Erotik und Hexen in der Potsdamer Galerie M: Lustvolle Weiblichkeit
Die Künstlerinnen Monika Funke Stern und Bettina Semmer zeigen in der Potsdamer Galerie M ihre Ausstellung „sinnlich – übersinnlich“.
Potsdam - Aus dem Lautsprecher erklingt ein tiefes Atmen. Laut dringt es durch die Räume, bis in den Keller breitet es sich aus. Ein lustvolles Stöhnen in Endlosschleife, das einer erotischen Filmszene entspringt. Zu hören ist dieses Stöhnen in der Galerie M, der Produzentengalerie des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstlerinnen & Künstler e.V.. Monika Funke Stern und Bettina Semmer zeigen dort unter dem Titel „sinnlich – übersinnlich“ mystische sowie erotische Bilder, Fotos und Filminstallationen.
Das heftige Atmen stammt aus Monika Funke Sterns Film „Das Wesen der Verwandlung“ aus dem Jahr 1990. Erzählt wird darin eine umgekehrte Froschköniggeschichte: Am Ende verwandelt sich die Prinzessin in einen Frosch und die beiden hüpfen glücklich in ihr Happy End. Erotisch aufgeladen sind Szenen, in denen etwa der Frosch auf die Brust der Prinzessin hüpft. Der Sprung hängt auch als Filmstill in der Galerie M. Der Frosch ist darauf leicht verwaschen, der mystische Märchencharakter wird somit mehr hervorgehoben. Passend zur etwas glitschigen Natur des Tieres, hängt an der gegenüberliegenden Wand eine Latex-Foto-Arbeit Funke Sterns mit dem Titel „Urschleim“.
Ungehemmte sexuelle Lust
Ein Strudel aus Farbe ist darauf zu sehen, ineinander Verquirltes, das hypnotisch auf den Betrachter wirkt und an einen Embryo erinnert. Der Ursprung allen Lebens, der Ursprung des Weiblichen, der Lust. Wie vor allem mit Letzterem im Laufe der Geschichte umgegangen wurde, ist ein Hauptthema der Ausstellung, mit dem sich die beiden Künstlerinnen unterschiedlich auseinandersetzen.
Monika Funke Stern hat einige Erotikfilme für Frauen gedreht. Im Keller der Galerie M ist eine weitere Installation zu ihrem Film „Mit fremden Augen“ (1988) zu sehen. Auch darin geht es um Verwandlung, um das Schaffen von Tier-Mensch-Wesen. Diese Suche nach dem Tierischen im Menschen – und durchaus auch umgekehrt – zieht sich durch in ihrem Bild „Vollmond“, auf dem ein Werwolfartiges Wesen mit erigiertem Penis und eine nackte Frau im Kopfstand zu sehen sind. Oft sehen Betrachter des Bildes ein Teufelswesen, erzählt Funke Stern, sie selbst habe das gar nicht beabsichtigt. Vielmehr gehe es um das Animalische, das ungehemmte Ausleben der sexuellen Lust.
Hexen der alten Meister
Genau das war besonders für Frauen nicht immer leicht, wie die Arbeiten von Bettina Semmer zeigen. Sie setzt sich intensiv mit dem Hexenbild der Frühen Neuzeit auseinander, bringt etwa Holzschnitte und Grafiken von Künstlern wie Hans Holbein oder Hans Baldung Grien auf große Leinwände. Lustvolle Abbildungen sind das zum Teil, in denen Frauen verschiedener Generationen in Gruppen beieinander sind.
Andere zeigen den Hexenflug, daraus resultierende Verbrennungen der Frauen oder die berüchtigte Wasserprobe. An den Armen gefesselt, wird die der Hexerei verdächtigte Frau ins Wasser geworfen. Ertrinkt sie, ist ihre Unschuld bewiesen, schwimmt sie oben, wird sie als schuldig hingerichtet. Das Schicksal der Hexenverfolgung betraf zwar in der Frühen Neuzeit nicht nur die Frauen, gerade sie wurden aber immer wieder für Kenntnisse über den menschlichen Körper und auch ihre Sexualität bestraft.
Von der Folter zur Emanzipation
Noch im 19. Jahrhundert galt die weibliche Masturbation als Hysterie, vom Orgasmus ganz zu schweigen. Im Zuge der Hexenverfolgung wurden Verdächtige gefoltert, ihre Körper dabei oftmals verstümmelt. Der Spanische Bock zum Beispiel, ein nach oben keilförmig zulaufender, oft mit Metallspitzen versehener Bock, auf den Verdächtige gesetzt wurden, zerstörte meist mehr als nur die Geschlechtsorgane. Eine Bildreihe von Bettina Semmer greift die Folter auf und zeigt, wie sie in der heutigen Sadomasoszene umgewandelt wurden. Eine Frau mit einem Strick ist zu sehen, eine andere mit Lederstriemen um den Körper gewickelt. Die Zurückeroberung des eigenen Körpers.
Überhaupt greifen Semmers Kunstwerke immer wieder die weibliche Selbstbehauptung auf, thematisieren die immer noch nicht existierende Gleichberechtigung der Geschlechter und die Diskriminierung aus der „Norm“ Fallender. Ein Hermaphrodit ist auf einem Bild zu sehen, mit zwei Köpfen und zwei Geschlechtern.
Verletzlichkeit und Stärke
Auf einer großen schwarzen Leinwand führt Bettina Semmer all ihre Themen zusammen, zeigt Hexen, sinnliche Frauenkörper, Reminiszenzen an die alten Meister. Auch ihr eigener Körper ist darauf in weißer Farbe zu sehen. Um die Verletzlichkeit, das Sensible zu zeigen, wie sie sagt. Ihre Vertrautheit zum eigenen Körper, zeigt eine Stärke, die nachhallt.
>>Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 7. Juli in der Galerie M, Charlottenstraße 122. Am 27. Juni hält Bettina Semmer um 17 Uhr den Vortrag „Hexen – weibliche Selbstbestimmung“