Fotografien im Potsdam Museum: Max Baurs Blick auf den ehemaligen Marstall
Das Potsdam Museum erweitert seine Sammlung um 14 spektakuläre Fotos des bislang nahezu unbekannten Garnisonmuseums. Der Fotograf: Max Baur.
Es gibt vom Leben geschriebene Zufälle, die würden jedem Drehbuch, jedem Theaterstück als unrealistisch angekreidet. Der jüngste Neuzugang in der Fotosammlung des Potsdam Museums ist das Resultat eines solchen Zufalls – und ein doppelter Glücksfall für das Haus.
Das Potsdam Museum ist soeben in die Schlussgerade seiner aktuellen Sonderausstellung eingebogen – in der Schau „Potsdam, ein Paradies für meine Kamera“ sind dort noch bis Sonntag die Stadtbilder von Max Baur (1898 – 1988) zu sehen, Fotos aus den 1930er und 1940er Jahren. Gleichzeitig bereitet das Museum als neue Sonderausstellung eine Doppelschau vor, die sich unter dem Titel „Umkämpfte Wege der Moderne“ mit der Weimarer Republik auseinandersetzen wird. Den Auftakt macht am 29. September eine Schau über den Schweizer Künstler Wilhelm Schmid, dessen verworrene Lebenswege ihn auch nach Potsdam führten. Im Frühjahr 2019 schließt sich dann mit „Geschichten aus Potsdam und Babelsberg 1918 bis 1945“ die kulturgeschichtliche Einordung an – der Versuch des Potsdam Museums, sich der NS-Zeit endlich intensiver zu widmen.
Das Fundstück: Bilder eines nahezu vergessenen Potsdamer Museums
Der beglückende Zufallsfund, auf den der Vorsitzende vom Förderverein des Museums Markus Wicke durch einen Hinweis aufmerksam wurde, wirkt nun wie die bestens getimte Pointe, die beide Themen – Baur und Weimarer Republik – verbindet. Es handelt sich um eine in Leinen gebundene Fotomappe, 14 kartonierte Seiten dick. Draußen die Initialen EGR – 1. Garde-Regiment zu Fuß. Drinnen 14 Abbildungen eines Potsdamer Museums, von dessen Existenz bislang nur wenige wussten: das Garnisonmuseum, das sich von 1923 bis Kriegsende im ehemaligen Marstall, dem heutigen Filmmuseum, befand. Der Fotograf: Max Baur.
„Licht ist für mich alles“, soll Max Baur gesagt haben, und auch die 14 in der Mappe gezeigten Arbeiten bezeugen das. Das auf Seidenstoff gestickte Wappen des Ersten Garderegiments zu Fuß schimmert so plastisch, dass man sich hineinkuscheln will. Der Lange Kerl, der im Fenster des ehemaligen Marstalls steht, wird von seinem Schatten bewacht, geradezu bedroht – was dem Foto eine höchst künstlerische, fast jenseitige Komponente gibt. Baur, der für seine feinstens komponierten Außenaufnahmen berühmt ist, zeigt hier, dass er auch bei Innenaufnahmen die gleiche Geduld, die gleiche Akribie aufbrachte. Er, der sich Lichtbildner nannte, soll oft stundenlang aufs richtige Licht gewartet haben. Zufall gibt es bei ihm nicht.
Zinnsoldaten, Schlachtengemälde und lebensgroße Wachssoldaten
Auf den Bildern zu sehen ist das Innere des Museums nach dessen Umbau im Jahr 1938 – erstmals. Bislang waren nur Bilder aus der Zeit davor bekannt. Den Umbau des Museums selbst deutet Wenke Nitz, Historikerin am Potsdam Museum, übrigens als Zeichen für dessen damalige Popularität. Das Museum sollte aufgewertet werden, es bekam einen größeren Eingang. Die großen Fenster gaben den Blick auf den gegenüberliegenden Lustgarten frei, der als Exerzier- und Paradeplatz genutzt worden war. Drinnen Militärgeschichte, draußen Militärparaden.
Baurs Fotos zeigen, womit das Garnisonmuseum bestückt war: ausufernde Setzkästen mit Zinnsoldaten, Gemälde von hohen Militärs und Schlachten – und lebensgroße Wachsfiguren, die wie fein gearbeitete Modepuppen verschiedene preußische Uniformen zur Schau tragen. Die Figuren sind prominente Gäste: Sie waren Teil des deutschen Beitrags zur Pariser Weltausstellung 1900 und sollen sogar eine Goldmedaille bekommen haben. Nach 1918 allerdings sank ihr Marktwert, zumindest im republikanischen Berlin, wo sie im Zeughaus lagerten. Dort wollte man von den Figuren nichts mehr wissen – im Potsdamer Garnisonmuseum schon.
Der Potsdamer Geist: Fünf Jahre nach 1918 bereit für ein Militärmuseum
„So richtig glücklich war man in Potsdam über den Wechsel zur Republik nicht“, beschreibt Wenke Nitz die politische Gesinnung der damaligen Stadtgemeinschaft. Eben diese Gesinnung, im Gegensatz zum „roten“ Nowawes, soll Thema der von ihr kuratierten Ausstellung im kommenden Frühjahr sein. Das Garnisonmuseum hatte sie ohnehin zeigen wollen – erst jetzt, durch den Zufallsfund, kann sie das auch. Im Rahmen von „Geschichten aus Potsdam und Babelsberg 1918 bis 1945“ sollen einige von Baurs Bildern gezeigt werden. Dass man bereits fünf Jahre nach dem Ende des – verlorenen – Ersten Weltkriegs wieder eine Mehrheit für ein Militärmuseum fand, sei doch schon erstaunlich, sagt auch Wenke Nitz. SPD und KPD hatten 1922 in der Stadtverordnetenversammlung gegen das Museum gestimmt – vergeblich.
Ein besonderer Hingucker im Museum war auch ein mehrere Meter großes Diorama aus dem Jahr 1928. Nachgestellt wurde die letzte Frühlingsparade im Lustgarten aus dem Jahr 1914, inklusive außerordentlich mächtig wirkendem Stadtschloss im Hintergrund – und 5000 Zinnsoldaten. Baurs Abbildung davon ging zusammen mit den 13 anderen Fotos des Garnisonmuseums 1939 an Wilhelm, den Ex-Kaiser im niederländischen Exil. Ein Geschenk von ehemaligen Mitgliedern des 1. Garde-Regiments zu Fuß zum 80. Geburtstag des Ex-Monarchen. Ein Gruß aus Potsdam nach Doorn, von Brüdern im Geiste.
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