Potsdam auf der Berlinale 2019: Störrisches Kind und Indienreise
Die diesjährige Berlinale startet am Donnerstag. Potsdam ist mit vier Filmen auf der Berlinale 2019 vertreten – „Systemsprenger“ von Produzent Peter Hartwig sogar im Wettbewerb.
Potsdam - Achtzehn Jahre ist es her. Damals, im Jahr 2001 leitete Dieter Kosslick seine erste Berlinale und der Potsdamer Produzent Peter Hartwig war gemeinsam mit Andreas Dresen mit „Halbe Treppe“ im Wettbewerb der Filmfestspiele vertreten. Am Donnerstag startet nun die letzte Berlinale unter Kosslick – und Peter Hartwig geht wieder mit einem Film ums Rennen um eine Bärentrophäe. Diesmal nicht mit der Filmfamilie rund um Andreas Dresen, sondern mit dem Debutfilm der Regisseurin Nora Fingscheidt. „Systemsprenger“ heißt der Spielfilm, der diese Woche Freitag Weltpremiere im Berlinale Palast feiert.
Wirklich nervös ist Peter Hartwig deswegen nicht, wie er den PNN beim Berlinale Pressefrühstück der Staatskanzlei des Landes Brandenburg am gestrigen Montag in den Berliner Ministergärten sagte. „Freudig aufgeregt trifft es eher“, erzählt der Produzent, der mit Andreas Dresen zuletzt „Gundermann“ in die Kinos brachte. „Systemsprenger“ erzählt nun die Geschichte eines neunjährigen Mädchens, das bei ihrer Mutter leben möchte, stattdessen aber in einer Wohngruppe untergebracht ist. Mit ihrer aggressiven und widerspenstigen Art wehrt sie sich gegen jede Regel.
Hartwig war sofort von der Filmidee begeistert
Regisseurin Nora Fingscheidt kennt Hartwig seit langem. Die beiden arbeiteten bereits bei Philipp Stölzls „Goethe!“ (2010) zusammen. Fingscheidt war damals Regieassistentin, Hartwig Executive Producer. „Wir waren über die Jahre immer wieder im Kontakt, wollten gerne etwas zusammen machen“, sagt der gebürtige Babelsberger, der aus seinem Kiez nie rauswollte und immer noch dort lebt sowie arbeitet.
Gleich zwei Projekte haben die beiden dann verwirklicht: die Dokumentation „Ohne diese Welt“ über Mennoniten in Argentinien und eben „Systemsprenger“, den Hartwig gemeinsam mit Jonas Weydemann von Weydemann Bros. und Frauke Kolbmüller von Oma Inge Film produziert. „Die Geschichte hat mich sofort begeistert“, sagt Hartwig. „Es ist ein sehr emotionaler, empathischer Film“.
Filme der Filmuniversität Babelsberg auf der Berlinale
Emotional wird es diese Woche auch für Udita Bhargava. Die Studentin der Filmuniversität Babelsberg feiert am Freitag mit ihrem Film „Dust“ ebenfalls Weltpremiere auf der Berlinale – in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“. Für den Abschlussfilm ihres Regiestudiums ist sie in ihre indische Heimatstadt Indore zurückgekehrt, um von den dort lebenden Menschen, ihrem Leben und den politischen Umständen zu erzählen. „Mein Team musste bei Temperaturen von 40 Grad arbeiten“, erzählte sie am gestrigen Montag und lacht dabei. Es habe sich aber gut geschlagen und die multikulterelle Kommunikation in Hindi, Englisch und Deutsch habe auch gut funktioniert.
"Dust“ erzählt konkret von einem jungen Mann, der nach Indore reist, um dort nach den Spuren seiner verstorbenen Liebe zu suchen und mit der Vergangenheit konfrontiert wird.
Udita Bhargava ist eine von drei Studierenden der Potsdamer Filmuniversität, die ihre Filme in der Perspektive Deutschland vorstellen. Wie berichtet ist auch Henning Beckhoffs „Off Season“ in der Sektion zu sehen, in dem ein Paar versucht, auf Sizilien vor der Geburt des gemeinsamen Kindes noch einmal zu entspannen. Allerdings entpuppt sich die Reise eher als Zerreißprobe für die Beziehung. Außerdem zu sehen: „Die Grube“, eine Dokumentation von Regisseurin Hristiana Raykova. Sie porträtiert darin ein Mineralbecken in ihrer Heimatstadt Varna in Bulgarien. Dieses Warmwasserbecken liegt genau am Meer und wird nur „die Grube“ genannt.
Alle drei Produktionen der Filmuni sind im Anschluss an die Berlinale vom 19. bis 23. Februar auch im traditionellen Berlinale Spotlight des Potsdamer Filmmuseums zu sehen.
Auf das ebenfalls traditionelle Kiezkino muss Potsdam – und auch die Mittelmark – diesmal leider verzichten. Alle Kiezkinovorstellungen finden dieses Jahr in Berliner Kinos statt.
Und noch etwas fehlt auf dieser Berlinale: Eine Produktion des Filmstudio Babelsberg. Überhaupt fehlt dem Studio Anfang des Jahres noch ein aktuelles Filmprojekt, wie Carl L. Woebcken, Vorstandschef der Studio Babelsberg AG, gestern in den Ministergärten sagte. Zufrieden sei er trotzdem, 2018 sei ein gutes Jahr gewesen, nicht zuletzt wegen der beiden Hollywoodproduktionen „The Girl in the Spider's Web“ und der Neuinszenierung von „Drei Engel für Charlie“. Außerdem ist Wes Anderson „Isle of Dogs“ – Eröffnungsfilm der Berlinale 2018 und vom Studio koproduziert – für zwei Oscars nominiert. „Darauf sind wir stolz“, so Woebcken.
Simon Weisse, der sowohl für „Isle of Dogs“, als auch für Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ Miniatur-Modelle baute, ist dieses Jahr bei den Berlinale Talents dabei.
Reichlich auf der Berlinale 2019 vertreten ist auch das Medienboard Berlin Brandenburg. Wie berichtet fördert es neben „Systemsprenger“ noch zwei Wettbewerbsfilme. Auch „Dust“ und „Die Grube“ sowie 13 weitere Filme und Serien im Festivalprogramm unterstützt das Medienboard. Darunter die Serien „Acht Tage“ und „Bauhaus - A New Era“ von Lars Kraume („Das Schweigende Klassenzimmer“), die in Aussschnitten auf den „Drama Series Days“ im Rahmen der Berlinale zu sehen sein werden.
Umfassend vertreten sind auch Filme der Defa: Die Retrospektive „Selbstbestimmt, Perspektiven von Filmemacherinnen“ zeigt Filme von Angelika Andrees, Róza Berger-Fiedler, Iris Gusner, Sieglinde Hamacher, Helke Misselwitz, Gitta Nickel, Ingrid Reschke, Sibylle Schönemann, Evelyn Schmidt und Petra Tschörtner. Im Rahmen der Retrospektive wird außerdem der neue Band in der Schriftenreihe der Defa-Stiftung „Sie. Regisseurinnen der Defa und ihre Filme“ erstmals öffentlich vorgestellt. Defa-Regisseur Herrmann Zschoche („Sieben Sommersprossen“) wird in diesem Jahr außerdem mit der Berlinale Kamera geehrt.