Interview | Gartendirektor Michael Rohde: So kämpft die Schlösserstiftung gegen die Folgen des Klimawandels
Der Gartendirektor der Schlösserstiftung, Michael Rohde, über den Kampf gegen Folgen des Klimawandels – von Bodenimpfungen über Gentests für Bäume bis zur Bewässerung.
Herr Rohde, wenn es um die Folgen des menschengemachten Klimawandels für die Schlössergärten geht, gibt es schon länger schlechte Nachrichten. Stiftungsdirektor Christoph Martin Vogtherr sprach jetzt in seinem Neujahrsbrief von der „schwersten Krise des Bestandes in der Geschichte unserer Parks“ und „existenziellen Herausforderungen“. Das klingt nach einer neuen Dimension. Wie schlimm sieht es aus?
Die Auswirkungen des Klimawandels verlangen uns immer mehr ab. Es gibt Hitzeperioden, wir haben die 40-Grad-Marke geknackt. Im Sommer, wenn wir Wasser brauchen, fällt immer weniger Niederschlag. Der Boden trocknet aus, die Parkwege erodieren. Hinzu kommen deutlich vermehrt Stürme und Starkregen. Die Totholzbeseitigung, Verkehrssicherungspflicht, Wegeinstandhaltung erfordert deutlich mehr Zeit und finanzielle Mittel. Wir haben auch große Sorge vor neuen Pflanzenschädlingen wie dem Eichenprachtkäfer. Da sehen Sie nur ein kleines Loch in der Rinde: Aber wenn der einmal drin ist, ist die Eiche in zwei Jahren tot. Der Käfer frisst die Kambiumschicht auf, sozusagen den letzten Jahresring, dort, wo das Wasser hochgezogen wird.
Gibt es den schon in den Schlössergärten?
Leider ja. Wie haben ihn seit vergangenem Jahr auf dem Ruinenberg im Park Sanssouci und im Neuen Garten.
Wer mit offenen Augen durch die Parks spaziert, dem fällt der zerrupfte Eindruck im Baumbestand schon auf. Sind die Parks, so wie wir sie kennen oder kannten, überhaupt noch zu halten?
Wenn es gelingt, nachhaltige Anpassungsmaßnahmen mit hinreichenden finanziellen Mitteln auf der Basis unseres Erfahrungswissens und vernetzt mit externen Expertisen zu entwickeln und umzusetzen, können wir die Gärten weiterhin bewahren. Sie leisten wichtige Beiträge in vielerlei Hinsicht: Neben dem Kunst- und Geschichtswert binden sie ähnlich viel Kohlendioxid wie die Wälder, tragen zur Stabilität der Biodiversität bei und erbringen positive mikroklimatische Effekte. Denn die stadtnahen Parks spenden Schatten, binden Staub, sind Orte der Erholung. Sie haben auch ein Riesenpotenzial für die Bildung und Vermittlung.
Wo steht die Stiftung auf diesem Weg?
Wir haben seit 2014, mit dem Kongress „Historische Gärten im Klimawandel“ und der „Erklärung von Sanssouci“, eine Menge auf den Weg bringen können, um unsere Klimaanpassungsstrategie umzusetzen. Seit 2017 – da gab es diesen unglaublichen Orkan im Herbst – haben die extremen Wetterereignisse derart zugenommen, dass das Thema auch politisch oben auf der Agenda steht.
Wo gibt es schon Erfolge?
Der Abbau unseres „Pflegedefizits Gärten“ war ein Paradigmenwechsel nach mehr als 75 Jahren. Die inzwischen bundesweit anerkannten Mehrbedarfe an Fachpersonal für die Pflege der Gärten wurden 2020 seitens unserer Zuwendungsgeber von den Ländern und vom Bund bewilligt, wofür wir sehr dankbar sind. Das ist wirklich großartig! Wir haben nun jährlich neben dem seit 2014 von der Landeshauptstadt mit einer Million Euro geförderten Modellprojekt zusätzlich 3,5 Millionen Euro für zirka 25 weitere Gärtnerstellen.
Sind die schon besetzt?
Zum Teil, wir sind auf einem guten Weg. So wird unser Auftrag der Bewahrung mit unserer Agenda für eine klimaangepasste Gartendenkmalpflege besser erfüllt werden können.
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Was muss ich mir unter klimaangepasster Gartendenkmalpflege vorstellen?
Die Stiftungsgärten haben sich als Wissenschaftslabore zur Klimaanpassung etabliert. Wir sind zum Beispiel Partner des Projekts „KERES“, bis Ende 2023 gefördert vom Bundesforschungsministerium unter Federführung der Fraunhofer-Gesellschaft in Kooperation mit dem Climate Service Center in Hamburg. Da geht es um die Forschung, Kulturgüter vor Extremwetterereignissen zu schützen und die Resilienz zu erhöhen. Wir sind neben dem Kölner Dom und der Hamburger Speicherstadt mit unseren Welterbegärten dabei. Wir erhalten Klimamodelle bis 2100, analysieren die Kritikalität, etablieren eine digitale Wissensplattform und arbeiten an modellhaften Maßnahmen zur Adaption oder Resilienz.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es geht darum, wie wir Wege bei Extremregen besser schützen und Entwässerungen in den Parks optimieren. Ferner untersuchen wir in Testbereichen im Bestand, welches Pflanzenmaterial – nach Arten, Sorte, Größe und Herkunft – sich besser klimaangepasst eignet, unter Hinzuziehung von Kultursubstraten für den Boden.
Also verschiedene Arten von Dünger?
Da Lenné hier vor rund 200 Jahren alles „in den Sand gesetzt“ hat, müssen wir die Bodengüte verbessern. Dafür verwenden wir Substrate, die Wasser und Nährstoffe leichter halten. Das wird inzwischen bei Nachpflanzungen ausprobiert, dokumentiert und wissenschaftlich begleitet. Dazu holen wir uns externes Wissen zum Beispiel von Bodenwissenschaftlern, Hydrologen und Botanikern. Ziel ist auch die Entwicklung von spezifischen Baumschulen. Und es geht um Bodenschutzmaßnahmen, etwa Mulch als Schutz vor Hitze. Zur Förderung des Bodenlebens werden wir auch mit Bodenimpfungen arbeiten.
Bodenimpfungen?
Das ist ein seit 2020 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg gefördertes Projekt des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Bornim mit dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm. Wir stellen dafür Flächen bereit und geben dem ATB Grünmasse. Die machen daraus Huminstoffe.
So etwas wie Humus?
Ja, aber mit einem neuen technischen Verfahren über eine beschleunigte Kompostierung gewonnen. Die Wissenschaftler injizieren das in den Wurzelbereich von angegriffenen Bäumen. Das soll das Wasserbindungsvermögen fördern und aktiv das Boden-Mikrobiom unterstützen. Damit wird die Nährstoffaufnahme der Bäume verbessert. Wenn das in fünf bis zehn Jahren tatsächlich erfolgreich ist, somit bestimmte Baumarten durchhalten und Altbäume gerettet werden können und wir im Sommer eine hinreichende Bewässerung garantieren können, dann bin ich optimistisch.
Aber durch die Trockenheit sind auch schon Bäume zu Hunderten verloren gegangen. Was passiert dann?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gartendirektion haben inzwischen Gehölzentwicklungspläne zur Klimaanpassung erarbeitet. Das sind Denkmalkonzepte im Detail. Es wird nicht nur geklärt, wo nachgepflanzt werden muss, sondern auch wie. Anstelle der Deutschen Stieleiche wird zum Beispiel mit der Traubeneiche oder der Zerreiche experimentiert. Die Rotbuchen sind besonders gefährdet, weil sie eine dünne Rinde haben und Flachwurzler sind. Die brauchen ein feucht-gemäßigtes Klima.
Also sehen wir in der Zukunft keine Rotbuchen mehr in den Parks?
Wir werden trotzdem versuchen, diese Bäume mit Starthilfen für Entwicklung und Anwuchs testweise nachzupflanzen. Wir müssen unserem konservatorischen Auftrag weiterhin nachkommen, die von Lenné gewollte Konzeption auch der nächsten Generation nicht nur mit Plänen zu erklären, sondern auch vor Ort zu präsentieren! Wir arbeiten auch mit genetisch angepasster Naturverjüngung.
Was ist das?
Wir lassen auf Initiative der hessischen Schlösserverwaltungen in Bad Homburg und Kassel von der Universität Kassel und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt das genetische Material von Bäumen aus unseren Parks untersuchen, zum Beispiel Blutbuchen, um ihre Herkunft festzustellen, welche Botschaften und Eigenschaften sie in sich tragen. Wir starten dazu gerade mit 13 staatlichen Gartenleitenden der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen das wichtige Projekt „Handlungsstrategien Klimaanpassung Gärten“, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Sie machen die widerstandsfähigen Exemplare ausfindig und züchten die gezielt nach?
Ja. Wir müssen experimentieren, kultivieren unsere historischen Arten, auch durch Aussaaten, über längere Zeiträume. Es wäre sehr traurig, wenn wir anstelle der historischen Gehölzvielfalt in Zukunft nur noch Robinien oder Kiefern hätten. Sehen Sie, die Gartenkunst hat kunstgeschichtlich ähnliche Schichten wie bei Gemälden und Gebäuden: Der frühe Landschaftsstil in Wörlitz Ende des 18. Jahrhunderts unterscheidet sich rund 50 Jahre später vom reifen Landschaftsstil und der Lennésche Stil unterscheidet sich wiederum vom Pücklerschen. Jeder historische Garten hat seine spezifische Biographie. Das gilt es in der Gartendenkmalpflege als Konservierungswissenschaft in stets fruchtbarer Zusammenarbeit mit den Landesdenkmalämtern zu beachten. Wir können nicht einfach die von Lenné bewusst kombiniert punktgenauen Pflanzungen durch völlig andere Bäume ersetzen.
Stichwort Bewässerung: Die Stiftung hat im vergangenen Jahr für ein Projekt gemeinsam mit der Landeshauptstadt 2,5 Millionen Euro Bundesfördermittel erhalten. Was ist da genau geplant?
Wir haben gemeinsam mit dem Bereich Klima und Grünflächen im Rathaus ein Konzept zum „Innovativen Wassermanagement Potsdam“ entwickelt. Der städtische Teil der Gelder, ein Drittel der Förderung, fließt unter anderem in Krampnitz. Wir als Stiftung wollen mit unserem Teil – endlich, nach mehr als 150 Jahren – in Zusammenarbeit mit unserer Baudenkmalpflege die Wasserleitungssysteme aus Gusseisen im Park Sanssouci und im Neuen Garten sanieren. In Babelsberg passiert das über das Sonderfinanzierungsprogramm. Damit wird nun die Funktionsfähigkeit der kilometerlangen Rohre überprüft. Zur Reparatur sollen dann mittels „Inliner-Verfahren“ neue Rohre in die alten Gussformen gezogen werden, ohne durchgehend den Boden aufzugraben. Oder wir legen eine Leitung daneben und lassen das technische Denkmal unberührt.
Eine Sanierung ist sicher notwendig, aber wo ist da die Innovation?
Es geht auch um neue technische Möglichkeiten, das Wasser gezielter einzusetzen, zum Beispiel mit einer Tröpfchenbewässerung. Denn bei einem großen Sprenger verdunstet viel Wasser. Auch die Tageszeit spielt eine Rolle – günstiger ist eine Bewässerung am frühen Morgen oder späten Abend. Alles soll über eine automatische Steuerung laufen. Wir werden über Sensoren die Bodenfeuchte messen können, alle 30 Minuten werden die Daten übermittelt. Wir können so auch darstellen, wie viel Bodenwasseranreicherung wir mit unserer Bewässerung benötigen. Wir hoffen, dass wir endlich nicht mehr mit dem Wasserwagen herumfahren müssen – oder die Fontänen abschalten, in den zunehmend heißen Sommertagen.
Sie haben vorhin vom Potenzial zur Bildung und Vermittlung gesprochen. Was passiert auf diesem Feld?
Unser 2020 mit dem Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS durchgeführte internationale Kongress „Historische Gärten und Gesellschaft“, gefördert von der DBU, hat mit mehr als 80 Beiträgen mächtig viele Impulse geliefert. So haben wir in Kooperation mit unserer Abteilung Bildung und Marketing derzeit zwei neue Projekte auf Schiene gebracht. Bei „Young Climate Action for World Heritage“ unter Federführung des Institute Heritage Studies ist Potsdam als eine von sechs Welterbestätten dabei. Wir werden das Potenzial des Welterbes Gärten als Lernort sichtbar machen, mit Handreichungen und Seminaren als Praxisimpulse.
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Sie arbeiten mit Schulen zusammen?
Das startete schon 2020. Beim Projekt „Grüne Zukunft pflanzen“ arbeiten wir mit rund 15 Schulen. Wenn zum Beispiel die Gärtnerinnen und Gärtner eine Pflanzung vornehmen, die sowieso geplant war, dann machen die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung mit. Das ist ein Erlebnis, welches sie nie vergessen! Sie stellen Fragen, erfahren viel und bekommen so ein Gefühl dafür, dass sie sich an einem besonderen Ort befinden. Das zweite Projekt ist ein Citizen Science Projekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig, es heißt „Pflanze Klimakultur!“. Hauptpartner sind die Botanischen Gärten in Berlin, Halle, Jena und Leipzig. Wir stellen befristet Pflanzbeete für Bürgerinnen und Bürger. Eines ist im Botanischen Garten in Potsdam geplant, das zweite im Schlossgarten Charlottenburg in Berlin.
Die Bürger werden Pflegepaten?
Ja, da geht es um Stauden, wie sie auch in den Stiftungsgärten vorkommen. Die Bürgerinnen und Bürger pflegen das Beet – zwei mal drei Meter – und erfahren, was sich damit alles verbindet. Das Projekt wird von Botanikern begleitet, die dann auch von uns lernen.
Herr Vogtherr spricht bei der Rettung der Schlössergärten von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Ist er zu gewinnen?
Wir sind – mit dem Abbau des Pflegedefizits – ein ganzes Stück weiter als noch vor drei Jahren. Wichtig ist zu erkennen, dass wir zur Klimaanpassung auch zukünftig Geld brauchen. Das bekommen wir nur zum Teil über die Forschungsprojekte. Gärten sind besonders umweltabhängig. Und: sie sind die einzigen lebenden, daher regenerierbaren Denkmale – anders als Gemälde oder Architekturen. Die Gärtnerinnen und Gärtner müssen deshalb auch einen langen Atem haben. Nach einer Instandsetzung ist die Arbeit nicht fertig. Es braucht ständige Fachpflege. Die Teilhabe der Gesellschaft an diesen Aufgaben fördert eine ethische Orientierung zu einem neuen Mensch-Natur-Verhältnis. Eine nachhaltige Unterstützung der Politik ist wichtig.
Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?
Die Gartenkunst mit ihrer rund 6000-jährigen Kulturgeschichte stellt ein derart großes Potenzial an Bindung und Identifikation für uns Menschen dar, dass nicht in Frage stehen kann, die historischen Gärten angemessen zu bewahren – als Kulturgut und ihrer Flora und Fauna wegen. Die Natur, ob gestaltet oder unberührt, bekommt einen immer höheren Stellenwert für uns Menschen, auch für die Psyche und die Gesundheit. Für unsere Agenda der klimaangepassten Gartendenkmalpflege erhoffen wir uns daher Interesse und Förderung. Das muss es uns allen in Zeiten großer Umweltzerstörungen und gesellschaftlicher Transformationen wert sein.
Das Gespräch führte Jana Haase
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