Netzwerk für Neue Musik in Potsdam gegründet: Künstler wollen Coronas Klammergriff entkommen
Während die Pandemie wieder an Fahrt gewinnt, mehren sich in Brandenburg die Zusammenschlüsse von Kulturschaffenden. Ein weiteres Beispiel: Das Netzwerk Neue Musik Brandenburg.
Potsdam - Das Coronavirus hat auch die Kultur und jene, die davon leben, weiterhin fest im Griff. Zwar gibt es inzwischen wieder Theateraufführungen und Konzerte, aber die Furcht vor einem nächsten Lockdown steht als der sprichwörtliche Elefant mit ihm Raum, wenn man dieser Tage mit Veranstaltern spricht. Auch unausgesprochen unübersehbar.
Jedoch: Es mehren sich in der Kultur die Versuche, sich aus dem Klammergriff des Virus zu befreien. Gegen die drohende Vereinzelung den Austausch, gemeinsame Plattformen zu stellen. In Brandenburg hat sich das konkret an zwei Neugründungen gezeigt: Unter #KulturMachtPotsdam bündelten sich im August spartenübergreifend die Kulturkräfte der Landeshauptstadt, kurz darauf schlossen sich 30 Brandenburger Kulturschaffende zu einem Kulturrat Brandenburg zusammen. Und eine dritte, spartenspezifische Plattform kann man jetzt dazuzählen: das Netzwerk Neue Musik Brandenburg (NNM).
Früher unterwegs mit Mückenheimer, jetzt Referent für Neue Musik
Sprecher der Plattform ist Thorsten Müller. Klarinettist, Musiklehrer, Netzwerker. Der gebürtige Potsdamer, Jahrgang 1981, war lange bei dem Mückenheimer-Trio dabei. Auch mit Neuer Musik hat er sich beschäftigt. Heute spielt er nach wie vor mit Manja Präkels, der Autorin von "Als ich mit Hitler Schnapkirschen aß", in deren Band Der singende Tresen, ist Teil des Kreuzberger Klarinetten Kollektivs. Im August 2019 wurde er vom Landesmusikrat Brandenburg zum Referenten für Neue Musik gemacht. Eine Stelle, die es zuvor nicht gab.
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Das Netzwerk war schon da, bevor Corona kam - nur wussten Wenige davon. Im März 2020, als der Lockdown den Künstlern die Auftrittsmöglichkeiten nahm, folgte der Schritt in die Sichtbarkeit, eine Webseite. Schnell wurde klar, dass die Plattform zur richtigen Zeit die richtigen, in einer Pandemie künstlerisch geradezu lebenswichtigen Dinge bot. Sichtbarkeit. Das Gefühl der Gemeinsamkeit. Ob nun für die Festivals Klanglandschaften in Mühlenbeck, Tiefschön in der Uckermark oder Intersonanzen in Potsdam.
Die Misere der soloselbständigen Künstler in der Corona-Pandemie
Als soloselbständiger Künstler weiß Thorsten Müller, wovon er spricht. Weiß, wie hart die Corona-Pandemie Brandenburger Künstler traf und noch immer trifft - auch wenn Ministerin Manja Schüle (SPD) sich für ihr Krisenmanagement lobt. Die ILB-Soforthilfe komme für soloselbständige Musiker nur selten infrage, sagt Thorsten Müller, wie andere freie Künstler auch. Wer kann schon geleaste Autos oder angemietete Probenräume geltend machen? Und als es dann hieß, als freier Künstler solle man Grundsicherung beantragen, empfand er das "als einen Tritt in die Magengrube."
Die Mikrostipendien, die das Land Brandenburg Brandenburgs Künstlern in Aussicht stellt - zunächst 1000 Euro, nun in Höhe von 2500 Euro - findet er hilfreich, aber viel zu wenig. Letztlich, sagt der Künstler Thorsten Müller, habe Corona dazu geführt, dass er dachte: So will ich nicht mehr Kunst machen. Nicht mehr abhängig sein von den Aufträgen anderer - und in Krisenzeiten dann auf dem Trockenen sitzen. Musik macht er noch; aber eben nicht nur. Das ist die eine Seite.
Wo die Unterstützung für die Kultur funktioniert
Die andere ist: Als Referent für Neue Musik sieht er durchaus auch die Unterstützung, die die Szene durch das Land erhält. Das Festival Intersonanzen konnte verschoben werden und trotz Corona stattfinden. Bereits zugesagte Gelder wurden nicht zurückgezogen - wodurch die Ensembles und Festivals freie Hand für alternative Programme hatten. Der Wettbewerb Jugend komponiert kann, erneut unter der Ägide von Helmut Zapf, auch 2020 stattfinden. Beginn ist am 22. Oktober, das Finale am 25. Oktober wird live auf der Webseite des Netzwerkes gestreamt. Auch vier Potsdamer sind unter den 22 Bewerbern.
Und sogar neue Formate werden trotz Pandemie entwickelt. In Potsdam gibt es die neue Konzertreihe re-sonanz. Neue Musik soll hierdurch einen festen Platz im Potsdamer Kulturkalender bekommen - zusätzlich zu den Konzerten von KAPmodern. Das zur Kammerakademie Potsdam gehörende Ensemble für Neue Musik ist auch Teil von NNM. Das nächste Konzert der re-sonanz-Reihe findet am 18. Dezember im KunstHaus Potsdam statt. Und am 3. Dezember lädt Thorsten Müller Berthold Seliger mit seinem Buch "Klassikkampf" zu einer Lesung ins Potsdamer Freiland: ein Plädoyer für offenes, unverstelltes Hören.
18 Mitglieder zählt das neue Netzwerk bislang. Ensembles, Festivals, Verbände. Ein "noch junges Pflänzchen", sagt Müller. Was wollen sie? Spricht man bislang von Neuer Musik, dann macht sich bei den Leuten etwas zu, sagt Thorsten Müller. Man denkt: intellektuell, düster, abgehoben. Er will, dass sich das ändert. Will Öffnung. "Lass dich ein auf die Klangwelten. Wovor hast du Angst?"
Lena Schneider
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