Darsteller Jan Hallmann vom Hans Otto Theater: „Ich spiele alle außer Smilla“
Ein Mann, sieben Rollen: Schauspieler Jan Hallmann wirkt in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ am Potsdamer Hans Otto Theater mit. Zum Theater kam er relativ spät.
Potsdam - Jan Hallmann hat die Superlative auf der Bühne eigentlich schon hinter sich: Eine Superheldin in Highheels hat er gespielt. Und sogar Gott. Was soll jetzt noch kommen? Die Verkörperung von gleich mehreren Figuren in einer Inszenierung zum Beispiel. Genau das macht der 33-jährige Schauspieler in der Potsdamer Inszenierung von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, die am morgigen Freitag im Hans Otto Theater (HOT) Premiere hat.
„Ich spiele alle außer Smilla“, sagt Hallmann lax. Die titelgebende Figur der Smilla Jaspersen wird von HOT-Kollegin Franziska Melzer verkörpert. „Und Jesaja wird von einem Kinderdarsteller gespielt“, ergänzt der Schauspieler. Jesaja - je nach Abend gespielt von Felipe Bustamante Villacis oder Milan Falk - ist quasi die zweite Hauptfigur der Geschichte, die auf dem Roman von Peter Høeg basiert. Der Junge stürzt vom Dach und stirbt. Ein Unfall, so scheint es. Doch Smilla Jaspersen, aufgewachsen in Grönland und Expertin für Schnee, glaubt nicht daran. Sie weiß um Jesajas Höhenangst und erkennt im Schnee Spuren, die auf eine Verfolgung hinweisen. Also geht sie der Sache nach und dringt langsam in ein großes Geheimnis ein. Unterstützt wird sie dabei von ihrem geheimnisvollen Nachbarn, der nur „Mechaniker“ genannt wird – und eine von Jan Hallmanns Rollen ist.
Leidenschaftlicher Ernst für das Theater
Ob sie zu den schwierigeren der Inszenierung gehört, möchte der gebürtige Tübinger allerdings nicht preisgeben. Überhaupt hält er sich noch bedeckt, was seine Figuren angeht. „Klar gibt es auch eine Lieblingsfigur, aber die möchte ich nicht verraten“, sagt er und lacht dabei. Noch wissen wir also nicht, ob es Professor Loyen, der Vater von Smilla, der ermittelnde Kommissar Ravn, der Arzt oder gar Buchhalterin Elsa Lübing ist – Hallmanns Frauenrolle in dem Stück. Nach manchen seiner Charaktere ist er auch noch immer auf der Suche, wie er eine Woche vor der Premiere sagt. „Ich versuche, die auch im Alltag zu finden.“ So wie die Figur Ravn etwa, die ihm in Form eines Straßenbahnkontrolleurs begegnete.
„Der hatte so einen richtig strengen Beamtenblick, hat dann aber privat telefoniert und war dabei ganz weich“, erzählt Hallmann. Das habe ihn fasziniert. „Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich Rollen möglichst genau einem Milieu oder einem Charakter zuschreiben möchte.“ Aber die Welt sei eben nicht so einfach und das müsse sich auch auf der Theaterbühne widerspiegeln. Leidenschaftlich sagt er das. Mit einem Ernst in der Stimme, der klar macht, was Theater ihm bedeutet.
Auf Umwegen zum Theater
Dabei hat Jan Hallmann seine Liebe für die Bühne erst relativ spät entdeckt. Zunächst studierte er „Kunst und Technik“, konnte damit aber absolut nichts anfangen. „Ich war in einer richtigen Krise und brauchte ein Ventil, um Luft rauszulassen.“ Ein Freund empfahl dem damals 23-Jährigen, einer Theatergruppe beizutreten. Hallmann folgte dem Rat. „Für mich war sofort klar, das ist was.“ Loslassen können, sich frei bewegen, den Körper erzählen lassen, das „Dionysische“ habe ihn fasziniert. Und er gibt auch zu: „Am Anfang fand ich es schon auch einfach geil, auf der Bühne zu stehen und beklatscht zu werden.“ Sei dieses Gefühl allerdings erstmal überwunden, ist Theater noch viel mehr. „Der Zauber des Jetzt klingt etwas ausgelutscht, aber genau das ist es halt.“ Auf der Bühne passiere dann etwas, was so nie wieder passieren wird.
Hallmann bewarb sich an verschiedenen Schauspielschulen, an der Hochschule für Musik und Theater Rostock wurde er schließlich angenommen. Dort – das Hochschulgebäude in einem ehemaligen Kloster vergleicht Hallmann mit der Harry Potter-Zauberschule Hogwarts – habe er gemerkt, wie es ist, für etwas zu brennen. Er habe sich regelrecht verzehrt, um die Figuren zu durchdringen. „Sowohl positiv als auch negativ“, sagt er. Etwa das richtige Maß für die Erarbeitung von Rollen zu finden, musste er erst lernen. Heute gehe er mit Rollen nicht mehr so intensiv schwanger. „Sie begleiten mich vielleicht noch in die Tram, aber zu Hause werden sie abgelegt.“
„Ich war quasi ein Mann, der eine Frau sein will, die eine Katze ist“
Hallmann lebt mit seiner Familie inzwischen in Potsdam Waldstadt. Das Engagement in Potsdam und der damit verbundene Umzug seien ein großes Glück für den Schauspieler gewesen. Zuvor hatte er ein Engagement im Theaterhaus Jena – eine spezielle und wilde Zeit, wie Hallmann sie beschreibt. Eine seiner dortigen Rollen beschäftigt ihn noch immer: In „Titanic“, einem Stück der kubanischen Autoren Marcos Díaz und Rogelio Orizondo spielte er Catwoman, die undurchschaubare Superheldin aus den Batman-Comics. „Ich war quasi ein Mann, der eine Frau sein will, die eine Katze ist“, beschreibt Hallmann seine Figur. „Das muss man erstmal reinkriegen – und auch wieder raus.“
Nachhaltig waren auch die Erfahrungen hinter der Bühne: Männliche Kollegen pfiffen ihm aus Spaß hinterher, wenn er in Highheels und Lederkostüm mit Kunstbrüsten umherlief. „Das war natürlich ironisch gebrochen, aber ich fand es trotzdem beklemmend.“ Vielleicht müsse jeder Mann mal einen Tag in Frauenklamotten verbringen, um im Ansatz nachfühlen zu können, welchen Mustern Frauen täglich ausgesetzt sind. So wie auch Smilla Jaspersen, die in „Smillas Gespür für Schnee“ mit Sexismus und als Inuit auch mit Rassismus konfrontiert ist.
Klassische Sprache und wildes Theater
Die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit Charakteren und Themen liebe er am Theater. Die wild-modernen Inszenierungen à la Jena interessieren ihn dabei genauso wie klassische Stücke. Am Hans Otto Theater spielt er unter anderem Gott in Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“. In Shakespeares „Othello“ verkörpert er den Rodrigo. „Spannend ist, dass wir hier keine klassische Sprache verwenden.“ Dabei fasziniere ihn bei Klassikern genau das: die veraltete Sprache hervorzuholen. Weil sie nicht alltäglich ist und dadurch durchaus verstören kann.
Und schließlich moderne Inszenierungen wie „Fräullein Smillas Gespür für Schnee“: „Man fragt sich zunächst ja schon, was ein Krimi am Theater zu suchen hat“, sagt Hallmann. „Bis man feststellt, dass in der Geschichte so viel mehr drinsteckt.“ Der Krimi selbst sei irgendwann gar nicht mehr so wichtig. Die verschiedenen Figuren dafür umso mehr.
>>Die Premiere sowie die ersten beiden Vorstellungen sind bereits ausverkauft