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Eine Machbarkeitsstudie soll nun klären, wie das geplante "Haus der Demokratie" zwischen Rechenzentrum und dem Turm der Garnisonkirche aussehen könnte.
© Ottmar Winter PNN

Wegweisender Beschluss zur Potsdamer Mitte: Neuer Dreiklang an der Plantage

27 Ja- und 20 Nein-Stimmen: Für den Kompromiss zur Garnisonkirche samt Neubau am Turm sind die Weichen gestellt. Was jetzt konkret passiert - und wie die Gegner reagieren.

Potsdam - Es ist einer der weitreichendsten Beschlüsse zur Zukunft der Potsdamer Mitte der vergangenen Jahre: Die Stadtverordneten haben am späten Mittwochabend nach rund zweieinhalb Stunden Debatte für den von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) eingefädelten Kompromiss zur Garnisonkirche votiert

Für die eher knappe Mehrheit sorgte weitgehend die rot-grün-rote Rathauskooperation – allerdings scherten Teile der Linken aus, die Opposition stimmte dagegen. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen zu den Plänen für das „Forum an der Plantage“, so der offizielle Arbeitstitel des Großprojekts.

Wie geht es vor Ort nun weiter?

Kern des Beschlusses ist eine Machbarkeitsstudie für 500.000 Euro zur Gestaltung des historischen Standorts der Garnisonkirche und seiner Umgebung an der Ecke Dortustraße/Breite Straße. Dabei geht es vor allem um ein neues „Haus der Demokratie“ als „verbindendes Element“ zwischen dem Turm der Garnisonkirche und dem Kreativhaus Rechenzentrum. Im „Haus der Demokratie“ sollen Sitzungsräume für die Stadtverordneten sowie zusätzliche Flächen für das Potsdam Museum Platz finden.

Im „Haus der Demokratie“ sollen Sitzungsräume für die Stadtverordneten sowie zusätzliche Flächen für das Potsdam Museum Platz finden. Was das kosten und wie dies umgesetzt werden könnte, soll mit der besagten Studie untersucht werden. Parallel sollen mehrere Arbeitsgruppen der Stadtverordneten und weitere Beteiligte unter anderem ein Raumprogramm entwerfen, auch für das Museum. 

Der Initiator des Kompromisses, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), war der Stadtverordnetenversammlung digital zugeschaltet.
Der Initiator des Kompromisses, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), war der Stadtverordnetenversammlung digital zugeschaltet.
© Andreas Klaer

Dazu heißt es im Beschluss, man müsse sich bei den Planungen an nicht weiter ausgeführten „finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten“ orientieren. Wenn die Machbarkeitsstudie fertig ist, soll sich ein städtebaulich-architektonischer Realisierungswettbewerb in zwei Phasen für mehrere Entwürfe anschließen. 

Die zu deren Sichtung nötige Jury sollen die Stadtverordneten wählen. Dieses Preisgericht sucht dann bis zu drei Siegerentwürfe aus, die vor Beschluss der Stadtverordnetenversammlung den Potsdamer Bürger:innen in einer Bürgerbefragung vorgelegt werden. Eine Festlegung aber gibt es schon: Das künftige Ensemble soll „deutlich den Bruch mit der architektonischen Sprache und Geschichte“ von Turm und Rechenzentrum ausstrahlen. 

Ist ein Siegerentwurf gefunden, geht es laut Beschluss um ein Betreibermodell für das „Forum an der Plantage“ sowie um dessen Finanzierung. Dann erst soll auch eine wichtige Grundstücksfrage geklärt werden: Ob die Stiftung Garnisonkirche das einst für das Kirchenschiff gedachte Areal per Erbpacht an die Stadt gibt oder kostenlos an die Stadt übertragen kann. Auch hierzu müssen, nach einem mehrstufigen Prozess, jeweils die Stadtverordneten abstimmen. 

Ist damit das Rechenzentrum gerettet?

Aktuell schon. Der Beschluss sieht „den weitgehenden oder vollständigen Erhalt des Rechenzentrums“ vor. Zugleich werden nach dem Abschluss der Machbarkeitsstudie – und wenn der gesamte Prozess zu lange dauern sollte – weitere Gespräche mit der Stiftung Garnisonkirche in Aussicht gestellt, um eine weitere „Duldungsregelung für die Zwischennutzung des Rechenzentrums bis zum Baubeginn des ,Forums an der Plantage’ zu erreichen“. 

Bis jetzt hätten die Kreativen im Rechenzentrum den Bau Ende 2023 verlassen müssen, danach wäre er abgerissen worden. Allerdings argwöhnen zum Beispiel Teile der Linke-Fraktion, dass die Prämisse für den Wettbewerb – den gesamten Kontext der Plantage betrachten zu müssen – auch Entwürfe ohne das Rechenzentrum hervorbringen könnte. 

Ist nun ein Kirchenschiff vom Tisch? 

Ja. Eine Rekonstruktion wird in dem Beschlusstext ausgeschlossen. Allerdings war diese Idee auch schon vorher finanziell nicht untersetzt. Und auch die Evangelische Kirche vor Ort hatte dieses Vorhaben schon vor Jahren abgelehnt und ihr Geld für den Turm an die Zusage gebunden, dass kein originales Kirchenschiff entstehen dürfe. 

Wie reagieren die Kompromissbeteiligten?

Erfreut. Gleich nach der Abstimmung teilte Rathauschef Schubert mit: „Mir war klar, dass die Suche nach einem Kompromiss, bei dem alle ihre bisherigen Positionen verlassen müssen, sehr schwer wird.“ Er bitte nun darum, dass jetzt gemeinsam an der Machbarkeitsstudie gearbeitet werde. Die Stiftung Garnisonkirche sprach von einer Chance für einen „gemeinsam gestaltbaren Verfahrens- und Beteiligungsprozess, aus dem ein starkes Forum für Demokratie und Geschichte hervorgehen kann“.

War es ein knappes Votum?

Relativ. Am Ende gab es 27 Ja- sowie 20 Nein-Stimmen und einige Enthaltungen, Stimmen aus der Opposition pro Kompromiss gab es nicht. Noch knapper fiel die Abstimmung zu der Frage aus, ob erst in einer nächsten Sitzung entschieden werden soll – mit einer Stimme Mehrheit setzten sich jene durch, die auf sofortiger Abstimmung am Mittwoch bestanden. 

Wie verlief die Debatte?

Kontrovers, teils polemisch. Das begann schon damit, dass SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen vorschlug, aus Gründen des Gesundheitsschutzes in Pandemiezeiten weniger Rederechte zuzulassen, als die CDU beantragt hatte – was ihr von der Opposition als undemokratisches Verhalten ausgelegt wurde und sofort eine 15-minütige Debatte provozierte. Mehrmals beklagten Aktivisten der Initiative Mitteschön und CDU-Stadtverordnete, die Garnisonkirche werde mit dem Beschluss ein zweites Mal nach 1968 gesprengt.

Damals hatte die SED die Zerstörung angeordnet. Die Kritiker setzten zudem die heutige frei gewählte Stadtverordnetenversammlung mit jener zur Zeit der DDR-Diktatur gleich, die für die Kirchensprengung stimmen musste.

Am Donnerstag setzte sich das fort: So schrieb der CDU-Stadtverordnete Wieland Niekisch in einer Presseerklärung von einem „Tag der Intoleranz in der Potsdamer Stadtgeschichte“. Er kritisierte, dass das „gleichberechtigte Anliegen“ Kirchenschiff nicht wenigstens als eine Variante geprüft werde.

Aber aufgeben wollen die Gegner nicht. Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster erklärte auf Facebook, mit Blick auf frühere Willensbekundungen der Stadtverordneten für einen Abriss des Rechenzentrums, man wisse ja nun um Lebensdauer und Wert von solchen Beschlüssen: „Die Hoffnung bleibt.“ 

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Was war politisch auffällig?

Vor allem die Uneinigkeit bei den Linken. Besonders zeigte sich diese, als es um die Frage einer möglichen Vertagung der Debatte ging, um in den Fachausschüssen diskutieren zu können. Die aktuelle Beschlussvorlage habe man zu wenig debattieren können, sagte der Stadtverordnete und frühere Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Viele Fragen seien für ihn offen. 

Wie etwa, dass es einen dringend benötigten Plenarsaal nun wohl erst nach 2030 geben werde. Damit würden die Stadtverordneten zugleich vom Rathaus separiert. Zudem sei unklar, wie viel das „Haus der Demokratie“ kosten werde – er habe von 30 Millionen Euro gehört. Und: Mit einer Kampfabstimmung sei dem Anliegen des Kompromisses nicht gedient.

Dem widersprach Scharfenbergs Nachfolger Stefan Wollenberg. Hier gehe es um einen Kompromiss, den die Vertreter von Stiftung Garnisonkirche und Rechenzentrum gemeinsam erarbeitet hätten – mit dem nun auch ein Erhalt des früheren DDR-Baus möglich sei. 

Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster, Verfechterin des nun abgesagten Kirchenbaus, erklärte nach der Sitzung auf Facebook: „Die Hoffnung bleibt.“ 
Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster, Verfechterin des nun abgesagten Kirchenbaus, erklärte nach der Sitzung auf Facebook: „Die Hoffnung bleibt.“ 
© Andreas Klaer

Bemerkenswert war auch das Abstimmungsverhalten: Ein Teil der Fraktion stimmte für, ein anderer gegen die Vertagung. Und auch bei der Hauptabstimmung votierte ein Teil der Fraktion für den Kompromiss, ein Teil enthielt sich. 

Die Fraktion Die Andere, die jahrelang für den Erhalt des Rechenzentrums gestritten hatte, stimmte wegen anderer Bedenken sogar gegen die Beschlussvorlage. Vor allem müsse die Stadt über das Grundstück für das „Haus der Demokratie“ verfügen können – sonst mache man sich gegenüber der Stiftung Garnisonkirche erpressbar, warnte Die Andere-Fraktionschef Uwe Rühling. Auch müsse der Erhalt des Rechenzentrums vollständig und nicht nur weitgehend erfolgen, sagte er.

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