Hans Otto Theater in der Pandemie: „Wir können nicht warten, bis der Letzte geimpft ist“
Theaterspielen vor Publikum nach dem Lockdown: Wie kann das gehen? Potsdams Intendantin Bettina Jahnke über Open-Air-Pläne und einen Weg in den Pandemie-Betrieb ohne Inzidenz.
Frau Jahnke, Sie planen zwei Open-Air-Produktionen noch für diese Spielzeit. Freilufttheater, der neue Weg aus dem Lockdown?
So neu ist er nicht, aber auf jeden Fall eine Alternative. Und: Es ist immerhin ein Weg! Einer, der uns ein bisschen Sicherheit verspricht. Für uns am Theater hängt das alles davon ab, ob wir proben können. Daran ist das Sommertheater im letzten Jahr gescheitert: Wir konnten nicht proben. In diesem Jahr sieht das besser aus, da wir viel testen werden und damit mehr Sicherheit haben.
Im Moment dürften Sie ja proben – aber Sie haben die Proben ausgesetzt, warum?
Richtig, nur das Spielen vor Publikum ist verboten. Ob wir proben, mussten wir immer je nach den hygienischen Vorschriften entscheiden, die am Haus gelten: Was ist zumutbar, was nicht? Die letzten Proben haben wir ausgesetzt, weil es mit „Noch ist Polen nicht verloren“ eine große aufwändige Produktion war – und weil wir nicht mehr alles hätten abspielen können, was wir da in der Pipeline haben. Beim Sommertheater wäre klar: Wir proben und können es auch zeigen.
Sie gehen davon aus, dass die Öffnung für Open-Air-Bühnen vor der Tür steht?
Wir sind in intensivem Austausch mit Stadt und Land, das ist sehr positiv. Ende der Woche wissen wir mehr, denke ich. Deswegen haben wir zwei Sommertheaterproduktionen geplant. Wir machen den Gasometer wieder auf und spielen dort „Genie und Verbrechen“, eine schwarzhumorige Gaunerkomödie von George F. Walker. Da wird die Premiere am 7. Mai sein. Auf der Seebühne feiert am 5. Juni „Der Diener zweier Herren“ Premiere, das klassische Sommertheater.
Es gibt angesichts der andauernden Pandemie den Antrag zu einer Arbeitsgruppe für Freiluftbühnen in der Stadtverordnetenversammlung. Sind Sie daran beteiligt?
Bis jetzt noch nicht. Wenn ich angesprochen werde, bin ich gern dabei. Aber wir kämpfen im Moment ja auf der Schiffbauergasse schon um ein mögliches Miteinander. Alle wollen raus, der Raum ist begrenzt. Sommertheater behindern sich auch gern gegenseitig, durch Lautstärken, Auf- und Abbau, Publikumsströme, Fluchtwege. Wir haben unsere eigene „Arbeitsgemeinschaft Sommer“ gegründet, das ist frickelig genug. Das wird so sein, dass wir um 18 Uhr im Gasometer spielen, danach um 20 Uhr auf der Seebühne und im Anschluss kann das Waschhaus noch seine Sommerkonzerte anbieten oder um 20 Uhr geht dann in der fabrik der Soundgarten los. Und da sitzt das Wetter noch nicht mit am Tisch.
Das Wetter: In normalen Jahren die größte Sorge bei Sommerevents. 2021 die kleinste, könnte man meinen.
Stimmt, man ist so euphorisch in der Planung, dass es jetzt womöglich wieder losgehen kann – aber Regen müssen wir auch mit bedenken.
Das klingt, als gäbe es dennoch viel Grund für Vorfreude auf die Open-Air-Saison in der Schiffbauergasse.
Ich kann nicht für die Pläne der anderen sprechen. Aber es wird den Brandenburgischen Sommerabend der Landesregierung geben, die Tanztage der fabrik, die Schirrhofnächte vom T-Werk, das Sommerkino vom Waschhaus und die Stadt plant eine Neuauflage von Stadt für eine Nacht (SfeN) – was in diesem Jahr über mehrere Monate stattfinden wird, vom Frühjahr bis in den Oktober. Wenn die großen Häuser nicht spielen, will SfeN in die Lücken gehen und dort kleinere Angebote machen. Das ist eine richtige kleine Sommerschlacht: Alle wollen raus.
Der Bühnenverein, in dessen Vorstand Sie sind, unterstützt wie Kulturministerin Manja Schüle einen Leitfaden zur Wiedereröffung der Kultur- und Sportstätten. Was ist das Neue daran?
Die Inhalte sind gar nicht so neu, sie beschreiben die Bedingungen, unter denen das Hans Otto Theater schon im Oktober eröffnet hat. Das Neue ist, dass es wissenschaftlich fundierter ist und wir uns mit den Sportverbänden zusammengeschlossen haben. Der Gedanke, der dahinter steht: Wir können ja nicht warten, bis der Letzte geimpft ist, bis wir die Kultur- und Sportstätten wieder aufmachen. Wir müssen mit der Pandemie leben lernen.
Neu ist auch der Vorschlag, sich von den Inzidenzwerten als Fixpunkt zu lösen.
Ja, das ist das Angebot an die Politik, dass man gemeinsam klare Richtlinien und Regeln festschreibt, an die sich vom kleinsten Theater mit 100 Sitzplätzen bis zur großen Spielstätte mit 1000 Plätzen, von Innenräumen bis Open-Air-Bühnen, alle halten können und müssen. An dem 22-seitigen Papier haben 20 Wissenschaftler und 40 Kulturinstitutionen mitgearbeitet. Ich bin überzeugt, dass wir damit ein gutes Rüstzeug für die Wiedereröffnung der Bühnen haben.
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Ihr Motto ist Solidarität. Wie sieht die des HOT mit Freischaffenden konkret aus?
Es geht damit los, dass wir nach wie vor darum kämpfen, Ausfallhonorare an Gäste zahlen zu dürfen. Dazu sind wir mit Stadt und Land im Gespräch. Ein zweiter Punkt ist, das wir hier in der Schiffbauergasse sehr eng und auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Und natürlich haben wir uns im Rahmen von KulturMachtPotsdam sehr geöffnet. Ich bin mit vier Kolleginnen von Anfang an in mehreren Arbeitsgruppen dabei, das Hans Otto Theater ist einer der Live-Spielorte am 13. März. Das ist aufwendiger, als wir zu Anfang gedacht haben, aber dieses Engagement ist ein ganz klares Zeichen in die Szene hinein.
Und Sie glauben, dass es am 7. Mai Open Air wirklich losgehen wird?
Wie geht unser Lieblingsspruch von Niko Kovac, dem damaligen Fußballtrainer von Eintracht Frankfurt? „Ich wechsele nicht. Stand jetzt.“ Das sagte er zwei Tage, bevor er zu den Bayern wechselte. Stand jetzt also: Ja. Ich bin zuversichtlich. Aber sicher ist in diesen Zeiten nichts.
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