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Stiller Moment. Treppenhaus in der Potsdamer Burggrafenstraße 18 (heute Gutenbergstraße), entstanden 1941.
© Lichtbild-Archiv Max Baur

Fotograf Max Baur: Wo viel Licht ist

Er liebte den Park von Sanssouci, verfiel aber auch der NS-Architekturästhetik: Das Potsdam Museum zeigt das Œuvre des Fotografen Max Baur.

Es war um ihn geschehen. Ein Besucher aus Babelsberg hatte Max Baur im Frühjahr 1933 von Potsdam vorgeschwärmt, dann sah er im Harz einen Film über Sanssouci im Kino – und zog ein Jahr später nach Potsdam. Zwei Dekaden lang fotografierte er die Stadt, die, wie er später sagte, zu seiner „großen Liebe“ wurde.

Das Museum Potsdam präsentiert nun in einer umfangreichen Retrospektive das Gesamtwerk des Autodidakten. Neben den Ansichten der ehemaligen Residenzstadt sind private wie professionelle Architektur- und Naturfotografien aus den 30er und 40er Jahren zu sehen.

Bilder im Dienst des jeweiligen Motivs

1898 in Günzburg an der Donau geboren, arbeitete Baur zunächst im Verlagswesen, brachte sich in den Zwanzigern das Fotografieren selbst bei und gründete eine „Werkstatt für Lichtbildkunst“, die Postkarten und Kalender seiner Aufnahmen vertrieb. 1937 veröffentlichte er im eigenen Verlag einen ersten Bildband zu Potsdam. Baurs Fotografien ist seine Potsdam-Bewunderung eingeschrieben. Es sind Bilder, die sich ganz in den Dienst ihrer Motive stellen. Mal steigt er auf Kirchtürme, um mit seiner Kamera einen Panoramablick über die Havelstadt zu erhaschen. Mal verharrt er an Kreuzungen oder Straßenzügen und fotografiert sie aus der Perspektive eines andächtig bewundernden Flaneurs.

Seine Weitwinkelaufnahmen im Breitformat leben vom Sonnenlicht. Es ist der Kontrast zwischen gleißend hellen Häuserfassaden und den Schatten der gegenüberliegenden Gebäude, der die Bilder prägt. Etwa bei der Aufnahme des im Krieg zerstörten Blücherplatzes hinter dem Alten Rathaus. Im Hintergrund prangt die Kuppel der Nikolaikirche, die sich genauso wie der Turm der Garnisonskirche leitmotivisch durch die Aufnahmen zieht. Daneben sind das Stadtschloss und überhaupt der Alte Markt zentrale Anziehungspunkte für Baurs Kamera. Hier rahmt er seine Aufnahmen mit Säulengängen, andernorts mit Bäumen oder Blumen. Die meisten Aufnahmen machte Max Baur aber von jenem Ort, der ihn einst nach Potsdam führte: Sanssouci.

Kulissen eines Wachtraums

Die meist menschenleeren Aufnahmen durchzieht eine unterschwellige Sehnsucht. Ihr Fluchtpunkt liegt genau wie jener der horizontalen Bildachsen außerhalb des Bildes. Es ist die Sehnsucht nach einer zeitlosen Fotografie, die die Architektur in Idealform darstellt und loslöst von der Gegenwart ihrer Aufnahme. Und so überrascht es nicht, dass Baur oftmals Menschen oder Flaggen aus den Bildern retuschierte. Kein Zeichen menschlichen Lebens, nur Zeugnisse des menschlichen Bauens. Die gespenstisch leeren Straßen wirken wie die Kulissen eines Wachtraums. Doch manchmal, wie bei der Aufnahme des „Hotels zum Einsiedler“, huschen die verwischten Schatten der Passanten wie Geister der Geschichte durch den Bildraum.

Die Utopie einer außerzeitlichen Fotografie wurde von der Realität des Kriegs eingeholt. Als Baur im September 1944 den Stellungsbefehl erhält, flieht er zu seiner Mutter im Donaumoos und lässt seine Familie in Potsdam zurück. Erst nach Kriegsende, im Oktober 1945, kehrt er zurück und dokumentiert die Zerstörung des Luftangriffs: den zertrümmerten Ostflügel des Stadtschlosses im fahlen Licht der Abenddämmerung, einen düsteren Himmel über den Ruinen des Alten Rathauses, eine geköpfte Statur am Fuße des Obelisken auf dem Alten Markt. In einer „Vision 1945“ genannten Fotomontage steigt hinter der zerbombten Nikolaikirche die intakte Kuppel aus dem Wolkenmeer. Es ist gleichsam ein Bild der Trauer und des Überlebenswillens. In den ersten Nachkriegsjahren fotografiert Baur für die städtischen Behörden die Versuche des Wiederaufbaus. Die Aufgabe war ihm leidig: „Schwindeln kann ich mit der Kamera nicht.“

Der Fotograf im Porträt.
Der Fotograf im Porträt.
© Potsdam Museum

Neben den vielen Bildern seiner Wahlheimat im Untergeschoss, präsentiert das Potsdam Museum im ersten Stock weitere Architektur- und Naturfotografien. Dort ist auch das Berliner Olympia- Stadion zu sehen. Bereits die Aufnahmen des friderizianischen Potsdams durchzog ein Hang zur Verklärung. Diese Ästhetik des Unpolitischen blieb auch den Nationalsozialisten nicht verborgen. Es mag der herausgehobene Fokus auf die Formensprache der Architektur sein, der sie an Max Baurs Fotografie interessierte. Baur, der 1931 ein halbes Jahr lang Mitglied der NSDAP war, fotografierte ab 1936 die Bauten Albert Speers – so auch die Neue Reichskanzlei in Berlin.

In einem Interview von 1980 sagte er: „Ich muss dem Regime von damals zugutehalten – obwohl ich also ein furchtbarer Gegner geworden bin –, dass sie wirklich handwerklich die besten Leute holten, und dass also nun wirklich sehr ordentliche Dinge gebaut worden sind.“ Diese narzisstische Apologie ist erschreckend. Wenn ein Architekturfotograf fähig ist, die politische Dimension totalitaristischer Architektur auszublenden, mag sich jemand zwar als „furchtbarer Gegner“ des Regimes bezeichnen. Ein Sympathisant der Ästhetik des Nationalsozialismus bleibt er trotzdem: „Ich kam zu dem Besten, was damals architektonisch geboten wurde.“ Man wünschte sich, dass die Ausstellung dieses Kapitel aus Baurs Leben umfangreicher aufgearbeitet hätte. Im Wissen um diese politischen Ansichten muten die lieblichen Landschaftsaufnahmen im Nebenraum in ihrer Heimatliebe weniger unschuldig an.

Die künstlerisch beeindruckendsten Bilder sind dagegen Baurs sogenannte „Lichtstücke“, deren Bildsprache irgendwo zwischen Neuer Sachlichkeit und Konstruktivismus liegt. In ungewöhnlich detailfixierten Perspektiven registriert er das Schattenspiel eines Geländers oder die Geometrie eines Treppenaufstiegs und widmet sich so den ephemeren Schwellen architektonischer Transiträume. Wie das Gehäuse einer Muschel windet sich in der Aufnahme eines Treppenhauses das schwarz-weiß lackierte Geländer gen Boden. Es ist gerade der Kontrast zu den Stadtansichten, der an diesen Bildern besticht. Wollte Baur dort das Zeitlose der Architektur einfangen, verewigt er hier den stillen Moment.

Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Am Alten Markt 9, bis 26. August; Di, Mi, Fr 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr, Sa–So 10–18 Uhr. Katalog 24,90€.

Jonas Lages

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