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Extreme wie das Dürrejahr 2018 werden durch den Klimawandel häufiger vorkommen.
© P. Pleul/dpa

Klimaforschung in Potsdam: „Noch so ein Jahr hätte katastrophale Folgen“

Der Potsdamer Klimaforscher Fred Hattermann spricht im PNN-Interview über das Dürrejahr 2018, kürzer werdende Winter, leere Wasserspeicher in Brandenburg sowie die Folgen für die Landwirtschaft.

Herr Hattermann, das Jahr 2018 war in Deutschland sehr außergewöhnlich: zu warm und viel zu trocken. Was würde ein weiteres Trockenjahr bedeuten?
Es ist sehr wichtig, dass sich die Wasserspeicher des Bodens, des Grundwassers und auch der Talsperren über den Winter wieder auffüllen. Ein weiteres Trockenjahr in Folge hätte tatsächlich katastrophale Folgen für die Landwirtschaft und andere Sektoren und am Ende auch starke Folgen für die Bevölkerung.

Ist die Dürre eine Folge der Erderwärmung?
Ein Einzelereignis allein beweist nicht automatisch den Klimawandel – doch in diesem Sommer waren auf der gesamten Nordhalbkugel Wetterextreme spürbar: Dürresommer in Deutschland, verheerende Waldbrände in Kalifornien, Starkregen in Japan, Stürme über dem Mittelmeer. Die Wetterextreme in diesem Jahr schienen intensiver und häufiger. Wir sind bereits mittendrin im menschgemachten Klimawandel. Global ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung um rund ein Grad Celsius gestiegen, in Deutschland bereits um 1,4 Grad. Was wir sehen, passt zu dem, was die Klimaforschung erwartet – in Zukunft möglicherweise auch noch verstärkt. Mit fortschreitendem Klimawandel können Extremwetterereignisse häufiger oder intensiver auftreten, da durch die wärmeren Temperaturen mehr Energie im Wettersystem ist.

Fred Hattermann leitet die Forschungsgruppe „Regionale Klimawirkungen und Anpassungsstrategien“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Fred Hattermann leitet die Forschungsgruppe „Regionale Klimawirkungen und Anpassungsstrategien“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
© PIK

Mit welchen Folgen?
Die Verdunstungsraten und der Wassergehalt der Luft steigen in einem wärmeren Klima, was zu schwereren Gewittern und Starkregen führen kann. Andererseits führen die gestiegenen Verdunstungsraten im Sommer aber auch zu einer stärkeren Austrocknung und Trockenheit. In jüngster Vergangenheit haben wir auch bei uns beide Extreme gesehen. Lange Phasen ohne Niederschlag wie in diesem Jahr und heftigere Niederschläge, wie in den beiden Jahren davor.

Es muss aber erst einmal etwas herunterkommen.
Genau. Verantwortlich für die Hitze in diesem Sommer war ein sich immer wieder etablierendes Hochdruckgebiet über Skandinavien, das sich nicht weiterbewegte, sondern dort festsaß. Das hat verhindert, dass Westwinde feuchte Luft vom Atlantik zu uns bringen. Dieses Blockadesystem hat über ganz Europa zu hohen Temperaturen und Trockenheit geführt. Und solche Blockadewetterlagen scheinen sich zu häufen. Das ist etwas, was wir bei fortschreitendem Klimawandel so erwarten. Die globale Erwärmung begünstigt ein Stocken des sogenannten Jetstreams, wellenförmig schwingende, gigantische Luftströme, die Wärme und Feuchtigkeit transportieren. Wenn dasselbe Wetter wochenlang anhält, dann kann in einer Region aus sonnigen Tagen eine heftige Hitzewelle werden.

Also weniger Niederschläge?
Nein, genauso kann Regen zur Überschwemmung werden, wenn die Vorwärtsbewegung dieser Wellen stockt. So können große Regenmengen über einen längeren Zeitraum in einer Region lokal abregnen, wie beispielsweise Ende Oktober dieses Jahres in Norditalien. Diese feuchten Luftmassen aus dem Mittelmeerraum können durchaus auch Deutschland erreichen, entsprechende Wetterlagen haben beispielsweise das Oder-Hochwasser 1997 und die Elbehochwasser 2002 und 2013 verursacht. In Zukunft könnte der Klimawandel also Extreme in beide Richtungen auslösen, zu viel Regen oder zu wenig Wasser. Das hängt auch damit zusammen, dass die Winter kürzer werden.

Inwiefern?
Im Winter werden die Wasserspeicher im Boden eigentlich durch Schnee und Regen aufgefüllt. Durch die globale Erwärmung verkürzen sich diese Phasen. Zudem steigt durch die wärmeren Temperaturen der Wasserstress der Pflanzen im Sommer, was zusammen mit den gestiegenen Verdunstungsraten zu einer stärkeren Austrocknung führt. Hier im Osten sind die Böden ohnehin leichter, können also nicht viel Wasser speichern. Bis Herbst dieses Jahres wurde der Wasserabfluss der Elbe immerhin noch durch Wasser vom Vorjahr aus Reservoiren in Tschechien gestützt. Es ist jetzt wichtig, wie sich die Niederschläge über den Winter entwickeln, denn davon hängt es ab, wie sich die Wasserspeicher wieder füllen können.

Was bedeutet die Entwicklung für die Landwirtschaft?
Es ist extrem schwer, sich auf diese starken Schwankungen bei den Niederschlägen einzustellen. Wetterextreme könnten häufiger oder heftiger werden, sowohl Hitze und Dürre als auch Starkregen und Überschwemmungen. Über die kommenden Jahre und Jahrzehnte hinweg werden die Schäden und Herausforderungen für die Landwirtschaft unter dem Strich ziemlich sicher zunehmen. In manchen Jahren könnte es durch die erhöhte Temperatur zwar möglich sein, früher zu säen und sogar zwei Ernten einzufahren. Einige Landwirte machen das bereits. In anderen Jahren oder anderen Regionen wird es dagegen zu Ernteverlusten kommen. Etwa wenn, wie in Schleswig-Holstein im letzten Herbst, wegen der Nässe die Aussaat verfault, es plötzlich im Frühjahr aufhört zu regnen und die jungen Pflanzenwurzeln, die aufgrund der vorherigen Feuchtigkeit kaum ausgebildet waren, kein Wasser aus der Tiefe ziehen können. Es wuchs stellenweise gar nichts mehr.

Wie kann man dem als Landwirt entgegensteuern?
Die Landwirtschaft muss diversifizieren und auf verschiedene Bereiche setzen, um die Risiken von Ernteverlusten zu verkleinern. Auch Versicherungsprodukte für Ernteausfälle sind im Gespräch. Doch auf Dauer wird es für die Bauern nicht reichen, sich – so nötig das ist – anzupassen an Klimaveränderungen. Die beste Gefahrenvermeidung ist die Stabilisierung des Klimas. Dazu muss auch die Landwirtschaft beitragen, etwa mit optimierter Stickstoffdüngung und Umbau der Tierproduktion.

Beim Thema Anpassung fragt sich, woran man sich anpassen soll. Wenn die Temperatur weiter ansteigt, werden sich ja auch die Folgen stetig wandeln. Rennt man da nicht dem Ziel immer nur hinterher?
Bei ungebremstem Klimawandel wird es auf Dauer nicht reichen, sich einfach nur anzupassen an Klimaveränderungen. Stattdessen müssen wir heute schnellstmöglich Maßnahmen zur Klimastabilisierung treffen. Alle Sektoren – Industrie, Landwirtschaft, Transport, Gebäude – müssen substantielle Beiträge zur Emissionsvermeidung leisten. Das betrifft besonders auch den Energiesektor und ganz konkret den geordneten Ausstieg aus der Kohle.

Was kommt auf die Städte zu?
Städte stehen im Mittelpunkt der Klimaproblematik. Sie sind nicht nur Verursacher des Klimawandels, sondern auch stark betroffen von den Folgen des Klimawandels – wie etwa von Extremwetterereignissen wie Starkregen. Städte müssen wieder Böden entsiegeln, damit Wasser versickern kann. Gebäude sollten so gebaut werden, dass Wasser von den Dächern nicht in die Kanalisation abfließt, sondern in den Boden. Solche Maßnahmen sind in Berlin und Potsdam bereits umgesetzt und Teil der Bauplanung. Städte sind zudem Hitzeinseln.

Das heißt?
Sie heizen sich stärker auf als die sie umgebenden ländlichen Regionen. Im Sommer ist ein Temperaturunterschied bei großen Städten von bis zu 4 bis 6 Grad keine Seltenheit. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit und wird in Zukunft sehr viele Menschen belasten.

Was ist speziell für Deutschland zu erwarten?
Wir müssen sowohl mit mehr Trockenheit, als auch mit mehr und stärkeren Niederschlägen und dann eben auch in der Folge Hochwasser rechnen. Davon könnten nicht nur die Bewohner der Flussregionen betroffen sein. Denn auch Platzregen könnte häufiger und intensiver werden. Viele Orte liegen am Ende von Tälern. Wenn sich nun große Regenmengen in sehr kurzer Zeit dort sammeln, fließt alles in diese Orte, wie etwa bei den Sturzfluten in Braunsbach und Simbach vor zwei Jahren. Solche Ereignisse lassen sich von Meteorologen nur sehr schwer vorhersagen.

Das klingt nicht gut.
Eigentlich bin ich Optimist, bei mir ist das Glas eher halb voll. Und tatsächlich haben wir die Technologien zur Minderung des Klimawandels schon in der Hand und gerade Deutschlands Wirtschaft könnte davon sehr profitieren, wenn man die richtigen Weichen stellt. Aber klar ist auch, dass wir mit ungemindertem Klimawandel immer wieder Extreme erleben werden, die auch uns Wissenschaftler noch überraschen, wie etwa die Waldbrände in Skandinavien im Sommer. Bestimmte Phänomene werden sich auch gegenseitig verstärken und aufschaukeln, mit Effekten, die wir bisher nicht absehen können. Denn die Zusammenhänge im Klima sind sehr komplex – und in komplexen Systemen können auch kleine Ursachen eine große Wirkung haben.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Fred Hattermann (48) ist Leiter der Forschungsgruppe „Regionale Klimawirkungen und Anpassungsstrategien“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

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