Kultur im Lockdown: Reaktionen aus Potsdam: Ein Bauernopfer?
Enttäuschung, Unverständnis, Ärger: So reagieren die Potsdamer Kulturschaffenden auf den Teil-Lockdown. Kulturministerin Schüle bezeichnet ihn als "Katastrophe für die Kultur".
Potsdam - Die Programme waren gedruckt, die Künstler eingeladen, die Hygienekonzepte ausgetüftelt. Auch die 27. Ausgabe des Theaterfestivals Unidram fällt dem Teil-Lockdown zum Opfer. Am 3. November sollte es losgehen. Nun bleiben Theater, Konzertsäle und Museen bleiben ab 2. November zu.
"Es fällt schwer, die jetzt gefällten Entscheidungen im Kontext einer sinnvollen Eindämmung der Pandemie zu sehen", sagt Jens-Uwe Sprengel, der Unidram und die freie Spielstätte T-Werk leitet. "Die kurzfristige Absage des Festivals bedeutet für eine Vielzahl von Künstlern, Helfern, Veranstaltungstechnikern und Firmen einen schwerwiegenden Verlust." Durch die von der Landeshauptstadt Potsdam in Aussicht gestellte und vom Land Brandenburg zugesagte finanzielle Hilfe ließen sich immerhin die finanziellen Ausfälle kompensieren, so Sprengel.
Keine Symbolpolitik, wohl aber ein Bauernopfer
Enttäuschung, Unverständnis, auch verhaltene Wut: Das sind die Reaktionen, die der angekündigte Teil-Lockdown bei Potsdamer Kulturschaffenden hervorruft. Als „Symbolpolitik“ möchte Heike Bohmann vom Nikolaisaal die Maßnahme nicht beschreiben. Für sie treffe es, „in Anbetracht der eruierten Ansteckungsorte und weiterhin vollen Zügen und Fliegern“, eher das Gefühl eines „Bauernopfers“. Jenseits der Überlegungen, was der Teil-Lockdown für das Programm des Nikolaisaals bedeutet - Verschiebungen können Bohmann zufolge nicht mehr die Lösung sein-, beschreibt sie als größtes Problem: „Wir sind derzeit zuwendungsrechtlich nicht ermächtigt, Ausfallhonorare zu zahlen. Um die Kultur und ihre Künstler zu erhalten, muss hier umgehend nachjustiert werden.“
Auch Kulturministerin Manja Schüle (SPD) bezeichnet den Teil-Lockdown den PNN gegenüber für die Kultur als „Katastrophe". "Erst recht für alle, die mit Kultur ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Museen und Theater, Konzert- und Veranstaltungshäuser haben sich penibel an alle Vorgaben gehalten." Schüle sagt: "Theater- und Konzertsäle dürften zu den sichersten öffentlichen Räumen im ganzen Land gehören. Deshalb verstehe ich den Unmut der Künstlerinnen und Künstler, der Kulturszene insgesamt sehr gut." Sie habe vom ersten Tag der Pandemie darauf gedrungen, dass der Bund seine Verantwortung für die Solo-Selbständigen im Kulturbetrieb und deren spezifischen Probleme ernst nimmt. Jetzt bewege sich endlich einiges. "Das ist gut. Schlimm ist, dass das so lange gedauert hat. Da ist viel Vertrauen verspielt worden.“
Nicht nur unverhältnismäßig, sondern kontraproduktiv
Es sei kein einziger Fall bekannt, in dem eine Covid-Infektion auf den Besuch einer Kulturveranstaltung zurückzuführen ist, sagt auch Alexander Hollensteiner, Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam (KAP). Daher erscheine die neuerliche Schließung der Kultureinrichtungen „nicht nur unverhältnismäßig, sondern nachgerade kontraproduktiv". Für die KAP bedeutet die Schließung, erneut ihren Einstand im sanierten Schlosstheater verschieben zu müssen. Das für November angesetzte Konzert „Fanfaronade“ war bereits die Ersatzvorstellung für die wegen der Pandemie in das Jahr 2021 verschobene Winteroper.
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„Ich als Theaterleiterin und Künstlerin finde das bitter", sagt Theaterintendantin Bettina Jahnke. "Als Bürgerin dieses Landes aber sage ich: Klar, gleiches Recht für alle. Wenn die Sportler nicht Sport machen können, können die Künstler auch nicht üben.“
Ähnlich zweigeteilt stellt sich der Teil-Lockdown für die freie Choreografin und Tanzlehrerin Marita Erxleben dar. Als Mensch habe sie Verständnis für die Maßnahme. Aber als Unternehmerin, Künstlerin, Choreographin und Regisseurin? "Nein." Der Unterricht per Zoom sei ein in Kontaktbleiben, aber kein Ersatz, so Erxleben. "Wir versuchen, uns, unseren Künstlern, Pädagogen und unseren kleinen und großen Tänzerinnen und Tänzern Mut zu machen, obwohl wir selbst am Verzweifeln sind."
Ein angekündigtes Hilfspaket, um für Umsatzausfälle zu entschädigen
Der Bund hat der Schließungsmaßnahme eine angekündigte Hilfe zur Seite gestellt: Insgesamt bis zu 10 Milliarden Euro für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, "um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen". 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats sollen erstattet werden. Für viele ist das ein "Schritt in die richtige Richtung", wie Werner Ruhnke vom Kunsthaus sans titre es formuliert. Im Kulturministerium wird zudem dafür gekämpft, den Bewerbungszeitraum für Mikrostipendien und Corona-Kulturhilfe zu verlängern. Er soll am 30. Oktober auslaufen.
Von diesen Unterstützungen sei bis jetzt aber wenig bei ihr angekommen, sagt Marita Erxleben. "Es müssen nun – endlich – insbesondere die Solo-Selbständigen wie seit Monaten gefordert unmittelbar und direkt von den bundesweiten Hilfsprogrammen profitieren", sagt auch Alexander Hollensteiner von der KAP. "Ansonsten droht ein substanzieller Bereich des Kulturbetriebes irreversibel geschädigt zu werden."
Lena Schneider
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