Kultur: Geschichte ohne Geschichten
Ist der Umgang des Potsdam Museums mit der Nazi-Zeit angemessen? Ein Zwischenstand
Ist der Umgang des Potsdam Museums mit der Zeit des Nationalsozialismus nur eine Pflichtübung? Eine anspruchsvolle zwar, aber auch nicht mehr? Diese These, als Frage formuliert, stellt die Berliner Kulturwissenschaftlerin Susanne Hagemeister und hat damit in Potsdam eine Debatte ausgelöst, die heute auch den Kulturausschuss beschäftigen soll.
Hagemeister hatte in einer Publikation des Brandenburger Museumsverbands, die Ende vergangenen Jahres erschien, das Ausstellungsmodul des Potsdam Museums stark kritisiert. Thema des Heftes ist eine Evaluation der Darstellung des Nationalsozialismus in verschiedenen Brandenburger Museen. „Eher nüchtern, wenn nicht steril, ... versäumt es die Ausstellung, spannende Geschichten aus dieser Stadt anhand von einzigartigen Objekten – die es ja gibt – zu erzählen“, so ihr Fazit. Die anschließende Tagung dazu fand ausgerechnet im Potsdam Museum statt. Hagemeisters Kritik am Potsdam Museum löste einen Antrag der Linke-Fraktion aus, der im März in den Kulturausschuss eingebracht wurde: Die Dauerausstellung des Museums zur Zeit von 1933 bis 1945 sei erneut zu evaluieren und auf der Grundlage dessen neu zu konzipieren, heißt es in dem Antrag.
Museumsdirektorin Jutta Götzmann reagierte umgehend auf die Kritik. Es lägen keine Defizite vor und die aktuellen Darstellungen entsprächen dem Forschungsstand. Man sei aber offen für eine Diskussion. Vom Museumsverband heißt es, man freue sich, dass diese Fragestellung vom Museum offensichtlich aufgegriffen werden, so Geschäftsführerin Susanne Köstering. Sie möchte die Kritik auch im Zusammenhang des Projekts, bei dem zu sechs Brandenburger Museen geforscht wurde, verstanden wissen. Es gebe immer noch Brandenburger Museen, in den die NS-Zeit gar keine Rolle spielt, sagte Köstering. Insofern sei es zunächst positiv zu sehen, dass das Potsdam Museum hier so dicht dran sei und sich einer Evaluation auch nicht verschlossen habe. Ganz bewusst habe man im Übrigen eine Expertin aus Berlin gewählt und freue sich über pointierte Positionen als Grundlage für Gespräche.
Wenke Nitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Potsdam Museums, sieht für Gespräche allerdings wenig Bedarf. Hagemann äußere sich vornehmlich zur Atmosphäre und persönlichen Anmutung der Ausstellung, nicht zu inhaltlichen Fragen. Objektiv sei das nicht, sagt Nitz. Die Kritik, dass es keine persönlichen Geschichten und wenig Bezüge zur direkten Stadtgeschichte gebe, könne sie nicht nachvollziehen. Das Konzept sei, große politische Zusammenhänge und Entwicklungen auf der Potsdamer Ebene zu erzählen. Der Schwerpunkt Bildender Kunst, von Hagemann moniert, sei ebenfalls nicht kritikwürdig. „Wir sind schließlich ein kunsthistorisches Museum.“
Tatsächlich ist die NS-Zeit im Potsdam Museum nicht als losgelöste Darstellung der Schreckensdiktatur aufbereitet, sondern als eine Epoche, zu der eben auch Kunst gehört. Gezeigt werden beispielsweise Malerei und bildhauerische Werke der Moderne, die zum Lebensmodell der Nationalsozialisten passen und einen Potsdam-Bezug tragen: So malte Ernst Ludwig Kretschmann 1932 einen heroischen Halbakt einer blonden Frau in Arbeitshosen, ein Bild, das Oberbürgermeister Hans Friedrich persönlich für den Saal des Regattahauses am Luftschiffhafen wählte, wo sich regelmäßig die NS-Stadt- und Parteispitze traf. Von dem Maler Hans Klohß stammen Ölgemälde, die Potsdamer Straßenzüge mit Nazibeflaggung zeigen.
Insofern lässt sich der Vorwurf, hier werde Geschichte ohne Geschichten erzählt, nicht ganz nachvollziehen. Man muss freilich ein wenig verweilen und lesen. Allerdings ist das Museum zwar nach Themenschwerpunkten aufgebaut, dabei dennoch chronologisch sortiert. Erst nach einem Jahrtausend Stadtgeschichte und zwei Etagen Ausstellungsfläche erreicht der Besucher das 20. Jahrhundert, eine Zeit, für die die Exponate naturgemäß vielfältiger, kleinteiliger und textlastiger werden. Wer hier Geschichten entdecken will, braucht Zeit und Muße. Muss kleinteilige Fotosammlungen anschauen, an der Medienstation Biografien aufblättern, Filme anschauen. In den Vitrinen findet sich eine repräsentative Auswahl an Zeitdokumenten, Gegenständen und Druckerzeugnisse. Die Teilnehmerkarte zur „Großen germanischen Sonnenwendfeier“ mit „Fackelzug, Feuerrede und Deutschem Tanz, sogenannte moderne Tänze nicht gestattet“, die am „24. Brachet (Juni) 1922 im Wirtshaus Zu den Jägerschießständen“ am Brauhausberg stattfand, dokumentiert Potsdamer Geschichte ebenso wie eine originale Zellentür aus dem einstigen Gestapo-Gefängnis, die natürlich wirkungsmächtiger ist.
Susanne Hagemanns Kritik bezieht sich auch auf den Umfang des Ausstellungsmoduls, das von den insgesamt 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche nur 20 Quadratmeter einnehme. Das sei nicht ganz richtig, sagt Wenke Nitz. Bestimmte Themen wie die Militarisierung und die Geschichte der Garnisonkirche würden bereits an anderer Stelle vorbereitend erzählt. Auch der Raum „1900 – 1936. Modernisieren und Beharren“ sei als Übergang zu Nationalsozialismus, Verfolgung und Kriegsvorbereitung zu verstehen. „Es ist eine Frage, wie ich etwas zeige. Dann brauche ich möglicherweise gar nicht mehr Platz“, sagt Nitz.
Die Quellenlage indes würde mehr zulassen, im Depot lagern viele potenzielle Ausstellungstücke, Haushaltsgegenstände, Schriften und Druckmaterial, persönliche Gegenstände. „Derzeit werden Forschungslücken geschlossen“, sagt Nitz. Sammlungsstücke werden erfasst und archiviert. Für 2019 ist eine Ausstellung zum Thema „Umkämpfte Wege der Moderne in Potsdam und Babelsberg 1914–1945“ geplant, mit einem Fokus auf den Unterschieden zwischen beiden Stadtteilen.
Für eine komplette Überarbeitung der Dauerausstellung bestehe derzeit jedoch keine Notwendigkeit, zudem würden dafür Kapazitäten fehlen, so Nitz. Seit der Eröffnung 2013 seien jedoch Objekte nachgerüstet und teilweise ausgetauscht worden. Eine grundsätzliche Überarbeitung und Neukonzeption soll schrittweise ab 2020 erfolgen. Steffi Pyanoe
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