Potsdamer Kunst aus dem Rechenzentrum in der Garnisonkirche: Besuch im Bau
Versuch einer Annäherung: Mit "Blickwinkel 1.0" gab es eine erste Ausstellung in der Baustelle der Garnisonkirche. Auch Künstler aus dem Rechenzentrum waren dabei. Unfrieden gab es trotzdem.
Potsdam - Nietzsche sieht niedlich aus. Die Hände knollig und weich, der Oberlippenbart flauschig. Der Kopf riesenhaft, die Füße winzig. Die Arme hat er leicht angehoben. Komm, scheint er zu sagen. Oder doch: Ach komm schon? Nietzsche ist aus Wolle und Draht, man kann ihn kaufen. Er ist Teil der Schau "Blickwinkel 1.0", die vom 2. bis 4. Oktober in der Baustelle der Garnisonkirche zu sehen war. Die erste Kunstausstellung, die hier je stattfand. Im März 2021 soll "Blickwinkel 2.0" folgen.
Keine extremen Positionen gewünscht?
Der Nietzsche, gefilzt von der Künstlerin Simone Westphal, war so nicht geplant. Wäre es nach ihr gegangen, hätte hier ein anderer Mann mit Bart gestanden: Adolf Hitler. Ein Hitler mit nur einer Hand, darin ein Pinsel. Die andere Hand ein mit roter Wolle markierter Stumpf. Westphals Gedanke: Was, wenn Hitlers Hand nicht die von Hindenburg geschüttelt hätte, damals, vor der Garnisonkirche? Die Idee dazu kam ihr, als sie sich den Ausstellungsort in der Baustelle ansah. Am Tag vor der Eröffnung war das.
Als sie den Kuratoren Lars Kaiser und Jeanne van Dijk, die wie sie ein Atelier im Rechenzentrum haben, die Skulptur zeigte, sagten die: Nein. "Sie wollen keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Ort", sagt Simone Westphal. "Sie wollen keine extremen Positionen. Sie wollen bequeme Kunst." Kurator Kaiser sagt: "Das war keine ideologische Entscheidung. Es war eine rein künstlerische." Die Stiftung der Garnisonkirche habe damit nichts zu tun. "Das Konzept stand. Die Flyer waren gedruckt. Die Künstler hatten ein halbes Jahr Zeit, um sich vorzubereiten." Sich in letzter Sekunde umzuentscheiden sei unprofessionell. Auch der Künstler Bernd Chmura hatte in letzter Minute seinen Beitrag ändern wollen. Er ist nun gar nicht vertreten.
Kein Miteinander, aber Kunst von ihrer besten, vielfältigsten Seite
Aus dem "Miteinander", dem sich die Schau verschrieben hatte, wurde also nichts. Statt Versöhnung erlebte der seit Jahren schwelende Streit zwischen den Verfechtern des Aufbaus der Garnisonkirche und den Vertretern des Rechenzentrums ausgerechnet am Einheitswochenende seinen kleinen Skandal.
Und die Kunst? Die zeigte sich im gnadenlosen Arbeitslicht des Rohbaus von der besten, vielfältigsten Seite. 34 Künstlerinnen und Künstler aus Potsdam und Umgebung: von den Ölpastellen eines Alfred Schmidt und den Schwarz-Weiß-Fotografien einer Heike Isenmann über die abstrakten Skulpturen eines Mikos Meininger und die brutalen, farbkräftigen Kriegsfragmente eines Menno Veldhuis bis hin zu den vielsagenden zwölf leeren Stühlen, die Christian Heinze um eine Tafel gruppiert hat. Militarismus und Nationalstolz, Redefreiheit und Unterdrückung, Religiosität und Gottlosigkeit, all das schwebte hier mit im Raum. Wie auch, im Wortsinn, "Kreuzfahrt". Die Rauminstallation von Chris Hinze zeigt fliegende Boote. Ohne Planken.
Lena Schneider
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