"Kabale und Liebe" am Potsdamer Hans Otto Theater: Auf den ersten Blick ein Loser
Hannes Schumacher ist eines der neuen Ensemblemitglieder des Hans Otto Theaters. In „Kabale und Liebe“ spielt er den Ferdinand – eine zwiespältige Rolle, die herausfordert.
Potsdam - So richtig wegplaudern lassen sie sich nicht: die Sätze aus Friedrich Schillers Drama „Kabale und Liebe“. Manche sind sogar regelrecht unsagbar, findet Hannes Schumacher. Er muss es wissen, schließlich spielt der 31-Jährige den Ferdinand in der Inszenierung des Hans Otto Theaters (HOT), die am Freitag, 8. Februar Premiere hat. Und diesem Ferdinand, einen jungen, etwas verspannten Adligen, hat Schiller eben Sätze in den Mund gelegt, die so voller Pathos seien, dass sie nicht mehr in unsere Zeit passten. Etwa wenn seine geliebte Luise ihn am Ende im Sterben aufklärt, dass sein Vater ihr den alles zerstörenden Brief geschrieben hat und Ferdinand daraufhin: „Mörder und Mördervater! – Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen rase“ ruft.
„Das ist schon ein bisschen Gaga“, sagt Schumacher. „Erst bringt er Luise um, dann will er auch dem Vater hinterher.“ Dazu kommt es zwar nicht – Ferdinand vergibt dem Vater –, aber sitzen müssen die Worte trotzdem. Viel Arbeit sei es, sich die so zu erarbeiten, dass sie eben nicht nach falschem Pathos klingen, sondern ehrlich, emotional. „Sonst nimmt man sich selbst nicht ernst und nuschelt rum“, so Schumacher, der vor seinen Antworten immer erst kurz nachdenkt. Trotz oder gerade wegen seiner Sperrigkeit, mag er das Stück. Weil es schön ist, wie er sagt. Und weil es sehr gut zeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen miteinander reden.
Reden würde alles vereinfachen
„Hier macht das nämlich niemand“, sagt Schumacher. Wohin das führt, ist längst bekannt: zu Intrigen, Verrat und tödlichen Missverständnissen. Vor allem aber zu einem unnötig dramatischen Ende einer sehr jungen Liebe. „Wenn Luise und Ferdinand einfach mal einen Schritt zurückgehen würden, ihren eigenen Standpunkt hinterfragen und behutsamer miteinander umgehen würden, wäre alles ganz simpel“, findet Schumacher und weist gleich auf die nächste Herausforderung des Stückes hin: Den richtigen Ton für Luises und Ferdinands Liebe zu finden.
In den Gesprächen der beiden werde die nämlich nicht so richtig deutlich. Der Text versperrt sich dem Verliebtsein, wie Schumacher es ausdrückt. „Trotzdem hat diese Liebe ihre Berechtigung, ihre Spannung“, sagt der Schauspieler, der am HOT auch in „Pension Schöller“ und „Der Gute Mensch von Sezuan“ zu sehen ist. Diese Spannung, den Funken, der zwischen Verliebten sichtbar ist, zu finden, sei schwierig – aber nicht unmöglich. „Alleine geht das natürlich nicht, es braucht eine gute Partnerin dafür“, sagt er. In Potsdam wird die Luise von Lara Feith gespielt. Und dann müsse man eben diesen einen Moment finden, der kaum planbar ist.
„Ich bin normalerweise zurückhaltend“
Hannes Schumacher mag solche Herausforderungen. Sie sind ein Grund, warum er Schauspieler geworden ist. Irgendwie reingeschlittert sei er in den Beruf. Angefangen beim Darstellenden Spiel in der Schule bis hin zu Laienspielgruppen. „Irgendwann habe ich das dann auch studiert“, sagt er und schmunzelt. Das macht er nicht oft während des Gesprächs. Wenn er es allerdings tut, schmunzelt der Körper gleich mit, richtet sich auf, strahlt irgendwie anders. „Ich bin normalerweise zurückhaltend“, sagt Schumacher. Auch das sei ein Grund für seine Berufswahl: sich anders zu öffnen, Dinge ausleben zu können, die er sonst nicht macht und sich darüber neu kennenzulernen.
Um das Potsdamer Engagement hat er sich bewusst beworben. Geboren in Ribnitz-Damgarten, studierte er in Rostock Schauspiel und war ab 2015 für drei Jahre am Aachener Theater – unter anderem als Gretchen in Faust I und II. „Ich wollte einfach wieder nach Hause“, sagt Schumacher, der in Berlin viele Freunde hat. Der Abstand habe ihm an der Seele genagt, wie er es ausdrückt. Jetzt wohnt er mit Frau und Kind in Potsdam-West und muss sich noch ein bisschen daran gewöhnen. Denn auch, wenn die Menschen dort überaus freundlich sind, seien die Strukturen doch etwas dörflich. „Es fehlt ein bisschen die Berliner Vielfalt.“ Er gibt aber zu, noch nicht viel Zeit gehabt zu haben, die Stadt wirklich kennenzulernen. „Ich tingele derzeit zwischen Theater und Familie.“ Immerhin: Als leidenschaftlicher Discgolfer hat er schon die entsprechende Sportanlage im Potsdamer Volkspark entdeckt. Irgendwann würde er gerne bei einem Anfängerturnier mitmachen – aber auch dafür fehlt im Augenblick die Zeit.
Ferdinand ist zerrissen
Die brauchte Schumacher in den letzten Wochen, um sich Ferdinand zu erarbeiten. Bereits im Studium hat er ihn verkörpert und beschreibt ihn heute als einen sehr menschlichen, realistischen Charakter. „Ferdinand ist jemand, der nicht mit beiden Beinen im Leben steht, der zerrissen ist und bis zur Hälfte des Stückes gar nicht weiß, was er machen soll“, sagt Schumacher. Solchen Personen, die schlittern und deren Leben auf einmal bröckelt, begegne er öfter im Leben. Schumacher scheut sich nicht, seine Figur einen Loser zu nennen, möchte sie aber selbst so spielen, dass sie nicht als vollkommener Volldepp dasteht.
Dafür muss er eine emotionale Anbindung an ihn finden, wie er sagt. Auch, um Ferdinands Handeln zu verstehen – selbst in seiner Entscheidung für den Giftmord an seiner geliebten Luise. „Hier wird es richtig kompliziert“, sagt Schumacher. In den Proben sei er oft an dieser Stelle gescheitert. „Das ist immer furchtbar, aber auch erlaubt.“ Und obwohl er zugibt, schon lange nicht mehr so einen Bammel vor einer Premiere gehabt zu haben, ist er zuversichtlich, großartige Momente auf der Bühne zu finden. Vielleicht sogar mit Sätzen, die nach Plaudern klingen.
>>Die Premiere ist ausverkauft, Karten sind wieder für den 16. Februar erhältlich