Stadt unter Druck: Was kostet die Kinderbetreuung wirklich?
Ist Potsdams Kitasatzung rechtskonform? Das will die Stadt nun in einer Arbeitsgruppe klären. Elternvertreter stellen viele Fragen - und legen eine ganz andere Kalkulation der Kita-Beiträge vor.
Potsdam - Verlangt die Stadt seit 2016 höhere Kitabeiträge von Eltern in Potsdam, um den eigenen Haushalt aufzubessern? Ist die neue Kitasatzung rechtskonform zustande gekommen? Diese Fragen treiben Elternvertreter, Kitaträger, die Verwaltung und Stadtpolitik um. Potsdams Sozialbeigeordneter Mike Schubert (SPD) hat am Donnerstagabend im Jugendhilfeausschuss eine Arbeitsgruppe zur schnellen Klärung der Situation vorgeschlagen.
Die vom Kita-Elternbeirat erhobenen Vorwürfe, wonach die Stadt mit der 2016 in Kraft getretenen neuen Beitragssatzung nicht nur die Kita-Betriebskosten auf die Eltern umlegen, sondern darüber hinaus auch Mehreinnahmen erzielen könnte, müsse so schnell wie möglich ausgeräumt werden, sagte Schubert den PNN am Rande der Sitzung. Die entsprechende Arbeitsgruppe am Tisch von Schubert soll noch vor der nächsten Sitzung des Ausschusses im November zusammentreten. Angehören sollen ihr nach Anregungen der Ausschussmitglieder neben Vertretern von Verwaltung, Kita-Trägern und Eltern auch Stadtverordnete.
„Wir zahlen diese Beiträge jeden Monat!“
Sollte sich herausstellen, dass der Elternbeirat mit seiner Einschätzung richtigliegt, müssten die Stadtverordneten über die Erarbeitung einer neuen Satzung entscheiden, sagte Schubert. Sein Vorschlag wurde im Ausschuss begrüßt. Auch die Kita-Elternbeiratsvertreter Wiebke Kahl und Andreas Meyer stimmten dem Verfahren schließlich zu. Kahl hatte zuvor in einer emotionalen Ansprache betont, es dürfe sich nicht um eine „Feigenblattarbeitsgruppe“ handeln: „Wir zahlen diese Beiträge jeden Monat!“ Es bestehe „erheblicher Druck“ zur Klärung und „Gefahr im Verzug“, betonte auch Ausschussmitglied Stefan Wollenberg (Linke).
Wie berichtet beschäftigt die Potsdamer Kitasatzung ohnehin auch schon die Gerichte: Der Kitaträger Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat eine entsprechende Klage gegen die Stadt beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht. Demnach will die Awo die Satzung für nichtig erklären lassen. Die Festlegung der Beträge sei „vollkommen willkürlich“, inhaltlich nicht nachvollziehbar und intransparent, heißt es in der den PNN vorliegenden Klageschrift.
Nach eigenen Recherchen kommt der Elternbeirat auf andere Kita-Kosten
Zu einer ähnlichen Einschätzung ist der Kita-Elternbeirat auf Grundlage von Recherchen, Einsicht in die Akten und Rücksprache mit Vertretern unter anderem von Stadt, Land und Stadtpolitik gekommen. Die Satzung sei nicht rechtskonform. Das betreffe bereits das Zustandekommen: Dabei verweisen die Elternvertreter auf ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2016, nach dem den Stadtverordneten, die die Satzung verabschiedeten, eine „ordnungsgemäße Kalkulation der Platzkosten“ vorgelegen hat. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Fragen stellen sich für die Eltern auch bei der festgesetzten Höhe der Beiträge. Der Kita-Elternbeirat hält insgesamt maximal 27 Millionen Euro pro Jahr überhaupt für umlagefähig auf die Eltern – die Stadt gehe dagegen von 49 Millionen Euro aus. In einer eigenen vorläufigen Grobkalkulation auf Grundlage der von der Stadt zur Verfügung gestellten Zahlen sei man zu deutlich geringeren zulässigen Höchstbeiträgen pro Kind gekommen, erläuterte Wiebke Kahl. Demnach wären für die achtstündige Betreuung in der Krippe für Höchstverdiener maximal 226 Euro pro Monat rechtmäßig – laut aktueller Satzung sind es aber 555 Euro. Bei der achtstündigen Kita-Betreuung dürften laut Kahl maximal 196 Euro erhoben werden – tatsächlich liegt der Höchstbeitrag aber bei 330 Euro.
Erhöhung der Kita-Beiträge in Potsdam hat vor allem Besserverdienende getroffen
Die Stadtverordneten hatten die aktuelle Kitasatzung 2015 verabschiedet. Besonders für Besserverdienende hatten sich die Beiträge damit deutlich erhöht, Geringverdienende waren entlastet worden. Die Stadt ringt außerdem seit Jahren um die ausreichende Finanzierung der Kita-Personalkosten durch das Land. Wie berichtet will die Stadt ab 2018 in Vorleistung gehen und 4,5 Millionen Euro für die Erzieher zuzahlen.
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