Musikfestspiele Sanssouci: Die Gipfelstürmerin
Landauf, landab wird die Musikerin von der Presse gefeiert: Die Starflötistin Dorothee Oberlinger übernimmt ab September 2018 die Leitung der Musikfestspiele Sanssouci. Was hat sie in Potsdam vor?
Potsdam - Die Königin der Blockflöte: So feiert die Fachpresse landauf, landab die Frau, die ab dem 1. September 2018 die Künstlerische Leiterin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci sein wird. Wo es um Dorothee Oberlinger geht, regieren Superlative. Durch sie wird die verpönte Blockflöte zur Diva, heißt es unter anderem.
In der persönlichen Begegnung ist die Königin zuvorkommend, fast bescheiden. Kein Hofstaat, keine Allüren, schlichtes Schwarz. „Die künstlerische Leitung der Musikfestspiele zu übernehmen, ist für mich eine unglaubliche Ehre“, sagt die Flötistin so als zählte sie, die dreifache Trägerin des „Echo Klassik“-Preises, nicht seit Jahren zu den Großen ihres Faches. Aber sie ist sich der Größe der Fußstapfen, in die sie tritt, bewusst. Andrea Palent, deren Nachfolge Dorothee Oberlinger 2018 antreten wird, leitet die Musikfestspiele seit 1991. Sie hat dafür gesorgt, dass das Festival in der europäischen Musikszene eine feste Größe ist – Dorothee Oberlinger nennt es schlechthin „das Festival für Alte Musik“. Im Jahr 2003 spielte sie selbst zum ersten Mal hier, vor zwei Jahren eröffnete sie mit ihrem Ensemble 1700 dann in der Friedenskirche sogar die Saison.
Dorothee Oberlinger hat eine spezielle Verbindung zu Potsdam - sie reicht fast 300 Jahre zurück
Dorothee Oberlinger, Jahrgang 1969, hat also über die Flöte schon jetzt ihre ganz eigene Verbindung zu Potsdam – eine Verbindung, die, so könnte man sagen, vor fast 300 Jahren ihren Anfang nahm. Dass Dorothee Oberlinger am Ende ihres Schulmusikstudiums ihre Staatsarbeit über die Flötenkammermusik von Friedrich II. schrieb, war Zufall – ein prägender allerdings. Im Frühjahr 2017 erschien die CD „Rococo“, mit der sie die legendären Kammermusikabende Friedrich II. wieder aufleben ließ. Der alte Fritz spielte zwar die Traversflöte, ließ aber in seinen Soireen auch die Blockflöte gelten. Schon seinetwegen, dem Flöte spielenden König, fühlt sich Dorothee Oberlinger Potsdam und seiner Geschichte besonders verbunden. Natürlich, sagt sie, will sie auch hierherziehen. Ihr 2018 beginnender Vertrag bindet sie für fünf Jahre an Potsdam.
Die Nähe wird sich auch in dem Programm ausdrücken, das Oberlinger für 2019 gerade entwickelt. Einen Tag der Flöte wird es geben, an dem Flöten verschiedenster Herkünfte vorgestellt werden, nicht nur bekannte europäische Modelle, sondern auch asiatische oder arabische. Neben der Flöte wird Oberlinger, die selbst etwa 100 verschiedene Modelle besitzt, eine zweite, später entdeckte Liebe mit nach Potsdam bringen: das Dirigat. Im Mai dirigierte sie eine viel beachtete Aufführung von Händels Oper „Lucio Cornelio Silla“ bei den Internationalen Händel-Festspielen in Göttingen – etwas, das sie in Potsdam unbedingt fortführen will.
Potsdam als Ort der Künstler - nicht nur aus der Musik
An Potsdam begeistert sie das Nebeneinander von Spielstätten aus verschiedenen Jahrhunderten. „Das Besondere an der Stadt ist für mich, dass hier eine Art Gipfeltreffen der Künste stattfindet, eine ganz besondere Art der Verknüpfung. Es war immer ein Ort, wo sich verschiedenste Künstler getroffen haben – nicht nur Musiker, sondern auch Künstler aus Baukunst, Gartenkunst, Philosophen, Poeten, sogar Kochkünstler.“
Ein solches „Gipfeltreffen der Künstler“ in Konzerten erlebbar zu machen, ist das Herzstück des Konzepts, mit dem sie sich für die Musikfestspiele beworben hat – und eine konkrete Neuerung gegenüber dem von ihr viel gelobten Programm von Andrea Palent. Künstler aus verschiedenen Sparten sollen ab 2019 hier zusammenkommen – und das Publikum nahe an sich heranlassen. Das ist Oberlinger wichtig. Sie schwärmt von kleinen Formaten, intimen Orten, wo „man die Leute atmen hören kann“. Die Musikfestspiele will sie weiterhin in der Tradition der historischen Aufführungspraxis leiten – Musik auf originalen Instrumenten, in historischer Spielweise. „Von hinten auf jedes Kunstwerk draufschauen“, nennt sie das, den musikhistorischen Hintergrund eines Stücks mitdenken. Ohne dabei freilich zu vergessen, wo dieses Stück gespielt wird: heute, hier. In der Musik interessiert sie die Sehnsucht nach dem Fremden, nach einem Traum, der sich in jeder Kunstform, in jedem Schloss zeigt – einerseits. Andererseits die Frage: Was hat die Musik mit dem einzelnen Zuhörer heute zu tun?
Warum nicht in der Sternwarte?
Dorothee Oberlinger ist seit 2004 Professorin am Mozarteum in Salzburg, wo sie auch das Institut für Alte Musik leitet. 2018 wird sie die Leitung abgeben, die Verbindung zum Nachwuchs aber will sie weiter pflegen. Seit 2009 ist sie zudem Künstlerische Leiterin der Barockfestspiele Bad Arolsen, Hessen. Ein kleines Städtchen, das Festival nur ein langes Wochenende. Dennoch eine gute Vorbereitung auf die mit rund 1 Million Euro Etat versehenen Musikfestspiele: Die Nähe zwischen Stars und Publikum hat sie in Bad Arolsen ausgelotet, Formate für junges Publikum entwickelt (was für Potsdam ein großer Schwerpunkt wird) und Populärem Raum gegeben, für die Bindung an die Stadt.
Formate wie die Fahrradkonzerte will Oberlinger also unbedingt behalten. Auch ein jährlich gesetztes Thema soll es weiterhin geben. Das für 2019 steht bereits, in groben Zügen: „Die Musen“, nach dem Musenrondell am Schloss Sanssouci. Die Suche nach neuen Orten reizt sie sehr, ist aber angesichts der extrem umtriebigen Vorarbeit von Andrea Palent ein Unterfangen, das Zeit braucht. „Ich fange gerade erst an, die Schlösser und Pavillons hier kennenzulernen“, sagt sie. Namen für ihre erste Saison will Dorothee Oberlinger noch nicht nennen. Zu früh. Aber Wünsche, Träume? Sie würde gerne mal etwas in einer Sternwarte machen, sagt sie. Eine Gipfelstürmerin.