Sehsüchte Potsdam 2018: Ohne Blut, aber vielleicht mit Teufel
Regisseur Lukas Feigelfeld hat mit „Hagazussa“ einen faszinierenden Nischenfilm geschaffen, der sich zwischen Historiendrama und Horrorfilm ansiedelt. Ein Geheimtipp vom diesjährigen Sehsüchte-Festival.
Potsdam - Ein doppeltes Stöhnen hallt durch den Raum. Das eine produziert von einer Frau, die bäuchlings auf dem Bett liegt, das andere schwebt als düsteres Echo darüber. Die Kamera zeigt den zuckenden Oberkörper der jungen Frau. Es bleibt unklar, ob sie masturbiert oder von einem schattenhaften Wesen – womöglich dem Teufel – penetriert wird. Es ist eines der harmloseren Bilder in Lukas Feigelfelds phänomenalem Langspielfilm „Hagazussa“, den er am Donnerstagabend auf dem Sehsüchte-Festival der Filmuniversität Babelsberg präsentierte.
Eine Hexengeschichte - oder auch nicht?
Der Film erzählt von Albrun (Aleksandra Cwen), einer jungen Frau, die im 15. Jahrhundert einsam in den Bergen lebt. Schon als Kind verliert sie ihre Mutter. Später bekommt sie selbst ein Kind, hat aber keinen Mann. Die Dorfbewohner meiden sie nicht nur, sie grenzen sie aus. Das Wort Hexe fällt im Film nur einmal, doch es schwebt als Stigma immer über ihr. Ganz bewusst spielt der Film mit den Klischees, die Hexen im Mittelalter und auch noch der Frühen Neuzeit zugeschrieben wurden: Sex mit dem Teufel etwa oder auch der Hexenflug, den Albrun mit Hilfe von Pilzen im Geiste erlebt. Lukas Feigelfeld verzichtet auf phantastische Elemente, Magie kommt hier nie zum Einsatz. Vielmehr lässt der Film offen, ob die einsame, leicht entrückte Frau wirklich eine Hexe ist oder eben nur von der Gesellschaft in diese Rolle gedrängt wird.
Feigelfeld, der an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin Regie studierte, arbeitet damit quasi ein Kindheitstrauma auf, wie er selbst erzählt. Aus Österreich stammend, hat er sich früher vor düsteren Hexenlegenden gefürchtet. „Ich wollte das in einem Film verarbeiten und bin bei der Recherche immer tiefer in die Thematik vorgedrungen“, sagt er. Auf den Sehsüchten läuft „Hagazussa“ für die beste Produktion im Wettbewerb. Ihn überhaupt realisieren zu können, dauerte vier Jahre.
Visuelle Wucht
Die knappen finanziellen Mittel – die Filmemacher hatten nur etwa 37 000 Euro zur Verfügung – sind dem Film nicht anzusehen. Die Bilder sind atmosphärisch unglaublich dicht und symbolisch aufgeladen. Der subtile Grusel dringt aus eindrucksvollen Aufnahmen mit dampfendem Nebel, Sumpf und Totenkopfkapellen. Dialog gibt es wenig. Blutig wird es in „Hagazussa“, abgesehen von einer gemetzelten Ziege, gar nicht. Trotzdem zerrt der Film an den Nerven und verstört faszinierend intelligent.
„Hagazussa“ läuft am 6. Mai auf den Fantasy Film Fest Nights in Berlin sowie ab 17. Mai regulär im Kino