Seit Sommer 2018 am HOT: Schauspielerin Nadine Nollau im Porträt
Besucher des Hans Otto Theaters haben sie seit 2018 schon mehrmals als unglücklich Liebende gesehen. In „Wir sind auch nur ein Volk“ spielt Nadine Nollau nun die charmant fröhliche Lucy.
Potsdam - Es wäre schön, wenn das mal vorbei wäre. Die Diskussionen um Ost und West, die Vorurteile, das Einordnen der Menschen auf die eine oder andere Seite. Dieses Streiten darum mag Nadine Nollau nicht, sie würde sich mehr Einheit in den Köpfen wünschen. Die Schauspielerin aus dem Ensemble des Hans Otto Theaters ist selbst im Berliner Friedrichshain aufgewachsen, als Jugendliche mit der Familie nach Rahnsdorf gezogen. Bei der Frage nach ihrer Herkunft, sagt sie schlicht Berlin, Ost und West spielt für die 38-Jährige keine Rolle. „Ich guck mir den Menschen an, der vor mir sitzt und da ist mir die Herkunft erstmal egal“, sagt sie. Trotzdem gebe es natürlich noch viel Aufarbeitungsbedarf und auch den Wunsch nach Gesprächen, wie sie sagt.
Umso erfrischender sei es für sie gewesen, wie liebevoll mit dem Ost-WestThema bei den Proben zu „Wir sind auch nur ein Volk“ umgegangen wurde. „Jeder hat Geschichten erzählt, sich ausgetauscht, sehr entspannt.“ Das Stück nach Drehbüchern von Jurek Becker hat am morgigen Freitag im Hans Otto Theater Premiere und erzählt von dem West-Schriftsteller Steinheim. Der erhält den Auftrag, das Drehbuch für eine Serie zur Einheit zu verfassen – die Ost-Familie Grimm wird sein Studienobjekt. Mitte der 1990er Jahre wurde die Geschichte als Miniserie mit Manfred Krug verfilmt.
Als "Neue" fühlt sie sich in Potsdam nicht mehr
In der Adaption des Potsdamer Theaters spielt René Schwittay den West-Autor, Nadine Nollau verkörpert seine Frau Lucy. Als eine charmante Frau beschreibt sie ihre Figur, als eine, die ihren Mann sehr liebt. Nach ihren großen dramatischen Rollen als Lady Milford in „Kabale und Liebe“ oder Margaret in „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ darf sie hier eine kleinere, leichtere Rolle spielen. „Das macht auch mal Spaß“, sagt sie. Auch deswegen, weil sie den Kollegen somit ab und an von der Seitenbühne aus zugucken und sich dabei „beömmeln“ kann. „Auf eine positive Art, ich spiele mit den Kollegen unglaublich gerne zusammen.“
Seit Sommer 2018 ist sie am Hans Otto Theater, als „Neue“ fühlt sie sich in dieser Spielzeit nicht mehr. Überhaupt habe sie sich von Anfang an willkommen gefühlt, die Kollegen hätten den Übergang leicht gemacht. Direkt vor Potsdam war sie am Magdeburger Theater, davor in Neuss und Göttingen. Schauspiel studiert hat Nollau in Hamburg – eher aus einem Bauchgefühl heraus. Schon zu Schulzeiten hatte sie Freude an Theaterprojekten, fieberte den Proben entgegen.
Eine "Klassiktante"
Vom Schauspielstudium wurde ihr in ihrem Umfeld eher abgeraten, das sei zu schwer, schon allein die Aufnahmeprüfung kaum zu schaffen. „Aber ich dachte mir, wenn ich es nicht probiere, werde ich es nie wissen“, sagt Nollau. „Was Schauspiel eigentlich bedeutet, habe ich dann tatsächlich erst im Studium gelernt.“ Einen prägenden Moment erlebte sie als Studentin in einer Theatervorführung, in der die Sprache eines klassischen Stückes wie Alltagssprache vorgetragen wurde. Da war klar: „Das möchte ich auch können.“ Als „Klassiktante“ bezeichnet sich Nollau auch scherzhaft. Weil sie die Klarheit der Sprache mag, das Konkrete – und die tiefen Gefühle. „Ich finde auch Pathos gar nicht schlimm“, sagt sie. Das bedeute schließlich nur eine tief emotionale Herangehensweise.
Dass sie diese beherrscht, hat sie in Potsdam bereits gezeigt. Sowohl ihre Lady Milford als auch ihre Margaret zeugen von einer ungeheuer wuchtigen Stärke und gleichzeitig einer zarten Zerbrechlichkeit, die beim Zusehen wohltuend schmerzt. Dabei gehört sie nicht zu den Schauspielerinnen, die sich Hintergrundbiografien für ihre Figuren ausdenken, sie bis ins kleinste Detail aufdröseln wollen. „Alles was ich auf der Bühne zeige, nehme ich aus dem Text – und aus mir selbst“, sagt Nollau, deren größter Horror es ist, auf der Bühne einen totalen Blackout zu haben.
Ihre eigenen Erfahrungen lässt sie einfließen, legt „den Brustkorb frei“, wie sie es beschreibt. Sich auch selbst beim Spielen zu schützen, sei dabei wichtig. Routine darf das Spiel allerdings nie werden. „Sonst würde ich nie an den Punkt der Emotionalität kommen“, sagt sie. Die Suche nach dem richtigen Weg sei immer wieder spannend – und manchmal lang.
Nollau guckt gerne Fantasyserien
Nollau erinnert sich an ihre erste Rolle als Anita in dem Musical „West Side Story“ und die komplizierte Tanzchoreografie. „Ich bin nun wirklich kein Körperklaus, aber diese eine Klatsch-Choreo hat mich wahnsinnig gemacht.“ Erst eineinhalb Wochen vor der Premiere platzte der Knoten, insgesamt habe es sehr viel Spaß gemacht. Gerne würde sie wieder in einem Musical spielen, allerdings sei es nicht so einfach, für ihre tiefe Stimme eine passende Rolle zu finden, sagt Nollau, die ab und zu Hörbücher oder -spiele aufnimmt.
Auch Fernsehen würde sie gerne mal ausprobieren, „um zu schauen, ob es für mich überhaupt funktioniert.“ Als Zuschauerin liebt sie Fantasyserien, hat sich aktuell über die erste Staffel von Netflix’ „The Witcher“ gefreut und fand die letzte Staffel der Kultserie „Game of Thrones“ gar nicht so schlimm, wie alle sagen. Dafür kann sie sich sehr über das Ende von „Sense8“ aufregen. Die Netflix-Serie von den Macherinnen von „Matrix“ wurde nach nur zwei Staffeln und einem hingerafften Finale eingestellt. „Mir hat das Herz geblutet“, sagt Nollau. Weil die Serie so sensibel, so ästhetisch mit dem Thema Mensch, mit der Gleichberechtigung umgegangen sei – und mit Vorurteilen aufgeräumt habe.
>>Die Premiere von „Wir sind auch nur ein Volk“ morgen ist ausverkauft. Nächste Vorstellung am 2. Februar um 19.30 Uhr