Umstrittenes Bauprojekt in Neu Fahrland: „Roter Teppich für Investoren“
Anwohner des Potsdamer Stadtteils drohen mit Klage gegen Baupläne für die Nedlitzinsel – und fühlen sich von SPD und Grünen verraten.
Potsdam- Im Streit um die Bebauung der letzten großen Brachfläche auf der Nedlitzinsel von Neu Fahrland werfen jetzt Anwohner Teilen der Stadtpolitik Wortbruch vor und drohen mit juristischen Schritten. Das wurde bei einer digitalen Bürgerversammlung am späten Freitagabend und am Sonntag auf PNN-Anfrage deutlich. Selbst Strafanzeigen stehen im Raum.
Es geht um die Pläne für mehr als zehn Drei- bis Fünfgeschosser zwischen der Bundesstraße und dem Ufer der Insel. Ermöglicht würden so insgesamt rund 29 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für vor allem Wohnungen, aber auch für Gewerbe. Als Projektentwickler hatte sich das Leipziger Unternehmen Quarterback vorgestellt und auch von einer Tiefgarage mit 400 Stellplätzen gesprochen. Die Pläne dafür werden derzeit im Bauausschuss diskutiert, eine Mehrheit dafür gilt inzwischen als durchaus vorstellbar.
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Entsprechend groß ist der Ärger bei Kritikern, neben Neu Fahrlands Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis) auch etliche Anwohner. Diese trafen am Freitagabend virtuell auf die Stadtverordneten Saskia Hüneke (Grüne) und Pete Heuer (SPD). Diese hatten kurz vor der Kommunalwahl 2019 einen Beschluss mitinitiiert, wonach sich die Dichte der Bebauung auf der Brache nicht an der Dichte der gegenüberliegenden Straßenseite orientieren solle, also dort niedriger gebaut werden soll.
Doch die aktuellen Pläne würden diesen Beschluss ignorieren, hieß es mehrfach. Über die Bedenken der Anwohner dürfe man sich nicht hinwegsetzen, sagte Klockow. Hier werde „ein roter Teppich für die Investoren“ ausgerollt, ärgerte sich auch Wilhelm Wilderink von der Bürgerinitiative „Rettet die Nedlitzinsel“. Den PNN sagte er am Samstag, man werde mit aller Macht gegen die Pläne vorgehen, auch rechtlich: „Die Klagen sind bis zum Oberverwaltungsgericht durchfinanziert.“
Auch Strafanzeigen schloss er nicht aus. Denn aus Sicht der Anwohner könnte es einen Zusammenhang geben zwischen den Quarterback-Investoren, die zu 40 Prozent dem Konzern Deutsche Wohnen gehören, und den bekanntlich in Potsdam ebenso umstrittenen Plänen der Stadt für das neue Viertel in Krampnitz, wo die Deutsche Wohnen der bisher größte Privatinvestor ist.
Wilderink hat den Verdacht, dass mit den Bauten auf Nedlitzinsel versucht werden könnte, die Probleme, die für die Deutsche Wohnen durch Verzögerungen in Krampnitz entstanden seien, wirtschaftlich auszugleichen. Bei der Vorstellung des Projekts hatten Quarterback-Vertreter aber betont, man sei kein Teil der Deutsche Wohnen. Es gebe nur eine Minderheitsbeteiligung: „Wir können frei agieren.“
Auch Hüneke und Heuer wiesen Kritik an den Plänen zurück. So verwies Heuer auf PNN-Anfrage auf die Notwendigkeit von Geschosswohnungsbau in Potsdam – eine Einfamilienhaussiedlung werde es auf der Insel jedenfalls nicht geben. Die Anwohner lud er ein, im Bauausschuss oder an anderer Stelle zu präzisieren, wo ihnen Beeinträchtigungen durch die Pläne entstehen würden. Die Ecke sei über Jahre hinweg wenig einladend gewesen. Allerdings könne man über Baumassen noch diskutieren, sagte er. Hüneke hatte bereits in der Sitzung erklärt, im Vergleich zu den alten Planungen habe der neue Entwurf für das Areal gewonnen, auch architektonisch.
Kritik aus den Reihen der CDU
Kritik an den Plänen kam hingegen von der CDU und deren Stadtverordneten Wieland Niekisch: Der Landschaftsraum sei zu sensibel für eine so dichte Bebauung. Ob das aber reicht, um gegen die Pläne eine Mehrheit im Stadtparlament zu organisieren, scheint fraglich.
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Die Einfahrt nach Potsdam werde mit den Bauten ruiniert, diese widersprächen dem Flächennutzungsplan, sagte Freitagabend eine Anwohnerin. Zu Wort kam auch Karl-Ludwig Böttcher, früherer Geschäftsführer des Brandenburger Städte- und Gemeindebundes, der als Pensionär gegen die Pläne streitet. Er stellte in Frage, dass Potsdam weiter eine derartige Siedlungsverdichtung wolle: „Was soll ein Fünfgeschosser am Sacrow-Paretzer-Kanal?“ Die Investoren-Interessen müssten zurückstehen. Er kritisierte zudem, dass Vertreter des Investoren bei einem Werkstattverfahren zum Projekt hätten mitstimmen dürfen. „Das habe ich in meiner ganzen Berufslaufbahn nicht erlebt.“
In Neu Fahrland ist der Ärger über die Stadtpolitik allgemein groß, gibt es auch Klagedrohungen gegen die geplante Tramtrasse nach Krampnitz – auch diese wurden bei der virtuellen Runde bekräftigt.