40 Jahre Filmmuseum Potsdam: Institution im Aufbruch
Ein neues Leitungsteam, Online-Kino, endlich ein neues Sammlungsdepot: Das Filmmuseum Potsdam, das älteste Deutschlands, feiert 40. Geburtstag - und blickt nach vorn.
Potsdam - Im Filmmuseum Potsdam ist eine neue Ära angebrochen, und die zeigt sich im Herzen der Institution. Im Direktorenzimmer. Ein großer Raum im ersten Stock des Marstalls, dem ältesten Gebäude der Stadt. Hier residiert das Filmmuseum seit 1981. Ebenso lange residierten im Direktorenzimmer die Chefs - die meistens Chefinnen waren. Das älteste Filmmuseum Deutschlands wurde bis auf Gründungsdirektor Gerhard Weise von Frauen geführt. 1990 bis 2013 von Bärbel Dalichow, 2014 bis 2020 von Ursula von Keitz. Nun von Christine Handke und Ilka Brombach.
Und die beiden Neuen haben umgeräumt. Einst standen hier mächtige Schreibtische. Heute: ein schlichter Sitzungstisch. Flache Hierarchien, Pragmatismus statt Protz: So wollen die Frauen das Museum leiten. Als gleichberechtigtes Duo, die eine als Expertin fürs Kuratorische, die andere für die Kunst der Organisation.
Ein kuratorischer Tusch
Christine Handke ist seit 1996 am Haus, seit 2002 als Pressereferentin. Studiert hat sie in Babelsberg an der Filmuni. Ilka Brombach, die zuvor im Studiengang Filmerbe lehrte, kam 2017 mit einem kuratorischen Tusch daher, als Leiterin des neuen Filmfestivals Moving History. Schwerpunkt: Geschichte und Film. Schirmherrin war Margarethe von Trotta. Nur am Geld hapert es: 2021 fällt das Festival aus. Nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen zu knapper Mittel.
Filmuniversität und Filmmuseum sind in Potsdam nicht ohne einander zu denken. Und beide nicht ohne die Defa. Die Gründungsgeschichte des Museums reicht bis 1961 zurück. Die Idee hatte Albert Wilkening, damals Leiter der Defa-Spielfilmstudios. Als Ort war bald der Marstall des ehemaligen Stadtschlosses im Gespräch. Das Schloss wurde gesprengt, auch der Marstall sollte dran glauben, aber er fand einen prominenten Fürsprecher: Konrad Wolf. Ab 1977 wurde restauriert.
Von Anfang an ein Publikumsmagnet
Am 9. April 1981 wird eröffnet, pünktlich zum IX. Parteitag der SED: mit einer Ausstellung für Filmtechnik, Kino und Café. Direktor Weise sorgt für den nötigen Spagat zwischen Kunst und Staat. „Kein Revolutionär", sagt Ilka Brombach, aber filmbegeistert. Von Anfang an wird das Museum angenommen, hat rund 100 000 Besucher:innen pro Jahr. 2020 kamen trotz fünfmonatiger Schließzeit immerhin knapp halb so viele.
1990 wird vieles anders. Neue Direktorin ist die dissidentische Bärbel Dalichow, die bis 1985 bereits am Museum gearbeitet und dann gekündigt hatte. 1991 wird Kultur Ländersache, das Filmmuseum aus der Stiftung Schlösser und Gärten ausgegliedert. Die Innenräume werden saniert, das Kino erhält 1995 seine blauen Samtsitze. Und die berühmte Welte-Kinoorgel.
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Museum privatisieren? Zur Bundessache machen?
2003 will sich das Land vom Filmmuseum trennen, Christine Handke liest es in der Zeitung. „Wir dachten, wir fallen vom Glauben ab“, sagt sie. Was tun? Das Museum privatisieren? Zur Bundessache machen? An die Defa-Stiftung angliedern? Wirtschaftsprüfer prüfen. Dann bleibt alles beim Alten. 2009 ein Schnitt: Der Solidarpakt läuft aus, Mittel werden gekürzt. Von 35 vollen Stellen bleiben 21. Mehr sind es bis heute nicht.
Die Sammlungstätigkeit des Museums begann erst richtig mit dem Ende der Defa. Es gibt Geschichten von Museumsmitarbeitern, die nach der Auflösung 1992 mit dem Handwagen Defa-Objekte hinüberkarrten. Die Verbindung zu den Defa-Leuten war immer schon eng, nach 1992 wird sie enger. Viele verlieren ihre Arbeit und vertrauen dem Haus ihre Archive an. Die Regisseure Rainer Simon und Andreas Kleinert wirken bei der zweiten Dauerausstellung selber mit.
Bloß keine Akademisierung
Seit 2011 ist das Museum ein Institut der Filmhochschule. Ende der Eigenständigkeit, aber auch der Unsicherheit. Viele sahen das kritisch. „Am Ende schloss sich jedoch ein Kreis“, sagt Handke. llka Brombach warnt aber auch: „Es darf nicht zu so etwas wie einer Akademisierung von Museumsarbeit kommen.“ Expertise nutzen, ja. „Aber das Haus hat sich als extrem publikumszugewandt etabliert. Das ist unser großes Pfund.“
Populäre Familienausstellungen sind eins der Aushängeschilder. Momentan hängt Sandmännchen-Schau Nummer 7. In den ersten vier Wochen sahen sie 10 000 Menschen, sie ist bis Ende 2021 verlängert. Die Sendung mit der Maus, zu Götz George, Charlie Chaplin, Frederico Fellini, Romy Schneider - 127 Sonderausstellungen gab es bereits. Am meisten kamen 1999, zu Zarah Leander, Leni Riefenstahl und dem Defa-Szenenbildner Alfred Hirschmeier.
Das Geburtstagsgeschenk: ein neues Sammlungsdepot
Wie also feiert das älteste Filmmuseum Deutschland seinen 40. Geburtstag? Das große Geschenk ist ein neues Sammlungsdepot. Seit 25 Jahren ruhen die Schätze beengt in ehemaligen Gebäuden des Landwirtschaftsministeriums, ein Provisorium. 2022 soll der Neubau eröffnet werden: auf dem Gelände der Filmstudios Babelsberg. Allein die Fotosammlung umfasst mehr als eine halbe Million Aufnahmen aus Ufa- und Defa-Zeiten, hinzu kommen 15 000 Filmplakate, Szenenbildentwürfe, Skizzen, Baupläne. Und mehr als 200 Nachlässe.
Ein Fuß im filmhistorischen Babelsberg, einen in Potsdams Mitte: Besser geht es nicht, so die Direktorinnen. Die Miete für das 6300 Quadratmeter große Depot trägt das Land. Wenn das Depot dann steht, ist das Filmmuseum eine Top-Adresse. Ilka Brombach sagt: die beste. „Es gibt kein anderes Filmmuseum, das Kino, Ausstellung und große Sammlung hat“, sagt Ilka Bromberg. Eine Sammlung mit Schaudepot zumal, und digitalem Filmarchiv.
Neuerfindung im Geiste der Digitalität
Gründe genug zum Feiern also. Ab 3. Juni auch mit einer Geburtstagsschau - analog und digital. Überhaupt hat sich das Filmmuseum online neu erfunden. Seit Januar gibt es mit „Kino2Online“ einen digitalen Saal mit exzellent kuratiertem Programm, mit Filmen, Geburtstagsgrüßen für Defa-Größen wie Jutta Hoffmann, Angelica Domröse und Wolfgang Kohlhaase oder auch der Reihe „Kino gegen rechts“.
„Kino2Online“ soll auch dann bleiben, wenn der samtblaue Saal wieder öffnen darf. Überhaupt weist vieles Richtung Zukunft. Das neue Depot soll Digitales (ein Filmarchiv) mit Haptischem (Ausstellungstücke vor Ort) verbinden. Ebenso die neue Dauerausstellung. Auch eine neue Webseite ist in Planung.
Pläne gibt es zuhauf. Die gemeinsam mit der Uni Köln und dem Filmmuseum Frankfurt erworbene Sammlung Werner Nekes wird erschlossen. Eine Ausstellung soll das Filmerbe der Transformationszeit zwischen 1989 und 1995 aufarbeiten. Andreas Dresen soll 2023 zum 60. gratuliert werden. Und ein bisschen Selbstbeweihräucherung, eine Publikation in eigener Sache? Zum 50. Geburtstag vielleicht, sagt Christine Handke. „Das ist ein Alter, in dem man dann langsam Bilanz ziehen kann.“ Der 40. jedoch steht unter einem anderen Stern. Aufbruch.
„40 Jahre Filmmuseum Potsdam“, ab 3. Juni im Foyer des Hauses. Und auf der Webseite www.filmmuseum-potsdam.de
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