Filmmuseum Potsdam: Plakate mit Hintersinn
Eine neue Ausstellung im Filmmuseum zeigt DDR-Filmplakate: mit „Mehr Kunst als Werbung“
Potsdam - Dieser Befund scheint unstrittig: Im Osten ging es bis 1990 unfreier zu als im Westen. Doch galt das in allen Bereichen? Sicher nicht. Die Gestaltung von Filmplakaten etwa war so eine Nische, in der sich der Künstler Ost mehr austoben konnte als der Gestalter West. So lautet jedenfalls der Befund des Berliner Grafikers Detlef Helmbold, der die Ausstellung „Mehr Kunst als Werbung – Das DDR Filmplakat“ kuratiert hat, die ab dem morgigen Freitag im Filmmuseum zu sehen ist.
Über den Filmplakatkünstler im Osten sagt Helmbold: „Er war, was die Gestaltung der Plakate betrifft, freier als ein Grafiker im Westen.“ Denn, so könnte man etwas überspitzt sagen: Im Osten herrschte die Kunst und im Westen der Kommerz. Schließlich bringt der Markt seine eigenen Zwänge mit sich. Hier gelten die Gesetze der Werbung. Demnach muss ein Filmplakat in erster Linie möglichst viele Leute in die Kinos ziehen. Also mehr Blickfang, weniger Hintersinn. Anders damals im Osten. Dort kam es vor allem darauf an, die Idee und das Gefühl des jeweiligen Films in einem Bild wiederzugeben, sagt Helmbold. Ein solches Plakat durfte dann schon mal ziemlich abstrakt ausfallen. Der Kurator der neuen Schau im Filmmuseum hat auch sogleich ein Beispiel parat: ein Plakat, auf dem ein Kreis, mehrere Dreiecke und Striche zu sehen sind. Der Kreis im rechten Bildrand ist rot, ebenso einige kleine Dreiecke. Die schwarzen geometrischen Formen in der linken Bildhälfte dominieren.
Nach 1945 kommen mehr Fotos dazu
Der Titel des Films von Juri Oserow, der 1986 in den Kinos der DDR lief: „Schlacht um Moskau – 1. Teil ,Die Aggression’“. Klar, die Schwarzen, das sind auf dem Plakat die deutschen Aggressoren, rot die Sowjets. Auf dem Plakat für den zweiten Teil des Films („Operation Taifun“) hat der Grafiker Michael Anker die roten grafischen Gestaltungselemente wesentlich größer dargestellt. Die schwarzen Deutschen sind hingegen gleichsam nur noch ein paar versprengte Häufchen. Geometrisch unbedeutend. „Um eine Schlacht zu zeigen, braucht man keine Panzer“, erklärt Helmbold. „Da muss man keine Schlachtszenen zeigen.“ Anleihen für diese stark reduzierte Gestaltung mit Mitteln des Konstruktivismus könnte Michael Anker bei dem russischen Avantgardisten El Lissitzky genommen haben. Sein Plakat „Schlagt die Weißen mit dem roten Keil“ von 1920 arbeitet mit ganz ähnlichen Stilmitteln.
Wie sich die Gestaltung der Filmplakate von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1990 im Osten – zunächst in der Sowjetischen Besatzungszone, dann in der DDR – entwickelt hat, kann man in der Ausstellung gut nachvollziehen. Der Anteil rein grafischer Gestaltungen geht im Laufe der Zeit zurück. Immer mehr Fotos halten Einzug. Die Bildsprache selbst hingegen zeigt zuweilen eine gegenläufige Tendenz. Die Gestalter wählen statt naturalistischer Darstellungen zunehmend eine abstrakte, symbolhafte Sprache.
5200 Plakate im Besitz des Filmmuseums
Gezeigt werden im Filmmuseum über 6000 Arbeiten. In Originalgröße sind allerdings nur die wenigsten Plakate zu sehen. Um die schiere Menge an Material in der Galerie des Foyers unterbringen zu können, hat Helmbold die Plakate reproduziert und die allermeisten von ihnen stark verkleinert. Entstanden ist auf diese Weise eine große Bilderwand mit nahezu unzähligen Motiven – dicht an dicht gedrängt. Die Raumwirkung des einzelnen Plakats geht dadurch freilich verloren. Aber dies ist nun einmal der Preis dafür, wenn man fast alle Plakate zeigen will, die es im Osten Deutschlands für Spiel- und Dokumentarfilme jemals gegeben hat.
Etwa 5200 dieser Plakate befinden sich im Besitz des Potsdamer Filmmuseums, sagt Ines Belger, Archivarin des Hauses. Für Detlef Helmbold, der demnächst auch ein Buch zu DDR-Filmplakaten veröffentlichen will, war diese Fundgrube ein wahrer Schatz. Weitere grafische Schätze steuerte das Bundesfilmarchiv bei. Auch aus Wien kamen 24 Plakatmotive. Denn, so Helmbold, dort liefen während der Besatzungszeit nach dem Krieg im sowjetischen Sektor oftmals die gleichen Filme wie im Osten Deutschlands. Und diese Streifen kündigte man sogar oft mit den gleichen Plakaten wie hierzulande an.
Künstlerische Freiheit hatte politische Grenzen
Bis zum Ende der DDR wurden die ostdeutschen Filmplakate vom Berliner Progress Filmverleih gestaltet oder in Auftrag gegeben. Unter den Künstlern finden sich Namen wie Erhard Grüttner, Heinz Handschick oder auch Kurt Geffers, von dem allein 307 Plakate stammen. Unter den Plakatgestaltern sind aber auch weithin bekannte Maler wie Walter Womacka und Ulrich Hachulla. Wenn die Filmplakate vielleicht auch ein Nischendasein hatten, durften sie nicht alles. „Die Zensur gab es definitiv“, sagt Helmbold, wenngleich er die Details nicht kenne. Viele Plakate mussten zunächst die Hauptverwaltung Film beim Kulturministerium passieren. Insofern hatte die künstlerische Freiheit wohl doch auch ihre politischen Grenzen.
„Mehr Kunst als Werbung – das DDR-Filmplakat“ ab 9. März, 19.30 Uhr, im Filmmuseum, Breite Straße 1
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