Potsdams Festivalsommer im Coronajahr: Zeichen, dass es weitergeht
Natürlich wird der Festivalsommer 2020 nicht das, was Kulturfreunde sich von ihm erhofft haben. Die gute Nachricht jedoch: Es wird ihn geben. Was kann wie stattfinden? Ein Überblick.
Potsdam - Ein Kreuz. Mehr braucht es nicht, um das ganze Drama der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, ja des ganzen Festivalsommers 2020 auf den Punkt zu bringen. Auf der Webseite des Festivals ist Friedrich II. zu sehen, mit rosa getönter Nickelbrille. Außerdem steht da das geplante Festivalmotto: „Flower Power“. Daneben die Jahreszahl 2020. Sie ist durchgestrichen. Die Musikfestspiele finden in diesem Jahr, dem Coronajahr, nicht statt.
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Die tröstliche Nachricht: Der Alte Fritz wird im kommenden Jahr noch einmal rosa tragen dürfen. Das Festivalprogramm, das zweite unter der neuen Leiterin Dorothee Oberlinger, entfällt nicht, es wurde nur verschoben. Es soll nun vom 11. bis zum 27. Juni 2021 stattfinden. Und inzwischen haben die Musikfestspiele sogar ein Trostpflaster für 2020 bekanntgegeben: Es wird auch dieses Jahr ein hochkarätig besetztes, live übertragenes Konzert im Neuen Palais (21. Juni) sowie zwei Wandelkonzerte durch Potsdamer Parks (13. Juni) geben. Dennoch: Corona hat nicht nur den Musikfestspielen einen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern dem gesamten Festivalsommer 2020 seinen Stempel aufgedrückt. Programme wurden ausgedünnt, verändert, verschoben. Einiges muss auch vollständig entfallen. Jedoch: Es wird ihn geben, den Festivalsommer. Eher ein Sommerchen als der gewohnt prall gefüllte Sommer vielleicht, aber immerhin. Was kann also wie stattfinden? Ein Überblick.
Die schlechten Nachrichten zuerst: Was völlig ausfällt
Die Veranstalter von Klassik am Weberplatz sagten Anfang Mai bereits ihr diesjähriges Konzert ab. Vor wenigen Tagen wurde bekanntgegeben, dass auch der größte Besuchermagnet in der Schiffbauergasse 2020 ausfallen wird: das für den 22. und 23. August geplante Kurzfestival Stadt für eine Nacht wird nicht stattfinden. Bis zu 30.000 Besucher zog das 24-Stundenfestival in den letzten Jahren an. Das geplante Festivalmotto „MitMachen!“ haben sich die Veranstalter für das nächste Jahr aufgehoben. Das genaue Datum steht noch nicht fest.
Auch der Internationale Orgelsommer Potsdam wurde abgesagt - ausgerechnet im Jahr seines 30. Jubiläums. Geplant waren Konzerte an fünf Kirchen in der Innenstadt - Nikolaikirche, Friedenskirche, Erlöserkirche, St. Peter und Paul und Französische Kirche. Insgesamt 23 Konzerte sollte es zwischen Ende Mai und September geben. Es werde versucht, die aus aller Welt geladenen Künstler im nächsten Jahr erneut einzuladen, heißt es von Veranstalterseite. Auch prüfe man, inwiefern ein „digitales Konzerterlebnis“ möglich sei.
Lit:Potsdam: Verkleinert und in den August verschoben
Das Literaturfestival Lit:Potsdam sollte ursprünglich vom 2. bis 7. Juni stattfinden. Statt sich Corona völlig zu beugen, haben die Veranstalter jetzt eine verknappte Festivalausgabe für die Zeit vom 4. bis 9. August angekündigt. Wer genau von den geladenen Gästen im August kommen können wird, welche Formate wie angekündigt durchgeführt werden können, steht noch nicht fest. Als Writer in Residence hatte das Festival in diesem Jahr Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk gewonnen. Aufgrund der andauernden internationalen Reisewarnungen ist aber noch nicht abzusehen, ob der türkische Schriftsteller im August nach Potsdam kommen kann. Sicher jedoch ist: Es wird wie geplant im Kunstraum eine Ausstellung mit Fotografien von Pamuk geben.
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Und das Festival nutzt die veränderten Vorzeichen, um einen Familientag einzuführen: Zusätzlich zum Bücherfest, das erstmals in den Treffpunkt Freizeit verlegt wird, öffnet sich der Park der Villa Jakobs einen Tag lang für Familien. Die Lesungen mit dem britischen Autor Julian Barnes und dem Schweizer Martin Suter hingegen wurden bereits abgesagt. Karin Graf, Kuratorin des Festivals, äußerte sich dennoch zuversichtlich, dass ein anspruchsvolles, wenn auch verkleinertes Programm zu erleben sei. Ohnehin gehe es in diesem Jahr vor allem darum, ein Zeichen zu setzen, „dass es auch in der Literatur mit Lesungen und Auftritten vor leibhaftig anwesendem Publikum weitergeht“.
Tanztage: Ein halbes Festival und ein verschobenes Jubiläum
Als „Lebenszeichen“ bezeichnet fabrik-Leiterin Sabine Chwalisz die diesjährige Ausgabe der Potsdamer Tanztage. Ursprünglich sollte es ein ganz besonderes Festival werden: Die Tanztage wollten eigentlich ihr 30-jähriges Jubiläum begehen. Eröffnen sollte ein Abend über Nordkorea. Dann kam Corona, die geplante Ausgabe im Mai musste entfallen. Stattdessen findet nun vom 6. bis 16. August ein „halbes Festival“ statt, wie Festivalleiter Sven Till es nennt. Viele der internationalen Gäste können zum neuen Termin nicht kommen. Was dennoch möglich ist, wird derzeit noch geprüft. Das Programm wird im Juni vorgestellt. Und es gibt schon einmal das Versprechen: Der runde Geburtstag wird 2021 nachgeholt. Mit einem völlig neuen Programm.
Intersonanzen: Verschobene Jubiläumsausgabe im August
Auch Potsdams Festival für Neue Musik feiert ausgerechnet im Coronajahr Geburtstag: Die Intersonanzen begehen 2020 ihr 20. Jubiläum. Statt wie geplant im Mai steigen die Feierlichkeiten unter dem etwas sperrigen Motto „WEG_ASPEKT:DISKURS“ nun vom 20. bis 24. August. „Wichtigstes Ziel des Festivals in seinem Jubiläumsjahr ist es, die Musikschaffenden mit dem Publikum, mit Experten und besonders auch miteinander ins Gespräch zu bringen“, sagt Thomas Gerwin, der das Festival seit 2017 leitet. Seitdem setzt er sich dafür ein, das Festival und die Neue Musik generell vom Nimbus der Nischenkultur zu befreien.
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Austragungsort ist erneut das Kunsthaus sanstitre - und die Potsdamer Innenstadt. Aus Konzerten, experimentellem Musiktheater, einer Begleitausstellung, einem Workshop, einem Symposium zu „20 Jahren Intersonanzen“, einem Soundwalk sowie zahlreichen Künstlergesprächen will Gerwin einen „anregenden Programm-Parcours durch wichtige künstlerische Ansätze aktueller klingender Kunst“ stricken. Ein Angebot, das sich dezidiert nicht nur an Fachleute richtet, sondern auch an ein Publikum, das die nötige Neugier und Offenheit für neue Formen mitbringt.
Schirrhofnächte: Openairtheater made in Brandenburg
Aus dem T-Werk wird ebenfalls Erfreuliches vermeldet. Pünktlich zum Sommeranfang wird dort die Openairsaison eingeläutet: Am Wochenende um den 20. und 21. Juni sowie an weiteren Wochend-Terminen soll hier Openairtheater für Familien auf dem Schirrhof stattfinden, unter anderem die Inszenierung von „Die Regentrude“, die im vergangenen Jahr
Premiere feierte.
Auch die vom T-Werk initiierten Schirrhofnächte sollen in diesem Jahr wieder stattfinden, erneut im Spätsommer. Vom 29. Juli bis 9. August wird hier Brandenburger Theater gezeigt. Eingeladen ist unter anderem das Neue Globe Theater mit seiner neuesten Inszenierung „Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit“, die während der Schirrhofnächte Premiere haben wird. Aus Brandenburg ebenfalls mit dabei: das Ton und Kirschen Wandertheater, teatreBLAU, Etta Streicher, das Theater Nadi, die nebenan im Waschhaus beheimatete Oxymoron Dance Company, das red dog theater und crabs & creatures.
Localize: Im Stadtgebiet auf der Suche nach dem „Zentrum“
Das Festival Localize konnte im vergangenen Jahr nach vierjähriger Pause erstmals wieder stattfinden und will trotz Corona wieder auf Formatsuche gehen. Noch bis zum 31. Mai werden Ideen für coronakompatible Kunstformate im Stadtgebiet gesucht. „Shock Center“ lautet das Thema in diesem Jahr - Schockzentrum. Es stellt die Frage nach Zentrum und Peripherie, nach Verdrängung im räumlichen wie im übertragenen Sinne: „Wer oder was bestimmt die Zentren unserer Städte und was wird an den Rand gedrängt? Was wollen wir ins Zentrum einer offenen Gemeinschaft stellen? Was hält uns zusammen und wie lässt sich ,Zentrum' nach dem Corona-Schock neu denken?“
Vom 17. September bis 17. Oktober will das selbst ernannte „Festival für Stadt Kultur und Kunst“ wieder Potsdamer Stadtgebiet künstlerisch vereinnahmen. Erklärtes Ziel der Macher ist es, „den öffentlichen Raum in künstlerischen Positionen, partizipativen Formaten und spielerischen Annäherungen einen Monat lang wiederzuentdecken“. Im vergangenen Jahr wurde an einem Wochenende die Freundschaftsinsel bespielt, 2020 geht es für einen Monat in das gesamte Potsdamer Zentrum.
„Wir haben lange überlegt, ob und wie das Festival überhaupt stattfinden kann“, sagt Jana Kamm aus der Produktionsleitung des diesjährigen Festivals, „aber wir möchten unseren Beitrag zu einer lebendigen Kulturszene in Potsdam trotz der Pandemie leisten.“ Neue, dezentrale Formate sollen das möglich machen. Formate, die noch zu finden sind – und die nicht ins Digitale ausweichen sollen. „Kunst muss sichtbar bleiben“, sagt Doreen Löwe, Mitglied des Vereinsvorstands von Localize. „Sie kann uns im Vorbeigehen ergreifen oder durch Blicke berühren. Das ist jetzt wichtiger denn je.“
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