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Das Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
© Andreas Klaer

Rote Zahlen nach Tarifrückkehr: Potsdamer Klinikum droht massive Finanzkrise

Die Tarifrückkehr des Bergmann-Klinikums zieht das kommunale Unternehmen tief in die roten Zahlen. Im Hauptausschuss wurde darüber hinter verschlossenen Türen debattiert.

Potsdam - Dem kommunalen Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ droht nach dem schweren Corona-Ausbruch im März jetzt ein finanzielles Fiasko. Darüber haben die Bergmann-Interimschefs nach PNN-Recherchen am Mittwochabend die Stadtverordneten in nicht-öffentlicher Sitzung des Hauptausschusses informiert. Hintergrund ist der vor allem von der Rathauskooperation aus SPD, Grünen und Linken getragene Beschluss zur Rückkehr des Klinikums in die Tarifbindung des öffentlichen Dienstes zum 1. Juni dieses Jahres.

Lohnsteigerungen kosten mehr als 30 Millionen Euro

Die erhöhten Lohnkosten könnten nach einer Risikobetrachtung dazu führen, dass das Bergmann bis zum Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 34,4 Millionen Euro anhäuft, sollen die Interimschefs Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmid die Stadtverordneten im Ausschuss gewarnt haben. Wenn der bereits bekannte Investitionsbedarf des Krankenhauses dennoch erfüllt werden solle, habe das kommunale Klinikum einen Zuschussbedarf von fast 70 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre, sollen die Geschäftsführer den Kommunalpolitikern vorgerechnet haben.

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Allerdings reagierten die Kooperationspartner nach PNN-Informationen mit Gelassenheit: Es werde sich schon eine Finanzierung finden lassen, hieß es. Und: Ähnliche Zahlen habe auch schon die frühere Hausleitung nicht plausibilisieren können. Zudem setze man auf Land und Bund und darauf, dass diese mehr zahlen - was sich aber bisher stets als Irrglaube erwiesen hat.

Nach PNN-Informationen soll Potsdams Kämmerer Burkhard Exner (SPD) bereits im Vorfeld faktisch ausgeschlossen haben, dass das Bergmann Geld aus der Stadtkasse bekommt – auch vor dem Hintergrund der Coronakrise und vermutlich drastisch sinkenden Steuereinnahmen sei maximal eine Bürgschaft möglich. Die SPD-Fraktion soll diesen Kurs von Exner unterstützen und einen Sanierungsplan für das Klinikum fordern. Man müsse auch die geplanten Ausgaben und Investitionen betrachten, hieß es im Anschluss aus Kreisen der SPD-Fraktion.

Verweise auf die Gewinnrücklage

In der Sitzung soll es aus der SPD und auch von den Linken mehrere Verweise auf die Gewinnrücklage des Bergmann-Konzerns gegeben haben. Diese lag nach dem Geschäftsbericht des Klinikums Ende 2018 bei rund 50 Millionen Euro. Ein Ansinnen ist offenkundig, dass das Klinikum die erhöhten Kosten aus diesem Topf bestreitet. "Eine Gewinnrücklage ist eine Gewinnrücklage", sagte ein Kooperationspartner. Andere Stadtverordnete befürchten einen Verschleiß des Hauses durch einen solchen Kurs. Das Klinikum könnte, wenn die Rücklage aufgebraucht ist, von Banken abhängig werden.

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Im Klinikum selbst wird nach PNN-Informationen unter Mitarbeitern bereits befürchtet, die Landeshauptstadt als alleiniger Gesellschafter des Bergmann könnte sich im Angesicht großer finanzieller Probleme entscheiden, erst auf einen Sanierungskurs für das Haus zu setzen - und dann, bei einem möglichen Scheitern, auf einen Verkauf des Bergmann und seiner zahlreichen Töchter und Beteiligungen. Bekanntlich sind private Klinikkonzerne bereits jetzt stark in der Region vertreten. Fraglich erscheint zudem, ob ein Sanierungskurs auch Personalabbau bedeuten würde.

Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmidt (v.l.) sind die  kommissarischen Leiter des Klinikums.
Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmidt (v.l.) sind die  kommissarischen Leiter des Klinikums.
© Andreas Klaer

Das Klinikum steckt ohnehin in der Krise

Mit der Finanzproblematik erscheint die derzeitige Krise des Bergmann-Klinikums zunehmend komplexer. Das Krankenhaus, in dem seit dem 26. März 45 Menschen an oder mit einer Corona-Infektion gestorben sind, wird derzeit nach einem bundesweit einmaligen Konzept in drei separate Bereiche geteilt, um Patienten und Mitarbeitern bestmöglichen Schutz vor Infektionen zu bieten. Dafür muss das Haus die Zahl der Betten vorerst von 900 auf 600 am Standort in Potsdams Innenstadt reduzieren. Dies bedeutet weniger Einnahmen, zugleich wird die gleiche Zahl an Personal für den Betrieb benötigt. Zudem sind Investitionen in Umbauten und neue medizinische Geräte notwendig.

Die Interimschefs hatten in einer eigenen Analyse zum Corona-Ausbruch im März Fehler und Versäumnisse des Klinikums festgestellt; allein in der Geriatrie waren nach Klinikumangaben 64 der 70 Patienten infiziert, 24 von ihnen starben. Eine Untersuchungskommission soll im Auftrag des Klinikum-Aufsichtsrats den Ausbruch und die Ursachen aufklären; die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft weiterhin, ob Ermittlungen aufgenommen werden müssen, auch gegen die von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) beurlaubte Geschäftsführung.

Corona-Prämie auch für Tochterunternehmen

Im Bergmann-Klinikum arbeiten nach Angaben des Konzerns 2370 Menschen, am Standort Potsdam insgesamt 3460. Rund 2000 von ihnen sollen die von der Stadt als Gesellschafter ausgelobte Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro bekommen. Dabei soll das Klinikum nach PNN-Recherchen planen, die Prämie vornehmlich an jene auszuzahlen, die tatsächlich am Patienten arbeiten und dabei besonders die Mitarbeiter zu berücksichtigen, die weniger verdienen.

Verwaltungsmitarbeiter, leitendes Personal, Chefärzte und andere Gutverdiener sollen die Prämie nicht bekommen, soll es im Hauptausschuss geheißen haben. Es handele sich um einen Verfahrensvorschlag, hieß es aus der Rathauskooperation. Ob die Stadt als Gesellschafter damit einverstanden ist, scheint derzeit noch unklar: Oberbürgermeister Schubert, alleiniger Gesellschaftervertreter des Klinikums, nahm wegen eines Corona-Verdachts in seinem erweiterten Umfeld nicht an der Sitzung des Hauptausschusses teil. Diesen leitet er im Normalfall.

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