Medienstadt Babelsberg in Potsdam: Eine Klappe für die Filmschätze
Die Sammlungen des Potsdamer Filmmuseums lagern seit mehr als 25 Jahren beengt in einem Provisorium. Jetzt bekommen sie in einem Neubau doppelt so viel Platz. Am Montag wurde der Grundstein gelegt.
Potsdam - Ein Kostüm, das Zarah Leander in "Das Herz der Königin" in Maria Stuart verwandelt hat. Die einzige 70-Millimeter-Kamera der Defa, speziell entwickelt für die Malerbiografie "Goya". Gemälde von Vincent van Gogh, geschaffen von der "Fälscherwerkstatt der Defa" für einen Science-Fiction-Film. Das sind nur einige der filmhistorischen Kostbarkeiten, die das Filmmuseum Potsdam seit mehr als 25 Jahren in einer alten DDR-Baracke in der Pappelallee lagert - wie berichtet unter teils miserablen Bedingungen.
Neubau kostet 20 Millionen Euro
Damit diese Schätze nicht verloren gehen, und weil das Areal an der Pappelallee für den Bau einer neuen Schule gebraucht wird, bekommt die Sammlung nun ein neues Quartier. Bis Ende nächsten Jahres soll vis-à-vis der Babelsberger Filmuniversität ein fünfgeschossiger Neubau entstehen, dessen technische Ausstattung den oft sensiblen Artefakten ein noch möglichst langes Leben bescheren soll. Am Montag wurde für das rund 20 Millionen Euro teure Gebäude auf dem Gelände des Filmparks der Grundstein gelegt.
Damit bekomme eine deutschlandweit einzigartige Sammlung endlich ein würdiges Domizil, sagte Susanne Stürmer, Präsidentin der Filmuniversität, deren Institut das Filmmuseum seit einigen Jahren ist.
Exponate aus allen Bereichen des Films
Zur Sammlung des Museums zählen mehr als eine Million Exponate, sagte die amtierende Leiterin der Einrichtung, Christine Handke. Der größte Teil davon sind Bestände aus Defa-Zeiten. Aber auch Gegenstände aus den Pionierjahren des Kinos und aus Produktionen, die nach dem Mauerfall entstanden sind, gehören zum Portfolio. Allein die Fotosammlung umfasst nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Aufnahmen aus Ufa- und Defa-Produktionen, hinzu kommen weitere 200.000 Fotos aus ausländischen, hauptsächlich osteuropäischen Werken.
15.000 Filmplakate zählen ebenso zum Bestand wie die gleiche Menge an Szenenbildentwürfen, Skizzen und Bauplänen. Das Museum verwaltet mehr als 200 Nachlässe, darunter in Teilen auch solche von Berühmtheiten wie Marika Rökk und Hans Albers. Hinzu kommen diverse Drehbücher, Kinowerbeartikel, grafische Arbeiten, Filmnegative und -positive, Requisiten, Filmtechnik, Tonträger und anderes. Die Sammlung umfasse jeden Bereich filmischen Schaffens, betonte Handke.
Ein Kamerakran im Foyer
Im Neubau, der mit 6300 Quadratmetern doppelt so viel Platz bietet wie das Provisorium, sollen die Exponate künftig unter optimalen Bedingungen für die Nachwelt erhalten werden. Die Klimatechnik ist speziell auf die unterschiedlichen Materialien zugeschnitten und erlaubt somit eine bestmögliche Konservierung. Die Filme beispielsweise werden bei minus vier Grad im Untergeschoss gelagert. Im ersten Obergeschoss werden Werkstätten für Metall-, Holz- und Papierrestaurierung untergebracht. Ein Teil der Sammlung wird in einem Schaudepot auch öffentlich zu sehen sein. Im Foyer etwa soll ein Kamerakran aus dem Jahr 1949 aufgestellt werden, mit dem beispielsweise Szenen für die Heinrich-Mann-Verfilmung "Der Untertan" gedreht wurden. Verschiedene historische Projektoren und Filmkameras können ebenfalls besichtigt werden. Auch ein Teil der eingangs erwähnten van-Gogh-Fälschungen soll gezeigt werden.
Inmitten gebauter Filmgeschichte
Mehr als 3100 Filme seien seit der Gründung der Ufa im Jahre 1912 in Babelsberg gedreht worden, sagte Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Der Standort stehe für mehr als 100 Jahre Kinoemotionen, deren Erbe nun unter hervorragenden Bedingungen erhalten werden könne. Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, erster Studio-Chef nach der Wende, freute sich ebenfalls über den Neubau für das Museum, zumal an diesem Standort. Das Depot sei umgeben von gebauter Filmgeschichte, sagte der Wahl-Potsdamer. So habe in unmittelbarer Nachbarschaft das später zerstörte Glasatelier gestanden, in dem 1912 "Der Totentanz" mit Asta Nielsen gedreht worden sei - jener Stummfilm, mit dem die Kinotradition auf dem Gelände ihren Anfang nahm. Nebenan stehe das berühmte Tonkreuz, das erste Aufnahmestudio der Welt, das eigens für Dreharbeiten von Tonfilmen errichtet wurde, so der Regisseur. Die Sammlungen des Filmmuseums kämen damit an einen "ganz besonderen Ort".
Vor Journalisten stellte Schlöndorff zudem in Aussicht, seine eigene Sammlung dem Potsdamer Filmmuseum als Dauerleihgabe zu überlassen.
Auch optisch nimmt der Neubau Bezug auf das Thema Kino. So erinnert die Anordnung der zwei miteinander verbundenen Gebäudeteile ein wenig an eine Filmklappe, wie sie bei Dreharbeiten benutzt wird. Der Entwurf stammt von dem Architekten Christoph Kohl, der in Potsdam unter anderem bereits die Speicherstadt und das Kirchsteigfeld konzipiert hat. Neben dem Filmmuseum, das rund zwei Drittel des Komplexes beansprucht, sollen die restlichen rund 2600 Quadratmeter ebenfalls medial genutzt werden. Man sei in Gesprächen unter anderem mit der Filmuni über eine Vermietung, sagte Filmparkchef Friedhelm Schatz. Der Filmpark ist Bauherr und Investor des Gebäudes. Errichtet wird es von der Firma KW-Development des Potsdamer Projektentwicklers Jan Kretzschmar. Die Fertigstellung ist für Dezember 2021 geplant, im Frühjahr 2022 soll das Depot des Filmmuseums einziehen können.
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