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Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).
© Andreas Klaer

Interview | Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Nur mit freundlich Bitten erreicht man nichts“

Eine Potsdamerin ist Bauministerin im Kabinett Scholz: Klara Geywitz (SPD) über Holzbau, Mieten und einen Krampnitz-Rundgang.

Frau Geywitz, haben Sie selbst schon mal ein Haus gebaut?
Nein, selbst noch nicht. Am Baumhaus meiner Kinder habe ich mitgebaut.

Aber Sie haben sicher bei Verwandten oder Freunden erlebt, wie kompliziert dieser Prozess ist …
In der Tat. Ich habe das als Stadtverordnete in Potsdam begleitet und als Aufsichtsrätin der Pro Potsdam, der städtischen Bau- und Wohnungsholding. Deshalb weiß ich genau, welche Herausforderung es ist, schnell und preiswert zu bauen.

400 000 neue Wohnungen im Jahr verspricht die Ampelkoalition für Deutschland – wie wollen Sie das schaffen und wie schnell wollen Sie dabei sein?
Wir fangen nicht bei null an. Es werden täglich Wohnungen gebaut. Wir wollen die Zahlen aber erheblich steigern und dafür sorgen, dass es viele bezahlbare Wohnungen werden. In Deutschland sind 800 000 Wohnungen genehmigt, aber noch nicht gebaut. Ich werde rasch damit beginnen, den Dialog mit der Bau- und Wohnungswirtschaft zu starten, um einen Aufbruch zu schaffen und dauerhaft die Baukapazitäten erhöhen. Da geht es nicht nur um die Finanzierung, die Planung und Genehmigung, sondern auch darum, genügend Fachkräfte zu haben. Im Koalitionsvertrag spielt dieses Thema eine große Rolle, viel Konkretes ist verabredet, das viel verändern wird.

Was ist wichtiger – dass die Wohnungen schnell entstehen, oder dass sie auch möglichst ökologisch verträglich sind?
Das ist kein Gegensatz. Wir werden die Klimaziele einhalten. Dazu werden wir auf Nachhaltigkeit achten und darauf, Bodenverbrauch und Bauen nachhaltig vereinbar zu machen. In Potsdam gibt es die Initiative „Bauhaus der Erde“, die wichtige Impulse für eine ökologische Modernisierung des Bauens gibt. Weil die deutsche Bauindustrie ohnehin eine hohe Qualität abliefert, kann fortschrittlich-ökologisches Bauen ein neuer Zweig unserer Exportwirtschaft werden.

Das „Bauhaus der Erde“ baut mit Holz statt mit Beton – ist das auch Ihr Ansatz?
Es gibt auch beim Beton neue technologische Verfahren, um die CO2-Emissionen zu begrenzen. Aber Holz ist tatsächlich ein sehr spannender Baustoff. Ich habe auch einen persönlichen Bezug dazu: Meine Schwester arbeitet am Lehrstuhl für Ingenieurholzbau der TU Dresden.

Sie wollen den seriellen Wohnungsbau einführen – meint das eine Rückkehr zu dem in der DDR üblichen Plattenbau?
Ich warne davor, mit diesem Begriff etwas schlecht reden zu wollen. Der Plattenbau ist nämlich besser als sein Ruf. Sehr viele Menschen leben sehr gerne in diesen Wohnungen. Ihre Energie- und Klimabilanz ist gut. Und serielles Bauen halte ich für eine Riesenchance, denn es hat viele Vorteile: Mit vorgefertigten Bauteilen zu arbeiten geht schneller. Es entsteht weniger Baulärm. Und die Teile können industriell gefertigt werden. Prototypen gibt es schon, nun ist es wichtig, dass sich diese Technik schnell verbreitet.

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Der Mieterbund hat den Koalitionsvertrag scharf kritisiert, vermisst eine echte Mietpreisbremse. Wie wollen Sie die Menschen vor zu hohen Mieten schützen?
Der Koalitionsvertrag sieht eine Mietpreisbremse bis 2029, eine Begrenzung von Mieterhöhungen in angespannten Wohnungsmärkten und die Ausweitung des Mietspiegels vor. Ich werde mit dem Justizminister sprechen, um das so schnell wie möglich umzusetzen.

Teile der SPD befürworten die Enteignung großer Wohnungskonzerne – Sie auch?
In Berlin hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei darauf verständigt, eine Expertenkommission zu diesem Thema einzusetzen. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Aber klar ist: Mit einer Enteignung entsteht keine einzige neue Wohnung, es ändert sich nur die Eigentümerstruktur. Mein Ziel ist, Mietern Sicherheit zu geben, dass ihre Miete in den nächsten Jahren bezahlbar bleibt. Ein bunter Mix aus zum Beispiel privaten Vermietern, Genossenschaften oder Wohnungsgesellschaften ist übrigens der beste Schutz gegen eine Monopolbildung.

Mit einer Enteignung entsteht keine einzige neue Wohnung.

Klara Geywitz

Sie sind von der Ausbildung Politikwissenschaftlerin – was qualifiziert Sie für die neue Aufgabe?
Ich muss ja die Häuser nicht selber bauen. Es geht um eine Managementaufgabe. Ich war 15 Jahre lang Stadtverordnete, 15 Jahre Landtagsabgeordnete. Die vergangenen eineinhalb Jahre war ich als Führungskraft in der Bauabteilung des Landesrechnungshofs tätig und habe dort die Fördermittel und ihre Verwendungsnachweise geprüft. Das heißt: Ich bringe für meine Aufgabe sicher mehr Detailkenntnis mit als mancher andere Minister.

Als Olaf Scholz Sie als Bundesministerin vorgestellt hat, verwies er auf Ihre Erfahrungen in der Kommunalpolitik. Was haben Sie in den vielen Jahren in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung gelernt, das Ihnen jetzt von Nutzen ist?
Potsdam ist ein Labor für die Entwicklung des deutschen Immobilienwesens: Wir haben den ganzen Zyklus mitgemacht. Vom Leerstand und der Frage, wie man damit umgeht, bis zum kompletten Umschlagen, als Potsdam auf einmal eine wachsende Stadt wurde. Als ich 1998 Stadtverordnete wurde, haben wir überlegt, ob es sinnvoll ist, auf dem Buga-Gelände mehrgeschossige Wohnungen zu bauen – oder ob das nicht dazu führen würde, dass die Waldstadt leer steht. Heute nicht mehr vorstellbar. Potsdam zeigt: Es gibt keine Gewissheiten in der Planung, Prognosen sind nur Prognosen. Die wichtigste Lehre aus meiner Potsdamer Stadtpolitik ist, dass man das Wohnen für die Allgemeinheit sichert – und der Staat nicht Grundstücke und öffentliche Gebäude wie zum Beispiel Schulen verkauft, weil er sie aktuell nicht braucht.

In Krampnitz sollen zunächst bis zu 5000 Menschen wohnen.
In Krampnitz sollen zunächst bis zu 5000 Menschen wohnen.
© Ottmar Winter

Seit einigen Jahren werden in Potsdam überdurchschnittlich viel Wohnungen gebaut, wenn man dies beispielsweise mit Berlin vergleicht. Gibt es ein Potsdamer Modell, das bundesweit Schule machen kann?
Wenn gebaut werden soll, geht es in Potsdam schnell. Und ich wage auch die Einschätzung, dass wir in Potsdam eine sehr professionell aufgestellte kommunale Bauholding Pro Potsdam haben, die es geschafft hat, auch unter schwierigen Bedingungen – die sich jetzt aber verbessern werden – in relevanten Größenordnungen zu bauen.

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Können Sie schon sagen, was Potsdam konkret erwarten kann mit Ihnen als Bundesbauministerin?
Ich sehe sehr viele Anknüpfungspunkte zu vielen Kommunen. In der Frage des ökologischen Bauens ist Potsdam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem „Bauhaus der Erde“ von Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber einer der Vorreiter. Das kann man auf die gesamte Bau- und Wohnungsbranche ausdehnen. Auch diese Erfahrungen werde ich in das Bündnis für bezahlbares Wohnen mitnehmen, das ich gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft, den Mieterverbänden und der Bauindustrie gründen werde. Ein zweiter Punkt ist ein ganz praktischer: Ich vermute, dass Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert mich anruft und über das geplante neue Wohngebiet Krampnitz reden will – aber das wird vielleicht erst nächste Woche sein. (lacht)

In Potsdam fragt man sich schon, ob Ihre Berufung der Stadt eher nützt oder schadet.
Warum sollte sie schaden?

Weil vermutlich nicht der Eindruck entstehen soll, Potsdam hätte durch Sie Vorteile, und die Stadt so möglicherweise eher weniger als mehr Unterstützung bekommt.
Ach, wissen Sie: Wichtig ist immer und grundsätzlich die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns. Die Ministerin entscheidet ja nicht selbst, welche Stadt etwas kriegt und welche nicht. Wir haben Förderprogramme, an denen sich alle Kommunen beteiligen können, die Fachleute im Ministerium werden jeden Antrag votieren – da muss sich keiner Sorgen machen.

Und wenn der Anruf aus Potsdam von Mike Schubert kommt wegen Krampnitz …
… dann mache ich dort einen Spaziergang, aber die Regeln bleiben die gleichen. Ich war noch nie auf dem Gelände, ich bin sehr gespannt, wie es sich entwickelt.

Sie sind neben Steffi Lemke die einzige Ministerin aus Ostdeutschland, aber sie kommt von den Grünen. Dann gibt es noch die Staatsminister Carsten Schneider und Reem Alabali-Radovan – ist Ostdeutschland im Kabinett ausreichend vertreten?
Für die SPD gesprochen: Wir sind gut dabei. Bei den Koalitionspartnern ist da noch mehr Ausbaupotenzial.

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Wie prägt es Ihre Politik, dass Sie Ostdeutsche sind?
Wenn man nicht zur Mehrheit gehört, hat man es schwerer und muss mehr strampeln. Oder wie Manuela Schwesig sagt: Man braucht einen hohen Nervfaktor. Nur mit freundlich Bitten erreicht man nichts. Die Erfahrung der Transformation einer Gesellschaft zu haben, ist für mich sehr hilfreich: Ich weiß, das Leben geht weiter, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Auch jetzt bin ich wieder in einer Situation, in der viele sagen: Sie ist jetzt Ministerin, da muss gleich ganz viel passieren. Und dann komme ich in mein Büro, und da ist noch nicht einmal ein Rechner oder ein Diensthandy. Aber das ist kein Drama, das kriegt man alles gut hin. Das ist ostdeutsche Schule, vor neuen Herausforderungen nicht zu erschrecken, sondern zu sagen: Na gut, die nehmen wir auch noch mit.

Ich weiß, das Leben geht weiter, auch wenn es mal nicht so gut läuft.

Klara Geywitz

Im Gegensatz dazu allerdings steht die These, dass die Transformation Menschen in Ostdeutschland so strapaziert hat, dass sie sich weiteren Veränderungen eher verweigern als Menschen im Westen Deutschlands, die 1989 und die Folgen nicht durchgemacht haben.
So kann man das überhaupt nicht sehen, denn in diesem Transformationsprozess gab es Gewinner und Verlierer. Wenn Sie persönlich ganz viele Veränderungen in Ihrem Leben hatten, und die am Ende dazu geführt haben, dass Sie Bundesministerin sind, dann finden Sie es toll, wenn sich etwas ändert. Aber wenn Sie ihren Job verloren haben, in einer Gegend wohnen, aus der alle jungen Menschen weggezogen sind, inklusive ihrer eigenen Kinder, dann werden sie sagen: Jetzt nicht auch noch das. Das ist eine riesige Herausforderung für unsere Gesellschaft, die Gewinner und die Verlierer des Einigungsprozesses nicht noch weiter auseinander laufen zu lassen – das ist ja in den letzten Jahren passiert.

Auch in Ihrer Familie gab es Verlusterfahrungen nach 1989/90. Wie viel hilft es, wenn Menschen wissen, da sitzt jemand an der Spitze des Bundesbauministeriums, dem das nicht fremd ist?
Die Tatsache, dass ick aus Brandenburg komme, kann man kaum verstecken, glaube ich … (lacht). Ja, es ist eine klare Frage der Repräsentanz: Leute sehen im Fernsehen, da ist eine aus Brandenburg, die ist mir ähnlich. In den letzten Tagen habe ich auch ganz, ganz viele Glückwünsche gekriegt von Menschen, die ich schon vor 20 Jahren getroffen habe und die sich super für mich gefreut haben. Es macht natürlich etwas mit einem, wenn man weiß, man kommt da vor – oder auch nicht.

Sie waren in Brandenburg schon als Nachfolgerin von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Gespräch, doch dann haben Sie nach einem Zerwürfnis als SPD-Generalsekretärin hingeworfen, 2019 in Potsdam Ihr Landtagsmandat verloren, sind mit Olaf Scholz im Rennen um den SPD-Bundesvorsitz gescheitert. Was haben diesen politischen Niederlagen mit Ihnen gemacht?
Es gibt Politiker, die Angst haben, ihre Position zu verlieren. Die sich ständig absichern, ganz vorsichtig sind oder sehr misstrauisch werden. Ich sage: Demokratie ist Verantwortung auf Zeit. Bei mir haben Veränderungen, die nicht so toll waren, immer dazu geführt, dass mein sowieso schon vorhandener großer Unabhängigkeitstrieb gestärkt wurde, weil das Leben mir gesagt hat: Es gibt vielleicht mal eins auf die Mütze, aber es geht trotzdem weiter.

Geywitz und der heutige Kanzler Olaf Scholz bewarben sich 2019 für den SPD-Vorsitz.
Geywitz und der heutige Kanzler Olaf Scholz bewarben sich 2019 für den SPD-Vorsitz.
© dpa

Mit Ihnen kommen auch Annalena Baerbock und Kanzler Olaf Scholz aus Potsdam. Wie wird die Potsdam-Connection in der Bundesregierung funktionieren?
Na ja, Annalena hat schon gesagt, dass ja klar ist, wo jetzt die Kabinettsklausuren stattfinden! Ich kenne sie aus Potsdam schon sehr, sehr viele Jahre – das ist sicherlich hilfreich bei der Zusammenarbeit. Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass ich auch mit den Bundesministern, die nicht in Potsdam wohnen, gut auskommen werde.

Manche Potsdamer fragen sich, wie es ihre Stadt verändern wird, dass der Bundeskanzler hier wohnt, die Bundesaußenministerin und die Bundesbauministerin. Was meinen Sie, als alt eingesessene Potsdamerin?
Ich glaube nicht, dass die Potsdamer sich da großartig drum kümmern. Mein Eindruck ist, dass die Promi-gewöhnt sind und es normal finden, hinter einer Bundesministerin in der Schlange zu stehen und die Brötchen beim Bäcker zu holen.

Sie wollen Parität in der Politik, haben das letztlich vor Gericht gescheiterte Paritätsgesetz in Brandenburg parteiübergreifend durchgesetzt – hat sich da jetzt schon jemand getraut Sie zu fragen, wie Sie es schaffen, das Amt der Bundesbauministerin mit Ihren drei Kindern zu verbinden?
Klar ist das eine riesige Herausforderung. Ich bin aber felsenfest entschlossen, meine Arbeit so zu organisieren, dass ich ganz viel von meinen Kindern habe und sie von mir.

Was wollen Sie in Sachen Familienfreundlichkeit in der Bundespolitik verändern?
In der Corona-Phase haben wir festgestellt, dass die Lebenssituation von Familien im letzten Kabinett Merkel nicht im Fokus der Erörterung stand. Jetzt haben viele Kabinettsmitglieder selbst kleine Kinder. Da führt die Macht des Faktischen dazu, dass die Interessen von Familien und Kindern viel stärker im Fokus stehen.

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