"Chicago" im Berliner Admiralspalast: Sexy Mörderinnen
Seit Jahrzehnten begeistert das Musical "Chicago" auf der Bühne. In Berlin ist nun für kurze Zeit die Originalbroadway-Produktion zu sehen.
Es ist eine perfekte Einheit: das Fingerschnipsen, die scheinbar so locker geschwungenen Hände hinter dem Rücken, das aufreizende Kreisen des Zeigefingers. Die Choreografie zu „All that Jazz“ ist eine der berühmtesten der Musicalbühnen – und der grandiose Auftakt in „Chicago“. Ein Musical, das bereits Mitte der 1970er Jahre seine Uraufführung fand und seit der Wiederaufnahme 1996 ungebrochen erfolgreich am Broadway zu sehen ist. Diese Originalinszenierung ist bis zum 13. Juli im Berliner Admiralspalast zu sehen – ein Besuch ist dringend zu empfehlen.
Erzählt wird die Geschichte um die Tänzerin Roxie Hart, die im Chicago der 1920er Jahre ihren Geliebten erschießt, weil er sie verlassen möchte und ihr außerdem nicht zu versprochenem Ruhm verholfen hat. Im Gefängnis lernt sie unter anderem Showgirl Velma Kelly kennen, die ihren Mann und ihre Schwester inflagranti erwischte und sie daraufhin ermordete. Ihren Prozess inszeniert sie als Show und erlangt Berühmtheit. Roxie guckt sich das ab und macht Velma schnell Konkurrenz. Gespickt mit viel schwarzem Humor und Ironie beginnt ein Kampf um Aufmerksamkeit, um Ruhm und nicht zuletzt auch um das Leben. Denn beiden Frauen droht für ihre Tat der Galgen.
Elektrisierende Tanzszenen
Optisch besticht das Musical durch die präzisen, geradezu elektrisierenden Choreografien. Das Bühnenbild sowie die Kostüme sind schlicht gehalten: Lediglich ein Podium für die begleitende Band ist im Hintergrund zu sehen, ab und an werden Leitern auf die Bühne geklappt oder Stühle hingestellt. Mehr braucht es auch nicht, denn das Ensemble hat eine so starke Präsenz, dass jeglicher Schnickschnack nur stören würde. Lediglich in schwarze Tanzoutfits gehüllt, bestechen die Tänzer mit ihren perfekt aufeinander abgestimmten Bewegungen, die nicht nur akrobatisch, sondern durchgehend sexy sind. Eine echte Sensation sind die beiden Hauptdarstellerinnen.
Samantha Peo als die etwas abgehalfterte Velma besticht zunächst mit dem dreckigsten Lachen der Bühnengeschichte und einem Mienenspiel, das fast genauso akrobatisch wie ihr Tanz ist. Ihr „All that Jazz“ singt sie knarzend, etwas schmutzig und hoch erotisch. Wenn sie später gemeinsam mit der grandiosen Ilse Klink alias Mama Morton „Class“ singt, ist ihre Stimme hingegen warm und weich.
Carmen Pretorius ist als Roxie das perfekte Gegenstück: frech und genauso clever wie Velma, schleicht, rockt und kratzt sie sich immer im richtigen Ton über die Bühne. Stimmlich rangiert sie ebenfalls zwischen knarzig und warm, immer mit diesem naiven Charme, der Roxie so liebenswert macht. Ihr Song „Roxie“ bleibt noch lange als Ohrwurm verhaftet. Sensationell ist ihre gemeinsame Performance mit Billy Flynn-Darsteller Craig Urbani in „We both reached for the gun“. Er als Puppenspieler-Anwalt, der ihr die Worte für die versammelte Presse in den Mund legt und sie als folgsame Marionette. Hier stimmt alles: Mimik, Choreo, Musik.
Ebenfalls grandios: Grant Towers als Roxies Mann Amos Hart. Nach seinem „Mister Cellophane“ möchte man ihn knuddelnd in den Arm nehmen. In der Chicago- Welt aus Schein, Verbrechen und Sensation, scheint er der einzig wahrhafte Charakter zu sein. Hoffnungslos verliebt ist man am Ende aber doch in die beiden grandiosen Leading Ladies – sich ihrem Charme zu entziehen, ist einfach nicht möglich.
>>Bis 13. Juli im Berliner Admiralspalast