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Auf dem jetzt brachliegenden Gelände der ehemaligen Feuerwache an der Werner-Seelenbinder-Straße sollen rund zehn neue Gebäude errichtet werden – zunächst ein langgezogenes Haus auf dem Grundriss des früheren Langen Stalls.
© Visualisierung: MVRDV/ Glockenweiss

Rund um den Platz der Kosmonauten: Pläne für neues Kreativhaus in Potsdam vorgestellt

Ersatz für das Rechenzentrum: Das Konzept für das neue Kreativzentrum in der Mitte sieht auch bemerkenswerte Straßennamen vor.

Potsdam - Teils gezackte Dächer, eine enge Baustruktur und deutlich mehr Platz für Künstler als gedacht: Diese Pläne für das neue Kunst- und Kreativquartier auf dem Gelände der alten Feuerwache in der Potsdamer Innenstadt stellte der jetzt von einer Jury ausgewählte Investor Christopher Weiß am Freitag der Presse vor. In seinem Konzept verzichtet er auf einen eigentlich in dem Quartier vorgesehen großen Platz zugunsten vieler kleinerer Gebäude, an denen jeweils Teile des denkmalgeschützten Mosaiks „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ angebracht werden.

An das DDR-Mosaik angelehnt, das derzeit noch am Kreativhaus Rechenzentrum hängt, sind auch die vorgeschlagenen Straßennamen im Quartier: Von einer Karl-Marx-Straße und einem Satellitenhof über einen Platz der Kosmonauten bis hin zu einer Datenstraße könnte sich das Quartier erstrecken, ferner ist eine Raketengasse und eine Arbeiterinnenstraße geplant. Auch dem Mosaik-Künstler Fritz Eisel soll eine Straße gewidmet werden. Die Bebauung sei sehr dicht geplant, auch um ein urbanes Lebensgefühl zu vermitteln, so der Investor. Die Namen seien eine Diskussionsgrundlage, sagte er auf Nachfrage.

Zu sehen ist schon jetzt, dass das Quartier optisch abwechslungsreich ausfallen wird. Wie die Gebäude genau aussehen, muss aber noch bei einem Architekturwettbewerb geklärt werden. Insgesamt bietet das Quartier 18400 Quadratmeter Platz für die Kreativwirtschaft – viel mehr als bisher gedacht.
Zu sehen ist schon jetzt, dass das Quartier optisch abwechslungsreich ausfallen wird. Wie die Gebäude genau aussehen, muss aber noch bei einem Architekturwettbewerb geklärt werden. Insgesamt bietet das Quartier 18400 Quadratmeter Platz für die Kreativwirtschaft – viel mehr als bisher gedacht.
© Visualisierung: MVRDV/ Glockenweiss

Mit all diese Ideen haben sich der seit einigen Jahren in Potsdam lebende Investor Weiß und seine Berliner Firma „Glockenweiß“ im Rennen um den Auftrag für das Großprojekt gegen zwei andere Mitbewerber durchgesetzt. Die dazu vom kommunalen Sanierungsträger durchgeführte Ausschreibung war im Juli gestartet. Einstimmig sei der Beschluss in der auch mit Stadtverordneten und Kreativen besetzten Jury für dieses „Village“-Konzept gefallen, sagte Potsdams Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) – auch mit Blick darauf, dass die Stadtverordneten das Konzept im Januar absegnen sollen.

So zählte er die Vorteile des Entwurfs auf, sprach von einem „innovativen Konzept“ mit verschiedenen Haustypen und -formen. Demnach werden 18.400 Quadratmeter Nutzfläche für die Kreativwirtschaft geschaffen, 7000 Quadratmeter davon zu einer Anfangsmiete von neun Euro nettokalt. Das ist jeweils beinahe doppelt so viel, wie noch in der Ausschreibung gefordert. Und zum Vergleich: Das jetzige Rechenzentrum bietet 5000 Quadratmeter. Weiß sagte, es werde auch Räume geben, die für mehr als 15 Euro pro Quadratmeter vermietet werden – diese solventen Kunden sollen dann auch die vergleichsweise niedrigen Mieten anderswo gewissermaßen quersubventionieren. Diese auch von der Stadtpolitik gesetzte Vorgabe sollen ein Vertrag und ein Grundbucheintrag sichern. Der Investor erhält das Grundstück wie berichtet zum Festpreis von elf Millionen Euro, auf einen Verkauf zum Höchstgebot hatte die Stadt zugunsten möglichst geringer Mieten verzichtet. Auch eine andernorts übliche Tiefgarage muss nicht gebaut werden. Ergänzend sollen einzelne Appartements, etwa für Studenten, errichtet werden, sagte Weiß.

Der Abriss des alten Rechenzentrums an der Dortustraße in der Potsdamer Innenstadt ist weit fortgeschritten. Aufgenommen am 15. November 2019.
Der Abriss des alten Rechenzentrums an der Dortustraße in der Potsdamer Innenstadt ist weit fortgeschritten. Aufgenommen am 15. November 2019.
© Hajo von Cölln

Baubeginn könnte im Frühjahr 2021 sein, hieß es von den Beteiligten. Zuvor müssen noch ein Architekt mit Hilfe eines Wettbewerbs ausgewählt und das Konzept weiter verfeinert werden – um im Herbst 2020 den Bauantrag einzureichen. Bekanntlich drängt die Zeit. Bis Ende 2023 müssen die Kreativen aus dem jetzigen Rechenzentrum in ihr neues Refugium ziehen können – der marode DDR- Block stünde bekanntlich einem Kirchenschiff für die Garnisonkirche im Weg.

Investor Weiß sagte, zunächst wolle man ein langgestrecktes Gebäude mit fast 10.000 Quadratmetern Nutzfläche errichten – auf dem Grundriss des ehemaligen Langen Stalls, das allerdings dem ursprünglichen Bau nur nachempfunden ist. Die Dachform werde neu interpretiert.

Danach wird dann sukzessive der Rest des Quartiers entwickelt, dafür muss auch der Bebauungsplan vor Ort noch einmal verändert werden. Schon vor den eigentlichen Bauarbeiten sei in einer „Phase Null“ auf der heutigen Brache geplant, diese mit Festivals oder Aufführungen des Theaters Poetenpack zu beleben. Ein Projektpartner sei auch der frühere Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD), der Kurator für das Projekt und Geschäftsführer einer zu gründenden gemeinnützigen Betreibergesellschaft werden könnte, so Weiß. Auch der Berliner Möbeldesigner Wilfried Lembert sei mit an Bord. Referenzen hat das Unternehmen, hat schon Quartiere in Berlin und Nauen (Havelland) entwickelt.

Mehrfach betonten die Anwesenden, dass auch die beteiligten Kreativen aus dem Rechenzentrum das Projekt unterstützen – was auch deren Vertreterin Brigitta Bungard deutlich machte. Gleichzeitig erinnerte sie aber auch daran, dass die Bauverwaltung nach einem Beschluss der Stadtverordneten prüfen muss, ob das Rechenzentrum zumindest in Teilen erhalten werden kann. In der Debatte um den Wiederaufbau der Garnisonkirche ist der DDR-Bau mehrfach als modernes Kirchenschiff vorgeschlagen worden – als Bruch zur belasteten Geschichte des Ortes.

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