiklen Geschichte hoch schlugen. Und er meinte damals, man wäre doch „bescheuert“, ließe man sich diese Chance entgehen. Sylvia Madeja saß neben ihm und nickte zustimmend.

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